Einfach ökologisch

Die mineralische Bauweise hat einen gewaltigen Vorteil: Sie ist einfach ökologisch, und kommt bei kluger Planung ohne komplizierte Technik aus – zudem können die Baustoffe unendlich im Kreislauf gehalten und immer wieder neu verbaut werden.
GISELA GARY

Weniger Energie, weniger CO₂- Emissionen, mehr Kreislaufwirtschaft, weniger Ressourcenverbrauch – mehr resilientes Bauen, Anforderungskriterien, die nur mineralische Baustoffe zu 100 Prozent erfüllen. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine Keramik, spricht sich aber zugleich für Technologieoffenheit und Baustoffneutralität aus. Jeder Baustoff ist nach seinen Stärken einzusetzen: „Dass im Neubau gezielt eine Bauweise forciert werden soll, ist wenig dienlich und verzögert Entwicklungen für den zukünftigen Gebäudebestand. Vielmehr sollte die Bewertung über den Lebenszyklus verstärkt in den Fokus rücken.

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Regionalen, wenig transportintensiven und vor allem rezyklierbaren Bauprodukten, die in der Nutzungsphase Emissionen verhindern, muss die Zukunft gehören. Was bringt ein Produkt, das in der Produktion als CO₂-neutral gilt, über die Lebenszeit allerdings für mehr CO₂-Ausstoß verantwortlich ist und am Ende einer weitaus kürzeren Lebensdauer nicht rezykliert werden kann? Wer heute Bauweisen forciert, deren Rohstoffe Tausende Kilometer am Buckel haben, muss sich die Frage stellen, ob der ökologische Fußabdruck dann immer noch passt, wenn man eine Analyse ,cradle to cradle‘ durchführt.“

Der Klimawandel erfordert radikale Maßnahmen, die Erhitzung ist vor allem für den Gebäudebereich eine der größten Herausforderungen. Warum auch hier mineralische Baustoffe punkten, erläutert Pfeiler: „Dabei geht es nicht zwangsweise um die Ersparnisse bei der Raumwärme in den kalten Monaten, sondern vielmehr darum, in den zunehmend heißen Sommermonaten konstruktive Schutzmöglichkeiten zu implementieren. Das Heizen und Kühlen mit massigen Bauteilen liefert hierzu bereits ausreichend Potenzial, um ausschließlich mit erneuerbarer Energie den sommerlichen Überwärmungsschutz zu gewährleisten. Wichtig wäre jedoch, wenn diesbezügliche Förderinstrumente geschaffen und Rechtsmaterien angepasst werden.“

Ohne fossile Energie

Der soeben mit dem österreichischen Betonpreis ausgezeichnete Wohnbau in der Käthe-Dorsch-Gasse 17, errichtet von der WBV-GPA, geplant von Berger Parkkinen Architekten und Christoph Lechner & Partner, zeigt vor, wie es auch im sozialen Wohnbau einfach ökologisch geht: Mit Hilfe von Geothermie, einer Solarabsorber-Anlage, drei Wärmepumpen und Bauteilaktivierung kommt der Wohnbau mit 295 Wohnungen völlig ohne fossile Energie aus. „Sensationell, was hier gelungen ist und dass das Konzept der Bauteilaktivierung längst im sozialen Wohnbau angekommen ist, ist für mich ein großartiges Zeichen. Diese Technologie, die eigentlich so simpel wie eine Fußbodenheizung funktioniert, ist ein Lowtech-System, verursacht weder höhere Baukosten noch eine aufwendigere Planung. Einfach perfekt“, so Pfeiler.

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Das zweite Ex-aequo-Siegerprojekt des österreichischen Betonpreises, die Sanierung und Erweiterung des Rathauses Prinzersdorf, ein Betonbau aus den 70er-Jahren, stellt wiederum die Langlebigkeit mineralischer Baustoffe unter Beweis. Neben der barrierefreien Erschließung wurde der Bestand mit reyclingfähigen mineralischen Glasschaumplatten gedämmt, die haustechnischen Anlagen erneuert und mit einer PV-Anlage ergänzt. Die Zubauten wurden passend zum Haupthaus im Stil der 1970er-Jahre in Sichtbeton ausgeführt. Bereits im ersten Betriebsjahr konnte eine Einsparung von 40 Prozent der Heizenergie nachgewiesen werden und der benötigte Strom komplett durch die PV-Anlage produziert werden.

