Pioniere im Systemwohnbau

Modellhafte Wohnbauten in Niederösterreich standen am Programm des Architektur- netzwerkes Orte. Reinhard Seiss gestaltete eine Exkursion rund um Wien. Vor fast 50 Jahren entstanden dort erste Projekte im Systembau.
ROBERT KOCH

Massive vorgefertigte Stützen und Balken aus Leca-Beton prägen die Häuser in Hollabrunn. Die im Herbst 1974 zügig aufgebaute Primärstruktur, ergänzen aus Ortbeton gegossene Decken sowie frei tragende Fertigteil-Stiegen, daneben Installationsschächte. Innerhalb weniger Wochen standen die Wohnungstrennwände aus zweischaligen Gipsdielen, im Sommer 1975 folgte der Wohnungsausbau: Zwischenwände aus mit Gipskarton beplankten Metallständerwerken, Fassaden aus vorgefertigten Riegelwand-Elementen – alles jederzeit demontier– und veränderbar.

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70 Wohnungen in drei Terrassen- Häusern errichtete die „Alpenland“, die Bilder von damals und heute zeigen kaum Unterschiede. Fassaden einzelner Wohnungen wurden nach dem Wechsel von Eigentümern frisch gestrichen, die Flexibilität im Inneren wenig genutzt, außen kam viel Grün hinzu. Reparaturen am Flachdach wären 43 Jahre nach Bezug notwendig, berichtet ein Bewohner, aber Beschlüsse sind schwierig. Ansonsten herrscht Zufriedenheit im ein- stigen Demonstrativbau.

Modulares Bauen nach der in Holland entwickelten S.A.R.-Planungsmethode wollten die Architekten Ottokar Uhl und Jos Weber in Österreich einführen, siegten 1971 in einem Wettbewerb der Serie „wohnen morgen“. 300 Wohnungen sollten an der Bachpromenade in zentraler Lage entstehen, es blieb bei der ersten Bauetappe. Die „revolutionäre Konzeption“ – so Architekt Franz Kuzmich, damals Mitarbeiter von Uhl – fand in Hollabrunn geringe Resonanz, der Wohnungsverkauf verlief schleppend, das Angebot zur Mitbestimmung blieb weitgehend ungenutzt. Eine zweite Bauetappe mit deutlich reduzierter Primärstruktur gelangte nicht mehr zur Ausführung. Aber die „Offenheit als Planungsprinzip“ erlebt neues Interesse.

Vorgefertigte Raumzellen

Eine ähnliche Reminiszenz am Tulbingerkogel in Mauerbach bei Wien. Dort hat Fritz Matzinger in den Jahren 1979/80 sein viertes Wohndorf „Les Paletuviers“ aufgesetzt. Wie schon im fünf Jahre zuvor entstandenen Erstlingswerk in Leonding bei Linz – wo Matzinger bis heute wohnt – wenig später auch in Graz-Raaba, realisierte der Architekt seinen Traum vom „Wurzelbaum der Kommunikation“ mit vorgefertigten RaumPioniere im Systemwohnbau Modellhafte Wohnbauten in Niederösterreich standen am Programm des Architektur- netzwerkes Orte…

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