Franz Christange: Was den Messdienst der Zukunft auszeichnet

„Es ist nicht die stärkste der Spezies, die überlebt, noch die intelligenteste, die überlebt. Es ist diejenige, die am anpassungsfähigsten an Veränderungen ist“: Mit diesem Zitat von Charles Darwin begann Franz Christange, Geschäftsführer der EAD Energieabrechnungs-Systeme GmbH, seinen Vortrag auf dem 10. Deumess Fachkongress. Sein Thema für die rund 270 Teilnehmer vor Ort und remote an den heimischen Bildschirmen: Der Messdienst der Zukunft.

Franz Christange ist seit 5 Jahren Teil der Geschäftsführung der EAD und damit einer Gruppe mittelständischer Messdienste mit über 20 Partnern in Deutschland und Österreich. Die Gruppe betreut mit mehr als 300 Mitarbeitern rund 50.000 Liegenschaften. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer der arasys GmbH, die eine umfassende Softwarelösung für Heizkostenabrechnung und ihre Daten und Prozesse anbietet. Entsprechend breit war darum auch der Erfahrungsschatz, mit dem der EAD-Geschäftsführer auf sein Thema blickte. Im Folgenden fasst er seinen Vortrag exklusiv für Wohnungswirtschaft heute noch einmal zusammen.

- Anzeige -

„Die Ziele der Bundesregierung zur Energiewende haben sich in den letzten Jahren weiter verschärft, Beispiele dafür sind der Kohleausstieg bis 2030 und das Ziel von Klimaneutralität bis 2045. Trotz sich verändernder Prioritäten bleibt die Energiewende unumkehrbar. Auch international zeigt sich ein gewisser Trend, selbst in Ländern, von denen man es zunächst nicht erwarten würde – wie etwa Äthiopiens Entscheidung verdeutlicht, zukünftig auf 100 % Elektromobilität zu setzen. Wir müssen also den Weg der Energiewende gehen, dabei aber die Geschwindigkeit der Veränderungen im Rahmen des Möglichen halten. Das gilt auch für den Gebäudebereich.

Strategisch spielt die vom Messdienst der Zukunft eingesetzte Software eine elementare Rolle

Hier nimmt der Einsatz von Wärmepumpen stetig zu, insbesondere im Neubausektor. Rund 70 % der neu errichteten Gebäude werden inzwischen zumindest anteilig mit Wärmepumpen beheizt. Diese Entwicklung führt immer häufiger zu komplexen multienergetischen Anlagen, was deren Heizkostenabrechnungen komplexer gestaltet. Eine rechtssichere Abrechnung durch eine kontinuierlich aktualisierte und geeignete Abrechnungssoftware ist darum unerlässlich, um den sich stets wandelnden gesetzlichen Anforderungen auch zukünftig zu entsprechen.

Eine besondere Herausforderung bei multienergetischen Anlagen ist die Entwicklung eines individuellen Abrechnungsschemas mit passender Zählerinfrastruktur unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Strategisch spielt die vom Messdienst der Zukunft eingesetzte Software eine elementare Rolle, um die komplexer werdenden Prozesse zu beherrschen.

Klarer Trend ist der zunehmende Einsatz von Photovoltaikanlagen

Ein weiterer, sehr klarer Trend ist der zunehmende Einsatz von Photovoltaikanlagen. Diese erzeugen Strom vor Ort, der zum einen in den Wärmepumpen, aber auch in den Wohnungen durch die Bewohner genutzt werden kann: Als Mieterstrom oder im Rahmen der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“.

Voraussetzung im Mehrparteiengebäude ist jedoch immer eine adäquate Strommessung, bei der meist ein Summenzähler die Produktionsüberschüsse und den Reststrombedarf misst. Die Erfassung muss zumindest perspektivisch im strengen Viertelstundentakt erfolgen und die Messwerte müssen teils rechnerisch korrigiert werden – dazu ist in der Regel ein spezialisierter Dienstleister erforderlich. Dieses Thema von wachsender Bedeutung bietet für Messdienste der Zukunft die Chance, sich mit weiter entwickeltem Know-How zu positionieren: Oft sind sie für ihre Kunden der erste Ansprechpartner und können so ein neues, zukunftsträchtiges Geschäftsfeld erschließen.

Strom sorgt nicht nur für Licht und Wärme, sondern auch für Bewegung: In Deutschland besitzen bereits rund zwei Prozent der Bevölkerung Elektrofahrzeuge. Auch wenn die Absatzzahlen für die Antriebsart zurzeit eher sinken als steigen, sehen wir uns mit einer zunehmenden Nachfrage nach Ladestationen in Mehrparteienhäusern konfrontiert. Wenn sich mehrere Nutzer eine Ladesäule teilen, ist eine dynamische Zuordnung des Verbrauchs nötig. Immer ist jedoch eine Abrechnung der Kosten des Ladestroms und dessen Erfassung mit geeichten Zählern erforderlich, die entsprechend professionell betreut werden müssen. Eine aktive Steuerung der Ladestationen hilft Leitungs- und Netzüberlastungen zu vermeiden.