Fit for 55

Die EU-Ambitionen in puncto Klimaschutz „Fit for 55“ zielen darauf ab, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken. Ein Ziel, zu dem sich alle Länder der EU bekannt haben und das nur im Zusammenschluss mit allen Akteuren der Bauwirtschaft erreicht werden kann. Der Fachverband steht im intensiven Austausch mit den Kollegen in Brüssel, denn „dort werden die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft gestellt.“

„Während biobasierte Baustoffe in der Regel nur thermisch verwertet werden können (cradleto- grave), lebt der Ziegel viele Jahrhunderte lang.“

Andreas Pfeiler

Die EU-Industriestrategie forciert die Transformation in Richtung Klimaneutralität. Vor Kurzem wurde eine Diskussionsreihe in Brüssel gestartet, in der innovative Ansätze für Gebäude, das Bauwesen und ganze Stadtquartiere erörtert werden und politische Änderungen analysiert werden, um sicherzustellen, dass das CO₂- Reduktions-Potenzial wie auch die Optionen durch die Kreislaufwirtschaft ausgeschöpft werden können. Der Start der Serie erfolgte mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion unter der Leitung von Christian Egenhofer vom Center for European Politics, CEPS, der Initiative ReConstruct und dem Wifo in Brüssel. CEPS ist ein europäisch ausgerichteter Thinktank, der vor allem Vorschläge und Klimaschutzbemühungen auf EU-Ebene diskutiert und unterstützt.

Katharina Knapton- Vierlich, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Bauen, GD Grow, Europäische Kommission, plädierte in ihrer Keynote für die intensive Zusammenarbeit aller Entscheidungsträger für ein kohlenstoffarmes, digitales und resilientes Bauen. Als besonders entscheidend betont Pfeiler zugleich, dass bei einem Baustoffvergleich alle CO₂-Emissionen berücksichtigt werden – von der Produktion über den gesamten Lebenszyklus, bis hin zum Wiederverwerten. „Während biobasierte Baustoffe in der Regel nur thermisch verwertet werden können (cradle-to-grave), lebt der Ziegel viele Jahrhunderte lang – weil er einfach wiederzuverwenden und 100 Prozent rezyklierbar ist (Cradle-tocradle). Und je länger er im Kreislauf verbleibt, desto kleiner wird sein CO₂- Fußabdruck“, so Pfeiler.

Argument Wertbeständigkeit

Als eines der stärksten Argumente führt Pfeiler die Wertbeständigkeit von mineralischen Baustoffen an. Die Kreislaufwirtschaft ist im „New Green Deal“ der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eines der Kernthemen. „Gerade im Baubereich gibt es aufgrund der Rezyklierbarkeit – ja teilweise sogar Wiederverwendbarkeit – der traditionellen Baustoffe große Stärken. Einerseits zeigen uns Ziegel und Beton seit Jahrtausenden – welche Wertbeständigkeit ein Gebäude aus diesen Materialien besitzt. Andererseits lassen sich diese Materialien fast vollständig wiederverwenden und in den Stoffkreislauf für neue Bauprodukte zurückführen.“

Entgeltliche Einschaltung unseres Medienpartners Fachverband Steine Keramik,
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, T +43 5 90 900 3532 – www.baustoffindustrie.at

Das Klimaschutzpotenzial von Baustoffen kann jedoch nur festgestellt werden, wenn alle Phasen eines Produkts – von der Herstellung bis zur Wiederverwertung – offengelegt werden. „Es liegt daher an uns, der Politik diese Potenziale aufzuzeigen. Den Gebäudebereich bekommen wir nur dann zukunftsfit, wenn wir nicht frühzeitig aufgrund falsch verstandener Lobbyingaktivitäten in eine bestimmte Richtung abbiegen“, so Pfeiler. Dazu zählt ebenso eine kluge Rohstoffpolitik. Der jüngste Verordnungsentwurf stößt auf Unverständnis beim Fachverband. Pfeiler appelliert an die EU-Kommission, dass die mineralischen Baurohstoffe als „wesentliche Rohstoffe“ im „Critical Raw Materials Act“ mitberücksichtigt werden – denn nur dann ist eine unabhängige und nachhaltige Versorgung Europas gesichert.

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