Studierende machen aus einem Parkhaus ein Wohnheim

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Baubranche längst angekommen. Während bisher vor allem auf die Energieeffizienz der Gebäude geachtet wurde, setzt Professor Andreas Kopp von der Hochschule Bielefeld auf ein ebenso wichtiges Potenzial zum Einsparen von Energie und Ressourcen: die Gebäudesubstanz selbst. Statt Abriss und Neubau können bestehende Gebäude umgenutzt werden. Das zeigen zwei Studierenden-Projekte, die sich mit der Umfunktionierung eines Parkhauses zu Studierenden-Wohnraum beschäftigt haben.

Mit einem metallischen Schnappen fällt die schwere Tür ins Schloss. An den Wänden Graffitis, oben in der Ecke ein paar Spinnweben, in der Luft ein Hauch von abgestandenem Rauch: Ein typischer Treppenaufgang in einem Parkhaus. Anne-Marie Fink öffnet die Tür zum obersten Parkdeck: „Und hier setzen wir noch ein Stockwerk obendrauf für unsere Einzelappartements.“ Wohnen im Parkhaus? Die Architektur-Studentin schüttelt lächelnd den Kopf: „Studierendenwohnen in einem ehemaligen Parkhaus.“

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Die Umbaupläne sind fiktiv, das Parkhaus aber ist real und steht am Mindener Grimpenwall. „Mein Weg vom Bahnhof zum Campus führt mich direkt daran vorbei – hier zwischen Innenstadt und Glacis stehen noch weitere fast leere Parkhäuser“, erzählt Prof. Dipl.-Ing. Andreas Kopp, am Campus Minden der Hochschule Bielefeld (HSBI) zuständig für das Lehrgebiet Entwerfen, Gestalten und Konstruieren.

Kopp hat ein Auge für ältere, vielleicht nicht mehr gebrauchte Gebäude, genauer für deren Umnutzung. Und damit für ein zentrales Zukunftsfeld der Architektur: „Es wird immer wichtiger, bestehende Gebäude umzunutzen. Statt Neubauten sind Umbauten gefragt“, sagt der Professor.

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Bausektor für ca. 40 Prozent der Treibhausgase verantwortlich

Für Andreas Kopp ist diese „Bauwende“ durchaus notwendig, allein aus Gründen der Nachhaltigkeit: „Der Bausektor ist für über 50 Prozent des Müllaufkommens und 40 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Bisher wurde das Einsparpotenzial vor allem in der Gebäudeeffizienz gesehen, aber mittlerweile rückt die Gebäudesubstanz selbst in den Fokus.“

Statt Ressourcen durch Abriss und Neubau zu verbrauchen, gilt es also, das Bestehende umzufunktionieren und dem veränderten Bedarf anzupassen. Warum nicht aus einem Parkhaus Wohnungen für Studierende machen? Andreas Kopp hatte sein Thema für die Projektarbeiten des 3. Semesters des Bachelorstudiengangs Architektur gefunden.

Und damit hat er bei den Studierenden einen Nerv getroffen. „Überall gibt es Leerstände, das ist ein aktuelles und sehr praxisnahes Thema“, findet Alina Marie Castrup. Sie interessiert sich besonders für das Renovieren und Sanieren alter Gebäude: „Ressourcenschonend zu bauen und alten Gebäuden neues Potenzial zu geben, ist eine spannende Aufgabe.“ Und ihre Kommilitonin Lea Kloss ergänzt: „Und Wohnen ist ein wichtiges Thema. Vor allem andere Wohnformen werden noch eine große Rolle spielen.“

Die beiden machten sich zusammen an die Arbeit. Es galt, neben Appartements für ein oder zwei Personen auch sogenannte Cluster-Wohnungen zu integrieren. „Das sind Wohnungen, die von vornherein für die Nutzung durch eine Wohngemeinschaft geplant werden – mehrere Mikrowohnungen mit kleiner Küchenzeile und Minimalbad teilen sich dort großzügige Gemeinschaftsflächen“, erklärt Andreas Kopp.

„Neben den Wohnungen gibt es auch einen öffentlichen Bereich, zum Beispiel ein Veranstaltungsraum oder Café, und Arbeitsräume wie ein Zeichensaal – sozusagen als Erweiterung des Campus‘ Minden“, erläutert Kopp weiter.

