Reiche Ernte in Aussicht

Die Rote Emma ist keine kommunistische Greißlerin, sondern der Name einer rotschaligen, rotfleischigen, vorwiegend festkochenden Kartoffelsorte, die wiederum Namensgeberin einer Wohnhausanlage in der Wiener Attemsgasse ist. Die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften BWS und Migra begeben sich damit auf neues Terrain, nicht nur, weil auf den Dächern vielleicht auch Erdäpfel wachsen werden.
— FRANZISKA LEEB

Wo vor nicht allzu langer Zeit noch die Glashäuser von Gärtnereien die Szenerie bestimmten, haben in den letzten beiden Jahrzehnten neue Wohnquartiere weitgehend die landwirtschaftliche Produktion verdrängt. Weitgehend, aber nicht ganz. Denn das Wohnquartier „Rote Emma“ trägt seinen Namen nicht zufällig. Die Dächer werden zum Gemüseanbau verwendet werden und so die verbaute Fläche am Boden ausgleichen. Ein Gag? Mitnichten. Das gärtnerische Projekt ist nur ein Mosaikstein eines lebendigen Quartiers in einem Stadtgebiet, das unter dem Titel „DIE Stadt“ den Planungsgrundsätzen einer gendergerechten Stadtentwicklung folgt.

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Ziel des Modellprojekts ist es, gleichwertige Lebensbedingungen für Frauen und Männer zu schaffen. Das Bauträger- Architekten-Quartett bestehend aus Migra und BWS sowie AllesWird- Gut und Gerner Gerner Plus hatte mit seinem Holz-Hybrid-Wohnbau plus Urban-Farming-Dachlandschaft den 2020 ausgelobten Bauträgerwettbewerb für das Areal gewonnen. In Sachen sozialer Nachhaltigkeit hat Sonja Gruber beraten, die Freiraumplanung stammt von Carla Lo.

„Die Wohnung muss weniger kosten, aber mehr können“, erklärt Migra- Geschäftsführer Alfred Petritz den gewählten Entwurfsansatz. Erreicht habe man dieses Ziel durch ein Verhältnis von Nutzfläche zu Bruttogrundfläche von „unglaublichen“ 0,75 – üblicherweise werde im Wohnbau ein Wert zwischen 0,7 und 0,72 angestrebt. Die Trakttiefe der Baukörper wurde reduziert, womit die Wohnungen breiter wurden und eine größere Fassade erhielten.

Dadurch war es möglich, ein flexibel nutzbares Bonuszimmer mit etwas sieben Quadratmetern Fläche einzufügen, das in unterschiedlichen Lebenslagen – als Nische für das Homeoffice, Raum für Übernachtungsgäste, Erweiterung des Wohnzimmers und vieles mehr – nützliche Dienste zu leisten vermag. Ein weiteres wesentliches Element ist ein großzügiger Raum im Freien, der als Balkon ausgebildet nicht als mietzinstragende Fläche gezählt wird, aber den Lebensraum der eigenen vier Wände um 13 Quadratmeter vergrößert.

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Reichhaltige Mischung

Funktionen, die dem ganzen Stadtteil zugutekommen, übernimmt die durchgängig mit einer Geschoßhöhe von vier Metern ausgeführte Sockelzone. Neben gemeinschaftlich nutzbaren Räumen für die Bewohnerinnen und Bewohner werden hier vielfältige kulturelle, soziale und kommerzielle Angebote Raum finden. Der Bogen reicht vom Kulturzentrum Brunnenpassage über den Verein LOK – Leben ohne Krankenhaus, den integrativen Betrieb Wien Work, das Generationencafé Vollpension über Mobilitätsunternehmen wie Goodville und MO.Point bis hin zum Kindergarten der Stadt Wien und einem Stützpunkt der Volkshochschule Donaustadt.

In jeder Etage wird es einen kollektiv nutzbaren Multifunktionsraum sowie einen anmietbaren Co-Working-Space geben. In den allgemein zugänglichen Dachgärten wird unter Pergolen mit Photovoltaikanlagen Gemüse gezogen, das mit Grauwasser gegossen und später im Erdgeschoß verkauft wird. Die Bewirtschaftung übernimmt der Verein LOK. Im Bauteil an der Donaufelder Straße wird ein weiteres Frauenwohnprojekt rosa entstehen und ein Verbrauchermarkt ins Erdgeschoß einziehen. Um Angebote bei den künftigen Bewohnern und im ganzen Grätzl entsprechend zu verankern, wird Sonja Gruber das Projekt bis anderthalb Jahre nach Bezug sozial begleiten.

Fair geteilt

Die Flächen werden zwischen BWS und Migra gerecht aufgeteilt, und somit auch ein Stück weit das Risiko der Gewerbeflächen minimiert. In der Entwicklungsphase die passenden Nutzer für die kulturell, sozial und gewerblich genutzten Flächen zu finden, sei nicht besonders schwierig gewesen, berichtet Alfred Petritz, weil Standort und Projektidee überzeugend waren…

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