Bauen in Zukunft – Wir müssen weg von der Verschwendung und hin zu zirkulärer Verwendung! Warum am Cradle-to-Cradle-Ansatz kein Weg vorbeiführt, erklärt Dipl.-Ing. Torsten Schoch

Herr Schoch, ist unser lineares Wirtschaftssystem ein Auslaufmodell?

Bereits heute ist der Gebäudesektor für 50 Prozent des Abfallaufkommens, 40 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Laut Prognosen der Vereinten Nationen wird die Zahl der Menschen, die in Städten leben, bis 2050 von aktuell 55 auf 75 Prozent ansteigen. Die gebaute Umwelt wird sich in Zukunft also noch deutlich vergrößern und damit auch der Energieverbrauch, CO2-Ausstoß sowie die Abfallmengen.

Wenn wir die Klimaziele vor diesem Hintergrund trotzdem erreichen wollen, müssen wir den Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren. Dies ist nur durch den Umstieg in eine Kreislaufwirtschaft möglich, die auf geschlossenen Stoffkreisläufen, Abfallvermeidung und Regeneration basiert. Zudem hat sich die Entsorgung von Bauschutt in den letzten Jahren zu einem Kostenfaktor entwickelt, der die stetig steigenden Baupreise noch weiter in die Höhe treibt.

Da Deponien und Recyclingfirmen komplett ausgelastet sind, haben sich die Entsorgungskosten für Bauschutt in den letzten Jahren deutlich verteuert. Je nachdem, was entsorgt werden muss, liegen die Kostensteigerungen zwischen 20 und 70 Prozent. Der Umstieg in eine Kreislaufwirtschaft ist also nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll.

Torsten Schoch

Fast 80 Prozent der mineralischen Baustoffe werden bereits recycelt. Wenn man bedenkt, dass es bei Holzbaustoffen nur 25 Prozent sind, ist das doch eine hervorragende Quote?

Auf den ersten Blick schon. Aber wenn wir ehrlich sind, ist vieles, was unter dem Label Recycling läuft, eigentlich ein Downcycling. Der Großteil mineralischer Recyclingbaustoffe wird als Füllund Befestigungsmaterial im Straßen-, Wege- oder Landschaftsbau eingesetzt. Angesichts der wertvollen Ressourcen und der grauen Energie, die in mineralischen Baustoffen stecken, wäre es wesentlich nachhaltiger, Kalksandstein, Leichtbeton, Porenbeton und Ziegel am Ende des Lebenszyklus wieder für den Bau neuer Gebäude einzusetzen.

Ziel der Mauerwerksindustrie ist es, den Verbrauch mineralischer Primärrohstoffe, der aktuell bei 550 Millionen Tonnen pro Jahr liegt, durch den verstärkten Einsatz qualitativ gleichwertiger Sekundärrohstoffe kontinuierlich zu reduzieren. Würde man die jährlich anfallenden 200 Millionen Tonnen mineralischer Abfälle zu 50 Prozent wieder in den Produktionsprozess einspeisen, wären wir einen großen Schritt weiter.

Torsten Schoch
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Bis zu welchem Anteil können Primärrohstoffe durch Sekundärrohstoffe aus Baustellen- oder Produktionsabfällen ersetzt werden?

Dass der in den Werken anfallende Bruch und Verschnitt zerkleinert und als Zuschlagstoff wieder in den Produktionsprozess eingespeist wird, ist in der gesamten Mauerwerksbranche gelebte Recyclingpraxis. Je nach Steingattung liegt der Anteil an Sekundärrohstoffen zwischen 10 und 20 Prozent.

Unsere Technologie- und Forschungsgesellschaft beschäftigt sich seit 2011 mit der Frage, wie sich der Anteil von Sekundärrohstoffen in der Produktion erhöhen lässt. Gemeinsam mit dem Hamburger Entsorgungsunternehmen Otto Dörner haben wir innovative Recyclingverfahren entwickelt, die es ermöglichen, Abbruch- Porenbeton so aufzubereiten, dass ein qualitativ hochwertiger Sekundärrohstoff entsteht.

Nach intensiven Verhandlungen mit der Umweltbehörde in Hamburg ist es uns gelungen, den Abfallstatus zu überwinden und den Produktstatus für diesen Sekundär-Porenbeton zu erhalten. Das gilt allerdings bisher nur für unser Werk in Wedel. Für eine deutschlandweite Zulassung müssten wir mit jedem Bundesland einzeln verhandeln. Eine bundeseinheitliche Lösung würde hier vieles vereinfachen.

Torsten Schoch

Eine weitere Hürde, die dem verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen entgegensteht, ist die sortenreine Trennung. Wie lässt sich das Problem lösen?

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