„Das Nichtperfekte ermöglicht vieles“

Das Potpourri des Architekturbüros Franz&Sue reicht von der kleinen Weinbar bis zum Gemeindezentrum, vom Museum oder Schule bis zum nutzungsgemischten Gebäude wie dem Stadtelefanten im Sonnwendviertel und Industriebauten. Architekt Harald Höller motiviert zu nichtperfekten Grundrissen.
PETER REISCHER

Bekannt geworden sind Franz&Sue durch Großprojekte wie das Justizgebäude Salzburg oder die Wiener U-Bahnlinie U5, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden und auch Preise und Auszeichnungen erhalten haben.

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Wie überträgt man solch ein Image, so eine „Philosophie“ auf Wohnbauprojekte?

„Der Wohnbau unterscheidet sich sehr stark von anderen Projekten. In dem Moment, wo es einen Wettbewerb gibt, kann man diese „Philosophie“, diese Herangehensweise auch im Wohnbau anwenden. In dem Augenblick, wo man etwas machen will, das nicht der Norm, dem Erwartbaren entspricht – geht das eben hier sehr gut.

Bei unserem momentanen Projekt am Nordbahnhof (war ein Wettbewerb) wird jetzt schon in der Planung sichtbar, dass das etwas bringt.“

Harald Höller

Für wen bringt das etwas?

„Ein gutes Projekt ist eines dann, wenn es der Stadt etwas Gutes tut. Es sind ja weder die Interessen der Architekten noch die der Bauträger zu vertreten, sondern die der Stadt(bewohner). Da geht‘s um mehr als eine schöne Fassade. Das Projekt muss stadträumlich richtig stehen, man muss auf jeden Fall über die Erdgeschosszone als auch den Nutzungsmix nachdenken.“

Harald Höller

Ein Zitat von Alvar Aalto lautet: „Es gibt nur zwei Dinge in der Architektur: Menschlichkeit oder keine.“ Wo ist die Menschlichkeit im Wohnbau?

„Die Menschlichkeit wird wahrscheinlich höher sein, wenn man in der Arbeit die Interessen des Bauträgers und des Architekten trennt und das ist ja beim Wettbewerb der Fall. Hier kann man gewisse Parameter freier denken.“

Harald Höller
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Wie wird die Architektur, der Wohnbau in Österreich nach Corona aussehen?

„In dieser Krise haben die meisten gesehen, dass man mit sehr wenig auskommen kann, wenn das Wenige passt. Meine Hoffnung ist, dass man die Raumprogramme, Quadratmeterzahlen nicht mehr so ganz penibel auslegt.

Ich wünsche mir, dass ein bisschen etwas ,Unperfektes´ auch in den Wohnungen sein darf. Man hat das beim Home-Office gesehen. Eine (nicht logische) Nische in einem Vorraum kann da schon sehr hilfreich sein. Wohnen soll freier gedacht werden können. Das Nichtperfekte ermöglicht vieles.“

Harald Höller

Die Gesellschaft strebt momentan zu einem „Nachher wie vorher“? Halten Sie es für richtig, alles den Maximen „Wirtschaft, Produktion und Wachstum“ unterzuordnen?

„Wir sehen das immer sehr kurzfristig. Stadt und Wohnbau müssen in Jahrhunderten gedacht werden, nicht auf kurzfristige, schnelle Rendite oder Erhaltungskosten gerichtet.

Wirtschaftlichkeit wird hier sehr vordergründig gesehen. Ein Baum kostet zwar in der Erhaltung, bringt aber langfristig einen größeren Mehrwert, der gar nicht in Zahlen zu fassen ist.“

Harald Höller

Können wir im Wohnbau noch etwas dazulernen?

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