Städtische Belegungsrechte – Keine unbefristete, aber langfristige Sozialbindung im dritten Förderweg – BGH-Urteil vom 8. 2. 2019 – V ZR 176/17

Der Bundesgerichtshof hat am 8. Februar 2019 entschieden, dass bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus im sog. dritten Förderweg individuell vereinbarte, zeitlich unbefristete städtische Belegungsrechte unwirksam sind, und zwar auch dann, wenn die Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat. Die Unwirksamkeit der Vereinbarung hat aber nicht zur Folge, dass die Belegungsrechte nicht bestehen. Vielmehr hätten die Parteien, wenn ihnen die Unwirksamkeit bekannt gewesen wäre, Belegungsrechte für einen möglichst langen rechtlich zulässigen Zeitraum vereinbart. Ist – wie hier – ein langfristiger, vergünstigter Kredit gewährt worden, bestehen die Belegungsrechte deshalb im Zweifel während der Laufzeit des Kredits fort.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Wohnungsgenossenschaft. Mit notariellem Vertrag vom 30. Januar 1995 kaufte ihre Rechtsvorgängerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, von der beklagten Stadt Grundstücke, die im Rahmen des dritten Förderwegs (§ 88d des Zweiten Wohnungsbaugesetzes) mit 52 Sozialwohnungen bebaut werden sollten. Zu deren Teilfinanzierung gewährte die Stadt der Wohnungsbaugesellschaft ein zinsgünstiges Darlehen. Die Wohnungsbaugesellschaft verpflichtete sich im Gegenzug, der Stadt unbefristete Belegungsrechte an den Wohnungen einzuräumen sowie diese verbilligt und nur an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen zu vermieten. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wurde im Grundbuch zu Gunsten der Stadt eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 27. Oktober 1995 kaufte die Klägerin die Grundstücke unter Übernahme der auf die Belegungsrechte bezogenen Verpflichtung.

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H5>Bisheriger Prozessverlauf:

Mit ihrer Klage will die Klägerin feststellen lassen, dass sie die Wohnungen nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugsfertigkeit frei und ohne Beachtung von Belegungsrechten vermieten kann, und dass die Stadt die Löschung der Dienstbarkeit bewilligen muss. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die von der Klägerin übernommene, zeitlich unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung zu der Vermietung der Wohnungen an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen ist gemäß § 134 BGB unwirksam. Das Rechtsgeschäft ist im dritten Förderweg auf der Grundlage von § 88d II. WoBauG zustande gekommen. Diese Art der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ermöglichte eine Vereinbarung des staatlichen Darlehensgebers mit dem privaten Bauherrn. Dass zeitlich unbefristete Belegungsrechte hierbei nicht vorgesehen waren, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Denn gemäß § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG soll die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland, „ein längerer Zeitraum“ geboten ist. Ein „Zeitraum“ besteht in einem durch Anfang und Ende gekennzeichneten Zeitabschnitt. Dieses Verständnis der Norm entspricht auch der Gesetzesbegründung und der Systematik des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Mit dem 1989 eingeführten dritten Förderweg sollte nämlich eine gegenüber dem ersten und zweiten Förderweg flexiblere Förderung des sozialen Wohnungsbaus ermöglicht werden. Durch einen von vornherein zeitlich begrenzten Eingriff in den allgemeinen Wohnungsmarkt sollten kürzere Bindungen ermöglicht werden, um die Investitionsbereitschaft privater Bauherren zu erhöhen.

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Allein der Umstand, dass die Stadt der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihr auch die erforderlichen Grundstücke verkauft hat, rechtfertigt keine unbefristete Bindung. Zwar sind Grund und Boden – zumal in städtischen Lagen – ein knappes Gut, das bei einem Verkauf durch eine Stadt an einen Privaten dauerhaft bei diesem verbleibt. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung gehört es aber zum Konzept des dritten Förderwegs, dass die öffentliche Hand privaten Investoren nach Möglichkeit werthaltiges, kostengünstiges Bauland zur Verfügung stellt. Gemäß § 88d Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG rechtfertigt eine solche Bereitstellung von Bauland eine Bindung für einen „längeren Zeitraum“ von mehr als 15 Jahren; eine unbefristete Bindung hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen…

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