Öffentlicher Bereich, Wohngemeinschaften, Appartements

Ein großzügiges Atrium öffnet das Gebäude nach innen, schafft Licht und Raum und erschließt die Ebenen über eine spiralartige Rampenanlage. Foto: Patrick Pollmeier / HSBI

Die Herausforderung: „Parkhäuser sind nicht zum Wohnen gedacht“, sagt Charlotte Gehlen und führt am Grimpenwall auf das zweite Parkdeck. Es ist dunkel, und bis zur Decke ist es nicht weit. „Die Geschosshöhe ist sehr niedrig, und durch die Tiefe des Gebäudes kommt nicht viel Licht hinein“, erklärt die Studentin. Mit Anne-Marie Fink zusammen hat sie trotzdem die Herausforderung angenommen. Die Idee der beiden: ein großer Einschnitt in die Decken, sodass ein lichter Innenhof entsteht, und die Heruntersetzung des unteren Geschosses.

 „Dadurch entstehen höhere Räume, in die wir unseren öffentlichen Bereich geplant haben“, erklärt Fink. Aus eigener Erfahrung wussten sie genau, was Mindener Studierende benötigen. Die beiden schauen sich kurz an und grinsen. „Einen Copyshop“, sagt Charlotte Gehlen.

Den Veranstaltungsraum mit Bar und den Zeichensaal haben sie aber nicht vergessen. In ihrem Konzept greifen sie die Lage des Gebäudes sozusagen in der Vertikalen auf, erläutert Anne-Marie Fink: „Es liegt zwischen Innenstadt und Wohngebieten, also im Übergang zwischen öffentlichen und privaten Bereichen.“ Übersetzt in das Gebäude bedeutet das, es wird nach oben hin immer privater: Auf den öffentlichen Bereich folgen die Cluster-Wohnungen, dann die 2-Personen-Appartements und schließlich, ganz oben die Ein-Zimmer-Wohnungen.

Alina Marie Castrup und Lea Kloss haben einen etwas anderen Weg gewählt: Den öffentlichen Bereich mit Café und Fitnessstudio haben sie zwar ebenfalls die untere Etage zugewiesen, die Arbeitsräume jedoch nach ganz oben verlegt. „Am Arbeitsplatz verbringt man doch sehr viel Zeit, deswegen darf das ruhig ein schöner Platz sein“, findet Castrup und schaut auf dem obersten Parkdeck direkt in die Baumwipfel. „Unten Spaßgemeinschaft, oben Arbeitsgemeinschaft.“ Und dazwischen Wohngemeinschaft.

Alina Marie Castrup erläutert anhand der Pläne die Ideen hinter dem Entwurf. Foto: Patrick Pollmeier / HSBI

Der niedrigen Geschosshöhe schlugen die beiden mit zweigeschossigen Wohnungen ein Schnippchen. Lea Kloss demonstriert mit den Händen, wie sie angeordnet sind: „Die L-förmigen vertikalen Elemente erinnern ein wenig an Tetris.“ Der Clou: Oberlichter sorgen für genügend Helligkeit in den Wohnungen, und ein zentrales Atrium öffnet das Gebäude nach innen.

Was könnte aus den Rampen für die Autos werden?

Beide Teams sind sich einig: Die größte Schwierigkeit war das sogenannte Split-Level. „Das bedeutet, dass die Ebenen des Gebäudes versetzt zueinander angeordnet sind. Über Rampen gelangen die Autos auf die jeweils nächste Ebene“, schiebt Andreas Kopp als Erklärung ein. Fink und Gehlen haben kurzerhand das alte Parkhaus in zwei Gebäude geteilt, die über rampenartige Laubengänge verbunden sind. Terrassenförmig angelegt, wird der Komplex nach oben immer weiter. Castrup und Kloss bleiben bei einem Gebäude, erschließen ihre Ebenen aber ebenfalls über eine Rampenanlage: Sie zieht sich außerhalb des Gebäudes wie eine Spirale das Atrium hinauf.

Die ausgearbeiteten Projekte haben Andreas Kopps Erwartungen übertroffen: „Hervorragend durchgearbeitet, vom Grundkonzept bis zu den Details“, lobt der Professor. An ein Parkhaus erinnert wirklich nicht mehr viel in den Entwürfen der Studierenden.

Quelle: Hochschule Bielefeld (HSBI ), Fotos: Patrick Pollmeier / HSBI

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