Mehrparteienhäuser verändern sich zu „Verbraucher, Speicher und Erzeuger“

Mehrparteienhäuser verändern sich perspektivisch vom einfachen Energiekonsumenten hin zu einem multienergetischen Prosumer, werden also Verbraucher, Speicher und Erzeuger gleichzeitig. Die dabei ablaufenden energetischen Prozesse gilt es zukünftig in Echtzeit zu steuern und zu managen. Die fortschreitende Digitalisierung spielt insofern eine entscheidende Rolle für die Energiewende.

Neben einer smarten und vernetzten Erfassungsinfrastruktur sind vollautomatisierte Prozesse notwendig, um die komplexen Energieflüsse in den Gebäuden zuverlässig zu managen. Energiemanagement-Systeme (EMS) und intelligente Messsysteme mit Smart Meter Gateway spielen hierbei eine zentrale Rolle. Diese Systeme versprechen zusammen auch eine flexible Reaktion auf Preisschwankungen und dadurch eine Reduzierung der Energiekosten. Doch die heute verfügbaren Lösungen bedürfen noch weiterer Konsolidierung.

Franz Christange, er ist Geschäftsführer der EAD Energieabrechnungs-Systeme GmbH. Foto: EAD

Die Stabilisierung des Stromnetzes ist mit dem zunehmenden Anteil volatiler, also nicht steuerbarer Stromerzeuger die entscheidende Herausforderung für die deutsche Energiewende. Dazu hat die Bundesregierung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) festgelegt, dass Netzbetreiber auf steuerbare Anlagen wie Wärmepumpen oder Ladestationen aktiv zugreifen können müssen, um die Netzstabilität zu gewährleisten.

Im Notfall soll so durch eine kurative Steuerung die Balance des Stromnetzes wiederhergestellt werden. Dem gegenüber steht die präventive Steuerung, also Mechanismen, wie z.B. dynamische Stromtarife, die Anreize zum Strombezug zum richtigen Zeitpunkt geben. Diese Aufgaben sind in hohem Maße abermals von intelligenten Messsystemen abhängig.

Datenschutz und IT-Sicherheit

Eine derartig vorangetriebene Digitalisierung der Energiewende rückt auch den progressiven Datenschutz und IT-Sicherheit in den Fokus. Ein Beispiel: Der EU Data Act verpflichtet letztlich Messdienste, die live-Übermittlung von Ablesewerten an den Hauseigentümer perspektivisch zu ermöglichen.

Dies erfordert eine vollautomatische Schnittstelle und stellt hohe Anforderungen an die Datensicherheit. Ransomware-Angriffe und andere Cyberbedrohungen nehmen stetig zu, was den Bedarf an robusten Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Auch dies ein Thema, mit dem sich Unternehmen beschäftigen müssen, die als Messdienst der Zukunft erfolgreich agieren wollen.

Digitalisierung erfordert einen umfassenden Transformationsprozess, der auch für kleinere Player viele Chancen bereithält: Die stets rechtssichere Abrechnung steht dabei immer an erster Stelle – Datenschutz, IT-Sicherheit sowie die Automatisierung und Professionalisierung der Arbeitsprozesse rücken immer weiter auf.
 

Die Digitalisierung der Energiewende bringt insofern zahlreiche Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. Der Einsatz von Funktechnik und die kontinuierliche Erfassung von Ablesewerten sind die zentrale Grundlage. Die daraus resultierenden Datenströme müssen professionell und zuverlässig verarbeitet werden. Eine gut funktionierende Software, die diese Prozesse zuverlässig unterstützt, ist daher unerlässlich.

Zukünftig wird der Bedarf nach digitalen Produkten und Dienstleistungen weiter steigen, nicht nur getrieben durch die Politik. Junge Menschen, die als „digital natives“ aufgewachsen sind, erwarten moderne, digitale Lösungen. Eine fortschreitende Automatisierung ist auch im zukünftigen Arbeitsmarkt unabdingbar, um Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen zu erzielen.

Eine Konzentration des Marktes bei wenigen dominierenden Konzernen, sowie zunehmende Unternehmensauflösungen und Verkäufe mittelständischer und kleiner Messdienste prägen das heutige Bild der Branche. Doch der Wind der Veränderung weht. Der Wandel durch Energiewende und Digitalisierung erfordert einen umfassenden Transformationsprozess, der auch für kleinere Player viele Chancen bereithält: Die stets rechtssichere Abrechnung steht dabei immer an erster Stelle – Datenschutz, IT-Sicherheit sowie die Automatisierung und Professionalisierung der Arbeitsprozesse rücken immer weiter auf. Es gilt zügig strategische Weichen für die neuen Geschäftsfelder zu stellen, deren Gemeinsamkeit die Bedeutung der Messgeräte und deren Daten ist. Der erfolgreiche mittelständische Messdienst der Zukunft meistert diese Herausforderungen, insbesondere in dem er seine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an sich dynamisch verändernde Marktbedingungen intelligent nutzt.“

Franz Christange

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema