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BBSR legt aktuelle Analyse vor – Kommunale Wärmeplanung kommt voran

BBSR legt Analyse vor - Kommunale Wärmeplanung kommt voran
BBSR legt aktuelle Analyse vor. Titelfoto: imageBROKER/A. Scholz via Getty Images

Immer mehr Gemeinden in Deutschland arbeiten an einem Wärmeplan. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Demnach haben bis Anfang Mai 2025 bereits 5.085 Gemeinden – rund 47 Prozent aller Gemeinden bundesweit – mit der Erstellung begonnen. Weitere 488 Gemeinden (4,5 Prozent) haben ihren Wärmeplan bereits abgeschlossen.

Rund 66 Prozent der Bevölkerung (55,8 Millionen Menschen) leben in Gemeinden mit begonnener Wärmeplanung, weitere 16 Prozent (13 Millionen Menschen) in Gemeinden mit bereits fertigen Plänen. Lediglich 18 Prozent der Bevölkerung (15,6 Millionen Menschen) wohnen in Gemeinden ohne dokumentierten Planungsstart.

Besonders weit ist der Fortschritt in Baden-Württemberg: Hier liegt in knapp einem Viertel der Gemeinden bereits ein fertiger Wärmeplan vor. In Schleswig-Holstein sind es zwar nur 3,2 Prozent, diese decken jedoch fast 45 Prozent der Landesbevölkerung ab. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo viele große Kommunen mit Frist bis 2026 verpflichtet sind, sind mehr als 80 Prozent der Gemeinden bereits aktiv.

Bevölkerungsdaten: Die Auswertungen basieren auf dem Gemeindeverzeichnis der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder mit Stand 31.12.2023. Die Ergebnisse des Zensus 2022 (veröffentlicht am 25.06.2024) zeigen jedoch, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl Deutschlands um 1,4 Mio. Personen niedriger ist. Eine detaillierte Aufbereitung dieser neuen Daten auf Gemeindeebene steht derzeit noch aus. Daher basieren die hier verwendeten Auswertungen auf den vorliegenden Zahlen der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung (siehe auch: BBSR (Hrsg.): Raumordnungsprognose 2045: Bevölkerungsprognose. BBSR-Analysen KOMPAKT 04/2024, Bonn). Quelle: Gemeindeverzeichnis Stand 31.12.2023 (ohne gemeindefreie, unbewohnte Gebiete), Datenstand Recherche 13. Mai 2025, Abweichungen in den Summen sind rundungsbedingt.

Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz – WPG) schafft seit dem 1. Januar 2024 erstmals einen bundesweit einheitlichen Rechtsrahmen. Es verpflichtet die Länder, Wärmepläne für ihr Gebiet sicherzustellen. Die Fristen sind gestaffelt: Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen bis zum 30. Juni 2026 liefern, alle übrigen bis zum 30. Juni 2028.

Viele Gemeinden haben dennoch schon vor Ablauf ihrer Fristen mit der Arbeit begonnen. Über die Hälfte der derzeit aktiven Gemeinden hat weniger als 100.000 Einwohner. „Das zeigt, dass zahlreiche Kommunen frühzeitig Verantwortung übernehmen und den Weg für die Wärmewende bereiten“, heißt es in der Analyse des BBSR.

BBSR-Expertin Andrea Arnold-Drmic betont: „In den kommenden Jahren wird es nicht nur auf die flächendeckende Erstellung von Wärmeplänen, sondern insbesondere auf ihre Qualität und Nutzbarkeit ankommen. Entscheidend ist, dass die Pläne eine tragfähige Grundlage für konkrete Maßnahmen bilden und wirksam zur Umsetzung der Wärmewende beitragen.“

Hintergrund: Wozu dienen kommunale Wärmepläne?

