Einfach, gemeinsam, bezahlbar

Mit dem Wohnhaus Abakus in Basel gelang ein flexibles Haus für genossenschaftliches Wohnen. Die Besonderheit dabei: Architekten und Bewohner planten gemeinsam ihr neues Zuhause.
GISELA GARY

Am Anfang stand eine Vorstellung von Wohnen, Stadt und Gemeinschaft. Die Bewohnerschaft und die Architekten tüfteln vom ersten Entwurf ihrer Idee gemeinsam, die Genossenschaft „Mietshäuser Syndikat“ ist die Besitzerin und Bauherrin. Im Dreieck aus Bewohnerschaft, Architekten und Genossenschaft entstand das Projekt mit fünf Wohnungen und einer Wohngemeinschaft als Bewerbung auf eine Ausschreibung der Stiftung Habitat, welche auf einem ehemaligen Supermarktareal in einer klassischen Blockrandbebauung kleinteilige Baurechts- Parzellen rund um einen gemeinsamen Innenhof angeboten hat. Für die Gruppe war rasch klar: Wohnen muss bezahlbar sein – und sie wollen gemeinsam wohnen.

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Alles ist möglich – die Gemeinschaftsflächen stehen allen zur Verfügung.
Foto: Peter Tillessen

Für die Architekten war rasch klar: Außenräume sind Gemeinschaftsräume, das Haus muss einem breiten Publikum offen stehen. Somit wurden die 26 Bewohner Teil der Hausgemeinschaft, jeder zeichnete einen Anteilsschein, und jeder darf wohnen bleiben, auch wenn sich die familiäre Situation und damit der Platzbedarf verändert. Dementsprechend anpassbar ohne bauliche Eingriffe entwarfen die Architekten die Wohnungen.

„Um die Flexibilität der Wohnungen zu ermöglichen und damit zu verhindern, dass Wohnraum auf Vorrat gehortet werden muss, ergänzen sich im Haus zwei unterschiedliche Wohnformen: zum einen horizontal erweiterbare Geschoßwohnungen, zum anderen eine vertikal organisierte Wohngemeinschaft“, erläutert Claudio Meletta von Stereo Architektur.

Die Geschoßwohnungen bieteneine langfristige Perspektive für Gruppen ab zwei Personen. Die WG bietet Platz für Menschen, die nicht in den Genuss von genossenschaftlichem Wohnraum kommen, wie zum Beispiel Studierende oder Geflüchtete. Eine 3,5-Zimmerwohnung kann bis zu einer 5,5-Zimmerwohnung erweitert werden, während die WG bis zu zehn Einzelzimmer umfassen kann. „Die Grenzen zwischen den Wohnformen sind jedoch nicht starr, sondern können sich über die verschiedenen Räume und Geschoße hin aufweichen und überlagern“, so Meletta.

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Offene Zukunft

Abakus ist genossenschaftliches Wohnen, das gelebt wird und nicht nur ein Finanzierungsmodell ist. Meletta erläutert: „Die flexiblen Wohnungen bestimmen direkt die Typologie, das Wechselspiel zwischen Budget, baulicher Notwendigkeit und gestalterischem Anspruch sowie den Charakter. Beim Gang durch das Haus, vom Eingang bis aufs Dach, erlebt man nicht nur Architektur, sondern auch eine Vision des Zusammenlebens.“ „Wobei“, so räumt Meletta ein, „das fertiggebaute Haus verstehen wir nicht als Idealzustand, den es zu konservieren gilt. Es ist der Ausgangspunkt für eine offene Zukunft.“ Einzige Einschränkung: „Es gibt keine Kaufoption für die Mieter, das wäre gegen das Konzept. Die Bewohnerschaft verwaltet das Haus gemeinsam als Hausgruppe. Stockwerkeigentum ist nie gut für ein Haus, da dieses die Entwicklung bremst/verunmöglicht“, so Meletta.

Illustration: Stereo Architektur

Der Stadtteil Lysbüchel Süd in Basel hat sich in den letzten Jahren komplett gewandelt – von einem Gewerbeareal zu einem bezahlbaren Wohnquartier. Die Stiftung Habitat kaufte das 12.400 Quadratmeter große Areal. Der nördliche Teil wurde 2016 an den Kanton Basel-Stadt verkauft. Als Teil des Projekts VoltaNord soll dort ein Quartier mit gemischter Nutzung entstehen. Den südlichen Teil – Lysbüchel Süd – behielt die Stiftung. Das Gebiet wurde in 15 Parzellen aufgeteilt, auf denen in Zusammenarbeit mit mehreren kleinen und größeren Genossenschaften Wohnhäuser entwickelt werden. Drei Parzellen bebaute die Stiftung selbst, zwölf gab sie im Baurecht ab. Eines dieser drei Projekte ist das Wohnhaus Abakus.

Die Räume sind einfach anpassbar.
Foto: Daisuke-Hirabayashi

Das Konzept basiert auf der Idee, dass Wohnraum ein Grundbedürfnis und kein Spekulationsobjekt ist. Alle Räumlichkeiten werden durch ein offenes Treppenhaus erschlossen. Die Konstruktion aus vorgefertigten Elementen ist bewusst auf das Notwendige reduziert. Das Tragwerk ist aus Holz, die Geschoßdecken bestehen aus vorgespannten Hohlbetondielen. Die tragenden Holzwände wurden im Gebäudeinneren mit Lauge aufgehellt, außen wurden sie mit hellem Wellblech verkleidet. Einfach, gemeinsam, bezahlbar – so geht’s. Und der soziale Mix ist ebenso garantiert: Neben Familien wohnen im Abakus auch ältere Menschen und es gibt – zurzeit – eine diverse WG.

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