Für immer Prototyp?

Das modulare Bauen und die Vorfertigung erleben eine Renaissance. Noch ist offen, wie massentauglich die Ideen sind. Doch es gibt eine Vielzahl an Konzepten, gemeinnützige Bauträger erweisen sich neuerlich als Innovationsträger.
MAIK NOVOTNY

Die Nachbarn in ihren Einfamilienhäusern schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Was damals, 1978, vor ihrer Nase auf die Wiese rollte, hatte für die meisten weder mit ihrer Idee des Wohnens noch mit der halb-ländlichen Steiermark zu tun. Das Projekt Kooperatives Wohnen (P.K.W.) in Graz-Raaba, die Realisierung eines Traumes vom experimentellen Zusammenleben, geplant von Architekt Fritz Matzinger, bestand programmatisch aus 24 Eigentumswohnungen und konstruktiv aus vorgefertigten Betonmodulen, die mit dem Zug und Lkw aus Oberösterreich heran transportiert und dann per Kran in kürzester Zeit aufeinandergetürmt wurden. 40 Jahre später sieht man dem Wohnprojekt – wie im Dokumentarfilm „Der Stoff, aus dem Träume sind“ von Lotte Schreiber und Michael Rieper ersichtlich – seine modulare Genese nicht mehr an.

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Das modulare Bauen selbst machte in diesen 40 Jahren jedoch bis auf wenige Ausnahmen eine Pause. Nicht zuletzt, weil es vor allem mit dem großmaßstäblichen Wohnbau der Nachkriegszeit assoziiert wurde: Realsozialistischer Plattenbau als Schreckgespenst. Dabei war das Serielle und Typisierte auch im Westen die favorisierte Lösung für den Wohnraummangel der 1960er und 1970er Jahre.

Die Stadt Wien führte schon früh dementsprechende Architektur-Wettbewerbe durch und gründete die Montagebau Wien mit zwei Fertigungswerken, für eine angestrebte Jahresproduktion von 1.000 Wohnungen. Die Gründe dafür waren vielfältig, erläutert Architekt Christoph Lammerhuber (pool architektur) im Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Serielle Produktion – Chancen für den geförderten Wohnbau?“, welches die IG Architektur bereits vor zwei Jahren im Auftrag der IBA Wien 2022 durchführte: „Zum einen herrschte, auch am Bau, akuter Facharbeitermangel. Der Wunsch nach hoher Geschwindigkeit bei der Errichtung, unabhängig von Witterungseinflüssen schwang in allen Diskussionen mit, genauso wie der Traum, durch die Vorfertigung geringere Baukosten zu erreichen. Letztere Hoffnung lässt sich trotz intensiver Forschung bis heute weder bestätigen noch dementieren.“ – Faktum:
Die Montagebau Wien errichtete rund 20.000 Wohnungen.

Wieder populär

Der Zeitpunkt des Forschungsprojektes ist kein Zufall. Denn seit einigen Jahren ist ein Wiedererstarken des seriellen Bauens zu beobachten. Was vor 50 Jahren als industriell produzierte Masse gleicher Einheiten daherkam, zeigt jetzt ein anderes Gesicht. Heute hofft man dank Digitalisierung, BIM und Mass Customization, die eierlegende Wollmilchsau zu gebären, sprich: sowohl seriell als auch individuell zu sein. Die Wohnung als perfektes Produkt mit individuell zusammengestellter Ausstattung, nach dem Vorbild der Autoindustrie. Doch gelingt das über den einzelnen Prototyp hinaus?

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Unter der Überschrift modulares Bauen sind auf Standardisierung und Vorfertigung basierende Bauweisen heute wieder populär“, konstatierte Julia Gill schon 2016 im deutschen Fachmagazin Bauwelt unter der augenzwinkernden Überschrift „Germany‘s next Topmodul“: „Schnell und kostengünstig soll nun der Serienbau als schärfste Waffe der Wohnungsbau-Offensive des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen (BWUB) die Löcher stopfen, die ein jahrzehntelanges Aussetzen der sozialen Wohnraumförderung am Markt hinterließ…

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