Kommunale Wärmepläne bilden die Grundlage für die strategische Ausrichtung der lokalen Wärmeversorgung. Sie zeigen auf, wie der Wärmebedarf einer Kommune künftig klimaneutral gedeckt werden kann, welche Infrastrukturen dafür angepasst oder neu aufgebaut werden müssen und wo sich erneuerbare Energien, Abwärmequellen und effiziente Technologien am besten nutzen lassen. Die Pläne erfassen dabei das gesamte Gemeindegebiet. Ziel ist es, langfristig tragfähige und verlässliche Entscheidungsgrundlagen für Kommunen, Energieversorger, Wirtschaft und private Haushalte zu schaffen.

Christian Schlag, Quelle: BBSR

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Hoyerswerda – Energiestruktur im Wandel

Hoyerswerda hat heute die Chance, mit klimafreundlichen, wirtschaftlichen und sozialverträglichen Konzepten zu einem europaweiten Vorbild für eine nachhaltige Energieversorgung für andere vom Strukturwandel betroffene Kommunen zu werden. Foto: © Gernot Menzel

Vielerorts in Deutschland und Europa stellen verschiedenste Strukturwandel ganze Regionen vor große Herausforderungen. Dort, wo bestimmte wirtschaftliche Schwerpunkte seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten das öffentliche Leben prägen und sich damit eine gewisse Abhängigkeit entwickelt hat, können sich politische Entscheidungen, technologische Entwicklungen, demografische Veränderungen oder internationale Konflikte aller Art besonders stark auf die Bevölkerung auswirken.

Beteiligte Akteure und Gesetzgeber sind gleichermaßen in der Pflicht, neue Ideen zu entwickeln, um traditionelle Strukturen zu modernisieren und langfristig Perspektiven zu schaffen.

Eine Geschichte des Wandels

Die sorbisch-deutsche Stadt Hoyerswerda oder Město Wojerecy in der sächsischen Oberlausitz hat schon einige Strukturwandel erlebt. Mit der Entdeckung großer Braunkohlevorkommen im 19. Jahrhundert und dem beginnenden industriellen Bergbau stieg die Bevölkerungszahl schnell an. Neben der Etablierung des primären Sektors, in diesem Fall der Urproduktion der Kohle, entwickelte sich durch die regionale Verarbeitung und Verstromung auch der sekundäre Sektor in der Lausitz.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt zu weiten Teilen zerstört. Doch kurz darauf begann für Hoyerswerda ein ganz neues Kapitel. 1955 beschloss der Ministerrat der DDR den Aufbau des Gaskombinats Schwarze Pumpe, einem riesigen Braunkohleveredelungswerk, das zum Hauptgaslieferanten für Ostdeutschland wurde. Nach Eisenhüttenstadt mit seinem gleichnamigen Metallurgiekombinat wurde Hoyerswerda als zweite sozialistische Wohnstadt ausgewählt und mit dem Bau der Neustadt begonnen – neuer Wohnraum für zehntausende Arbeiter*innen und deren Familien. Innerhalb von nur 25 Jahren wuchs die Bevölkerungszahl von unter 10.000 auf über 70.000 an.

Der Übergang von der sozialistischen Staats- oder Planwirtschaft zur kapitalistischen Marktwirtschaft mit der Wende bedeutete den größten Umbruch in der Geschichte Hoyerswerdas. Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, wegbrechende Absatzmärkte und hohe Produktionskosten, aber auch die Einführung der D-Mark, die Rolle der Treuhandanstalt, die massive Abwanderung junger Menschen und schließlich die Deindustrialisierung sowie Rückbaumaßnahmen von Wohngebäuden führten dazu, dass die heutige große Kreisstadt nur noch etwa 30.000 Einwohner*innen zählt.

Der auf das Gaskombinat folgende Industriepark Schwarze Pumpe mit gleichnamigem Braunkohle-Großkraftwerk der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) auf Spremberger Gemarkung versorgt seit 1997 auch Hoyerswerda mit Fernwärme – einem Nebenprodukt, nämlich Abwärme in Form von ausgekoppeltem Dampf, der Kohleverstromung. Im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes wird das Kraftwerk spätestens Ende 2038 stillgelegt.

