Energieversorgung muss gemeinwohlorientiert sein

Die Wohnungswirtschaft und die Verbraucherzentrale von Schleswig-Holstein haben von der Kieler Landesregierung und den Fraktionsvorsitzenden eine zügige Dekarbonisierung der Energieversorgung, eine verlässliche kommunale Wärmeplanung und eine am Gemeinwohl orientierte Energieversorgung gefordert.

„Angesichts der noch zu erwartenden Kosten von rund 200 Milliarden Euro jährlich zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudebestand stellt sich die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz für den deutschen Energiewendeweg“, heißt es in einem Schreiben, das unter anderen an Ministerpräsident Daniel Günther ging.

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Es sei unstrittig, dass Klimaschutz hohe Kosten verursache. „Die Aufgabe darf aber nicht überfordern. Alle müssen mitziehen. Mieter, Vermieter, Selbstnutzer“, heißt es in dem Schreiben weiter. Damit alle mitziehen könnten, „braucht es praktikable, skalierbare Lösungen. Die zeichnen sich aus durch Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Bezahlbarkeit.“

Schon rund 342 Milliarden Euro in die Ertüchtigung von Wohngebäuden investiert

Experten des DIW zufolge flossen allein zwischen 2010 und 2018 rund 500 Milliarden Euro in energetische Maßnahmen. Davon seien rund 342 Milliarden Euro in die Ertüchtigung von Wohngebäuden investiert worden. Auch 2019, 2020 und 2021 seien jeweils rund 50 Milliarden Euro für energetische Maßnahmen ausgegeben worden.

Als Folge sank sei Verbrauch an Wärmeenergie je Quadratmeter Wohnfläche von durchschnittlich 250 Kilowattstunden im Jahr 1990 auf derzeit rund 130 Kilowattstunden. Die Emission von Treibhausen sank trotz des Baus von mehr als sechs Millionen Wohnungen um 44 Prozent.

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Dennoch sei auch Schleswig-Holstein von der Klimaneutralität ein gutes Stück entfernt, heißt es weiter in dem Schreiben, das von Sönke Struck, Vorsitzender des BFW Landesverbands Nord, Bernd Heuer, 1. Landesvorsitzender des Verbands Wohneigentum Siedlerbund, Stefan Bock, Vorstand der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein und Andreas Breitner, Verbandsdirektor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), unterzeichnet wurde.

Rasche Dekarbonisierung der Energieversorgung

Eines der wichtigsten Elemente zum Erreichen von Klimaneutralität ist den Autoren des Schreibens zufolge die rasche Dekarbonisierung der Energieversorgung. Durch die weitere energetische Sanierung von bereits energetisch sanierten Wohngebäuden würden am Ende mehr Treibhausgase freigesetzt als durch sinkenden Energieverbrauch gespart.

Zudem ignoriere die alleinige Betrachtung des Energieverbrauchs im „laufenden Betrieb“, dass die meisten Emissionen beim Bau bzw. bei der Sanierung von Wohngebäuden anfielen.

Wärmepläne müssen verbindlich sein

Die jüngst beschlossene rasche Aufstellung von kommunalen Wärmeplänen sei zwar wichtig. Einen wirklichen Effekt werde diese aber nur haben, wenn dabei die Gebäudeeigentümer einbezogen und deren Anforderungen berücksichtigt würden, heißt es in dem Schreiben. Zudem bedürfe es Verbindlichkeit der Pläne. Gebäudeeigentümer „müssen wissen, ob sie sich darauf verlassen können, dass Gebäude darüber innerhalb der gesetzlichen Zeitziele vollständig mit dekarbonisierter Wärme versorgt werden“.

Gemeinnützigkeitsgebot der Fernwärme, wie in Dänemark

Zu guter Letzt fordern die Unterzeichner des Schreibens mit Verweis auf Dänemark ein Gemeinnützigkeitsgebot der Fernwärme. „Der Preis für Fernwärme darf dort nur den Betrag decken, der für die Herstellung und Distribution benötigt wird“, heißt es in dem Schreiben. Dazu zähle der Erhalt des Eigenkapitals und die dazu erforderliche geringe Eigenkapitalverzinsung. „Darüber hinaus gehende Gewinne sind nicht vorgesehen und müssen dementsprechend nicht durch die Wärmekunden finanziert werden.“

In Deutschland sind Fernwärmenetze derzeit „ein unreguliertes Monopol“

In diesem Zusammenhang verwiesen die Autoren des Schreibens darauf, dass in Deutschland Fernwärmenetze derzeit „ein unreguliertes Monopol“ seien. „Die Preisbildung ist aus Kundensicht oft wenig nachvollziehbar.“ Das gelte zwar grundsätzlich auch für andere Netze, „weshalb die Bundesnetzagentur im fünfjährigen Turnus für Gas- bzw. Stromnetzbetreiber individuelle Erlösobergrenzen ermittelt“. Das sollte auch bei Wärmenetzbetreibern Anwendung finden.

Abschreibungszeiten deutlich ausweiten

Die Verfasser des Schreibens regen an, in der Energie- und Wasserversorgung die Abschreibungszeiten deutlich auszuweiten. Bislang sehen die Verordnungen zwischen 15 und 20 Jahre vor. „Im Vergleich dazu legt die Wohnungswirtschaft für ihre Investitionen Abschreibungszeiten von 50 Jahren und mehr zugrunde.“ Das sorge dafür, dass die Wohnkosten nicht deutlich höher liegen würden.

Oliver Schirg

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