Im Kreislauf denken

Österreich verfügt seit Ende 2022 über eine Kreislaufstrategie. Nicht zuletzt die ambitionierten Klimaschutzziele der EU zwingen die Mitgliedsländer zu einem rasanten Umdenken in puncto Ressourcenverbrauch. Eine Herausforderung für die Stein- und keramische Industrie, wie Andreas Pfeiler im Exklusivinterview erläutert.
GISELA GARY

Der starke Anstieg im Ge- und Verbrauch von Ressourcen verursacht erhebliche Umweltbelastungen. Die Treibhausgasemissionen sind zu rund 50 Prozent, der Biodiversitätsverlust und der Wasserstress zu mehr als 90 Prozent auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen. Die Produktion von Stahl, Zement, Kunststoffen, Papier und Aluminium verursacht 36 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen. Der neueste Bericht des Umweltbundesamtes bestätigt die Brisanz des Themas. Klimaneutralität bis 2050 ist das Ziel – die Kreislaufwirtschaft ist dabei ein wesentlicher Hebel.

- Anzeige -

Wir müssen es von der linearen „take-make-use-waste“-Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft schaffen. Wie kann das gelingen?

Natürlich mit mineralischen Baustoffen. Aber im Ernst, unsere Produkte sind seit jeher prädestiniert für den endlosen Kreislauf. Die Grundfesten vieler Städte finden ihren Ursprung im Römischen Reich. Die seinerzeit verbauten Materialien wie Steine und Ziegel sind ja nach wie vor verbaut. Deponiert hat man dieses jedenfalls nicht. Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden.

Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert. Und genau das sind die Stärken unserer mineralische Baustoffe. Sie sind ewig rezyklierbar und bilden – egal in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt – stets eine dauerhafte Rohstoffreserve, die verbauten Produkte bilden die Rohstoff- Schatzkammer der Zukunft.“

Andreas Pfeiler

Sie sind ja auch häufig in Brüssel – welche Signale gibt es im Europäischen Parlament?

Ganz klare, zu denen wir zu 100 Prozent stehen. Das Bewusstsein ist vorhanden, die Gewinnung und Verwendung von Rohstoffen hat jedenfalls Auswirkungen auf Klima und Umwelt – gute wie schlechte. Sie erhöhen einerseits den Energieverbrauch und die CO₂-Emissionen. Die intelligente Nutzung von Roh- und Baustoffen kann andererseits auch CO₂- Emissionen senken. Wir müssen also danach trachten, ein Optimum für das Gesamtergebnis zu erreichen.

Andreas Pfeiler

Wie sieht es aktuell in Österreich aus?

2019 gab es 11,5 Millionen Tonnen mineralische Bau- und Abbruchabfälle. 9,4 Millionen Tonnen wurden dem Kreislauf als Sekundärrohstoffstrom zugeführt, 1,3 Millionen Tonnen wurden deponiert. Potenziale haben wir dennoch im Bereich der korrekten Trennung der Baurestmassen, um diese dann weiterverwerten zu können. Ebenso muss es ein Selbstverständnis werden, Sekundärrohstoffe optimal in den Kreislauf zu führen. Asphaltrecycling z. B: sollte immer in die Asphaltmischanlage zurückgeführt werden und nicht als Schüttgut zur Staubfreimachung unbefestigter Wege dienen.

Durch den Einsatz mineralischer Baustoffe werden künftige Rohstoffreserven angelegt, die bis auf kleine Ausnahmen vollständig im ewigen Kreislauf bleiben. Aber keinesfalls sollten wir dem Irrtum erliegen, dass wir damit auf den Primärrohstoffstrom verzichten können. Denn der Sekundärrohstoffstrom deckt selbst bei 100 Prozent Verwertungsquote nur zehn Prozent des Bedarfs.

Andreas Pfeiler
- Anzeige -

Was halten Sie von Recyclingquoten?

Ehrlich? Wenig! Aufgrund der Langlebigkeit der Produkte ist der Massenstrom aus dem Abbruch und Rückbau meist örtlich und mengenmäßig begrenzt. Verpflichtende Quoten helfen niemandem – der Umwelt, dem Klima und auch der Bevölkerung nicht. Quoten machen nur dann Sinn, wenn die Stoffströme regional und mengenmäßig konstant vorhanden sind, z. B. in urbanen Bereichen. Andernfalls werden lediglich Transportemissionen forciert. Recycling muss ein Selbstverständnis werden, mit Quoten erreichen wir das nicht.

Andreas Pfeiler

Reconstruct – was steckt dahinter?

Andreas Pfeiler hat Bauingenieurwesen an der TU Wien studiert und ist seit 2012 Geschäftsführer des Fachverbands Steine Keramik. Der Fachverband hat mehr als 300 Mitglieder, die vor allem in der Massivbaubranche tätig sind. Zudem engagiert sich Pfeiler in zahlreichen europäischen Verbänden.

