Wir tüfteln permanent

Warum es sich lohnt, in Forschung, Innovation und Kunstprojekte zu investieren, erfahren wir von Christian Schäfer, Vorstand der Laufen Austria AG.
— FRANZISKA LEEB

Ursprünglich liebäugelte Christian Schäfer damit, in die Diplomatie zu gehen. Nachdem er im Masterstudium aber von Politik auf Wirtschaft schwenkte, wurde es doch eine Karriere in der Industrie. Die begann zunächst im Flugzeugbau und führte bald zu Laufen. Er begann als Produktmanager im Schweizer Stammsitz des Sanitärkeramikproduzenten, führte die Geschäfte bei der Laufen-Tochter in Norwegen und ist seit 2017 in Österreich für die Firma tätig. 2020 übernahm er die Geschäftsführung der Laufen Austria AG.

- Anzeige -

Das Interview findet an einem heißen Sommernachmittag im Laufen space, dem von Snøhetta gestalteten Wiener Schauraum am Salzgries, der sich innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Diskursort für die Architektur- und Designszene entwickelt hat, statt. Herr Schäfer ist tiefenentspannt, nicht nur, weil es im Raum kühl und ruhig ist, sondern auch, weil der von ihm verantwortete Bereich gut dasteht.

Herr Schäfer, welche Rolle spielt Laufen Austria innerhalb des Konzerns?

Die österreichischen Werke wurden zwar erst ab 1967 von den Schweizern übernommen, haben aber eine lange Tradition. Jenes in Wilhelmsburg bestand bereits vor der 1892 gegründeten Fabrik in Laufen. Das Werk Gmunden feiert heuer sein 100-jähriges Jubiläum. Wir haben Mitarbeiter, die schon in vierter Generation in unserer Produktion arbeiten. So wurde auch das Wissen rund um die herausfordernde Herstellung von Keramik stets weitergegeben und weiterentwickelt.

Heute ist unser Produktionsstandort in Gmunden das Innovationszentrum der Laufen Gruppe. Wir erzeugen dort Keramik, die kein anderer produzieren kann. Waschtische aus der sehr feinen Saphirkeramik kommen fast ausschließlich aus Gmunden. Laufen ohne Gmunden wäre nicht das Laufen, das wir heute kennen. Generell wissen in Österreich fast alle, was Laufen macht. Die Herren ein bisschen besser als die Damen. Das liegt an den Urinalen, wo das Laufen-Logo immer präsent ist, wenn Mann davorsteht.

Ohne Tradition gäbe es nicht den Innovationsgeist?

Ich glaube, wenn die Tradition nicht bestünde, kombiniert mit diesem speziellen Schlag der Oberösterreicher, die mir wahnsinnig ans Herz gewachsen sind und die sehr zielstrebig und engagiert sind und diese hohe Fertigkeit haben, gäbe es – denn es macht kaum Sinn in Österreich zu produzieren – weder das Werk noch das Innovationszentrum und auch nicht die Saphirkeramik. Denn Saphirkeramik gilt nach wie vor als unproduzierbar. Es gäbe auch nicht den ersten und einzigen Elektrotunnelofen der CO₂-frei Sanitärkeramik brennt.

Der Brennofen ist offensichtlich das Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie?

Er ist der größte Meilenstein. Die Bau- und Bauzulieferindustrie sind der größte CO₂-Verursacher. Wir haben erkannt, dass wir den CO₂-Ausstoß reduzieren und Produkte liefern müssen, die nachhaltig im Sinne der Circular Economy sind. Wir haben jährliche Umweltziele, die Werke sind mit Kläranlagen ausgestattet, wir haben eine Zero- Waste-Strategie und versuchen, keinen, wirklich keinen, Abfall oder Ausschuss zu produzieren. Der neue Ofen war die logische Konsequenz.

Die CO₂- Abgaben der Europäischen Union waren für uns die Initialzündung, darüber nachzudenken, ob wir nicht CO₂-frei produzieren können. Daher hat unser mittlerweile pensionierter Werks- und Innovationsleiter Alfred Mittermair vor fünf Jahren begonnen, Konzepte zu erstellen. Er hat über die letzten 50 Jahre maßgeblichen Anteil an unserem Erfolg.

Welche Rolle spielt der Wohnbau für Ihr Unternehmen? Den großvolumigen und geförderten meine ich, nicht das Luxussegment.

Wir haben in Österreich insgesamt einen Marktanteil von 70 Prozent. Daran hat der Wohnbau einen sehr hohen Anteil. Bis vor 30 Jahren war Laufen noch keine super Designbrand, der Wohnbau war unser Brot- und Buttergeschäft. Bis vor Kurzem haben wir dieses Segment auch in Österreich produziert, sind dabei die letzten Jahre aber stark unter Druck gekommen. Die Arbeitsstunde in Österreich kostet nun einmal mehr als in Tschechien oder Polen, wo wir die Kapazität stark ausgebaut haben. Von unserem Logistik-Hub in Znaim erreicht man manche Wiener Bezirke schneller als von Wilhelmsburg.