Wir – die Baustoffindustrie – stehen vor gravierenden Herausforderungen. Wir haben mit unserem Forschungsprojekt „ReConstruct“ einen Anstoß für das klimafitte Bauen geliefert. Erst im November diskutierten wir in Brüssel mit hochrangigen Vertretern das Thema – Grundlage dazu war das Strategiepapier „Fit für 55“, in dem eine Reduktion der Emissionen der Bauindustrie um 60 Prozent bis 2030 vorgeschlagen wurde.

Stefan Schleicher von der Universität Graz und Projektleiter von ReConstruct präsentierte das Projekt, das die Potenziale der Baustoffindustrie entlang der Wertschöpfungskette aufzeigen soll. Schleicher verwies dabei auf innovative Quartiersprojekte wie Surstoffi und Papieri in der Schweiz, wo mit Anergie-Netzen alle Komponenten des Energiesystems verbunden werden. Berthold Kren, CEO von Lafarge, erläuterte die massiven Forschungsanstrengungen der österreichischen Zementindustrie in dem Bereich, der die Abscheidung von CO₂ aus der Zementherstellung sowie die Fertigung von hochwertigen Kunststoffen, Olefinen und Kraftstoffen auf Basis erneuerbarer Rohstoffe ermöglichen soll.

Durch die Schaffung einer sektorübergreifenden Wertschöpfungskette werden Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und Innovation in Österreich vorangetrieben. Mit diesem innovativen Projekt (C2PAT) würden auch die Emissionen in der Zementproduktion signifikant verringert und das Treibhausgas CO₂ als wertvolle Ressource für die industrielle Weiterverwendung etabliert.

Andreas Pfeiler

Das NEST ist eines Ihrer Vorzeigebeispiele, das Sie selbst ja auch schon besucht haben. Worum geht es dabei?

Ja, das Projekt NEST, Next Evolution in Sustainable Building Technologies, der EMPA in Dübendorf bei Zürich gilt als herausragendes Beispiel für nachhaltiges Bauen. In dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude wird laufend ausprobiert, geforscht und unter realen Bedingungen überprüft. Ein spannendes Projekt. Kreislauffähigkeit steht dabei im Zentrum, es werden ausschließlich Materialien eingesetzt, die wiederverwendbar sind. Ein living lab, von dem wir uns jedenfalls neue Impulse für das Bauen von morgen erwarten.

Andreas Pfeiler
Entgeltliche Einschaltung unseres Medienpartners Fachverband Steine Keramik, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, T +43 5 90 900 3532 – www.baustoffindustrie.at
Foto: Lukas Lorenz

Die neue österreichische Kreislaufstrategie bekennt sich klar dazu, dass ressourcenschonende und zirkuläre Bauweisen begünstigt gefördert werden sollen – schon etwas davon bemerkt?

Pfeiler (schmunzelt) –Noch nicht, aber ich bin guter Dinge. Mit Grund: Gebäude aus mineralischen Baustoffen sind einfach zu trennen und sortenrein zu verwerten – das ist unser Trumpf. Ich denke, das Thema wird mit der OIB-Richtlinie 7 „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ in Schwung kommen.

Andreas Pfeiler

Welche Rolle spielt bei allen Bemühungen die Digitalisierung?

Eine entscheidende, denn es geht um Ressourcenschonung, Bauteiloptimierung, 3-D-Druck und Effizienzsteigerung in den Prozessen. Wir müssen sämtliche Potenziale zur Energieeffizienz und CO₂-Reduktion ausloten. Im sogenannten Energie-Hub werden alle Komponenten zu einem Anergienetz.

Andreas Pfeiler

Was halten Sie von der Idee, dass sämtliche Bauteile, inklusive dem Innenausbau oder auch den Teppichen, nur noch gemietet werden und der Hersteller sich verpflichtet, diese Teile auch wieder zurückzunehmen und erneut in den Kreislauf zu führen? Eine attraktive Idee für gemeinnützige Bauträger?

Das Prinzip klingt simpel. Aber ob der Abnehmerkreis alter Teppiche groß ist, muss man Experten fragen. Für mineralische Baustoffe selbst ist das eventuell etwas anderes. Es kann durchaus ein Vorteil oder Investment in die Zukunft sein, wenn ich mir die Rechte am Sekundärrohstoff bei Auslieferung des Erstprodukts bereits sichere. Man investiert in einen Rohstoffspeicher der Zukunft. Ich denke daher, dass man in alle Richtungen denken muss und soll. Je mehr wir ausprobieren umso reicher werden unserer Erfahrungen, von denen unsere Umwelt und wir alle profitieren werden.

Andreas Pfeiler

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Lesen Sie Artikel zum selben Thema