Die Urin-Trenntoilette save! ist zwar keine Standardware, kommt aber bald in einem geförderten Wiener Wohnbau, dem Stadtregal im „Village im Dritten“ versuchsweise zum Einsatz.

Es handelt sich um ein ausgereiftes Produkt, das seinen Ausgangspunkt in einem Projekt des Designstudios EOOS und des Wasserforschungsinstituts Eawag der ETH Zürich für die Bill & Melinda Gates Stiftung hat. Es sieht wie ein normales WC aus, mittels der integrierten Urinfalle wird der Urin zu einem eigenen Ausgang geleitet und von Feststoffen, Klopapier und Spülwasser separiert. Es braucht also eine zweite Abwasserleitung. Wir haben damit ein Produkt, mit dem man endlich sehr wirkungsvoll Urin am Entstehungsort trennen kann und einen Beitrag zu einem nachhaltigen Abwassermanagement leisten kann. Aber wir sehen, dass es noch viele Schritte – sowohl Forschung als auch politischen Willen – benötigt.

Das eine ist die Toilette, das andere die Verrohrung und das dritte, was man mit dem separierten Urin macht. Beim Stadtregal gibt es eine Innovationsförderung, die es der ARWAG als Bauträger mit den Architekten Heri & Salli und Gerner Gerner plus erlaubt, einen Piloten zu starten.

Welche Innovationen verfolgen Sie noch?

Wir tüfteln permanent. Zum Beispiel daran, die Saphirkeramik günstiger herzustellen – damit wäre sie dann vielleicht auch für den sozialen Wohnbau zugänglich, was sehr zu begrüßen wäre. Denn oft müssen in diesem Segment die Kompromisse dort gemacht werden, wo es sich auf das Wohlfühlklima auswirkt.

Manches erscheint vordergründig nicht ganz so innovativ. Zum Beispiel das Thema Farben. Der Farbforscher Roberto Sironi aus Mailand hat mit uns im Rahmen des Forschungsprojekts „Colour Archeology“ eine Farbkollektion entwickelt. Dabei wurden Farben untersucht, die in unterschiedlichen Kulturkreisen eine lange Tradition haben und die Frage gestellt, warum sie auch nach Hunderten Jahren auf uns moderne Menschen noch attraktiv wirken. Egal, wie man die zwölf Farben kombiniert, ist es schön anzusehen.

Wir arbeiten nicht so strategisch wie zum Beispiel die Pharmaindustrie. Wir haben da eher eine Garagenmentalität.

Schauraum und Treffpunkt der Design- und Architekturszene: der Laufen space in Wien

Eine sehr große Garage.

Ja, aber das ist interessant. Oft arbeiten wir mit Künstler:innen zusammen. Der Mehrwert ist nicht immer gleich erkennbar.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Für das Architekturbüro Love haben wir vor ein paar Jahren ein Raumobjekt für die Biennale in Venedig hergestellt, dass aus 186 ganz dünnen Rohren aus Saphirkeramik besteht. Weil in Venedig alles per Boot angeliefert werden muss, haben wir lange an Verbindungsstücken gearbeitet, damit man das Ganze modular auf- und abbauen kann. Anfangs dachten wir, es ist nur ein Aufwand. Aber wir haben sehr viel Wissen daraus gezogen. Wir haben nun zum Beispiel ein WC, das sich vom Installateur mit einem Griff von der Wand lösen lässt.

Rentiert sich auch der Laufen space, in dem wir uns gerade befinden?

Ja, der Raum zahlt sich sehr aus. Zum einen als Brand Statement im ersten Bezirk, wir nutzen ihn sehr intensiv für die Architektur- und Design-Community und machen hier auch viele interne Veranstaltungen.

Wien hat zwei Millionen Einwohner, ein Großteil der Baubranche ist hier, wir haben sehr kurze Wege. Faszinierend ist für mich, wie gut die Architekturschaffenden einander kennen. Das ist in der Schweiz ganz anders, da geht man sich eher aus dem Weg. Hunderte Architekt:innen an einem Spot – das würde dort nicht funktionieren. In Deutschland ist es schon aufgrund der Distanzen nicht möglich. Das sind alles Faktoren, die uns hier in Österreich entgegenkommen und wir können wirklich von dieser Community lernen und auch gemeinsam etwas bewegen. Wir haben ideale Voraussetzungen und wir nutzen sie.

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Lesen Sie Artikel zum selben Thema