In Zukunft will der Energiekonzern auf seinen Bergbaufolgeflächen und anderen geeigneten Arealen in der Lausitz gigantische Windenergie- und Photovoltaikanlagen errichten. Das Projekt LEAG GigawattFactory strebt sieben Gigawatt (GW) installierte Leistung bis 2030 an, bis 2040 sollen es 14 GW sein. Die Erzeugung von grünem Wasserstoff, der perspektivisch auch flexible Reservekraftwerke betreiben soll, ist ebenfalls Teil des Gesamtkonzepts, mit dem die LEAG eine importunabhängige Versorgungssicherheit mit klimafreundlicher und bezahlbarer Energie für die Lausitz sichern will.

Neben der Privatwirtschaft ist spätestens seit dem Kohleausstiegsgesetz 2020 vor allem die öffentliche Hand in der Pflicht, den Transformationsprozess, den die lokale Energiewende erfordert, einzuleiten und umzusetzen. Hierfür sind allerdings erst einmal umfangreiche Analysen nötig, die die Stadtverwaltung zusammen mit lokalen Partnern seit vielen Jahren durchführt. Als Projektkommune der Initiative „Global Nachhaltige Kommune Sachsen“ der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) erstellte die Stadtverwaltung Hoyerswerda 2024 eine Bestandsaufnahme zur „Umsetzung der Agenda 2030 zur nachhaltigen Entwicklung in der Stadt Hoyerswerda“.

In dem Anfang Mai 2025 veröffentlichten Bericht fasst die Stadt ihre bisherigen Angebote, Initiativen und Projekte zusammen, die auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Social Development Goals, SDGs) einzahlen, welche wiederum den Kern der UN-Agenda 2030 bilden. Dazu kommen weitere Konzepte zur Hebung lokaler Potenziale, um schließlich die sich bietenden Chancen des aktuellen Strukturwandels zu nutzen und die Stadt als Teil der Region Lausitz zukunftsfähig aufzustellen.

Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh betont: „Wir wollen die SDGs in unserer Arbeit als Stadtverwaltung strategisch-konzeptionell verankern und mit konkreten Aktivitäten hinterlegen. Auf lange Sicht dient dieser Ansatz dazu, das Potenzial des Stadtgebietes zu erhalten, uns als attraktive Lebensstadt im Strukturwandel weiterzuentwickeln und zugleich Verantwortung für die globale Entwicklung zu zeigen.“

SDG 7: Bezahlbare und saubere Energie für die Region

„Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern“ lautet das siebte Ziel für Nachhaltige Entwicklung. Zu den Aufgaben in Hoyerswerda zählen dabei einerseits die Energieversorgung inklusive Abwärmenutzung und Unterstützung gemeinschaftlicher Energiegesellschaften und andererseits die Sanierung kommunaler Liegenschaften, das Energiemanagement und die Stadtbeleuchtung. Die lokalen Gegebenheiten stellen außerdem eine unmittelbare Verbindung zu den SDGs 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur) und 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) dar.

Die größte Aufgabe für die regionalen Akteure besteht in der Transformation der Wärmeversorgung. Der Vertrag mit der LEAG über die Fernwärmebelieferung von heute etwa zwei Drittel der Hoyerswerdaer*innen sowie vieler öffentlicher Gebäude läuft Ende 2027 aus. Das betrifft allerdings nicht nur die Stadt Hoyerswerda, sondern auch die Nachbarkommunen Spremberg und Weißwasser. Vor diesem Hintergrund unterzeichneten die Versorgungsbetriebe Hoyerswerda (VBH), die Städtischen Werke Spremberg (SWS) und die Stadtwerke Weißwasser (SWW) 2020 einen über drei Jahre laufenden und bundeslandübergreifenden Konsortialvertrag, um die Zusammenarbeit als Fernwärmeversorger der drei Städte beziehungsweise der Region zu koordinieren.

Mit einer Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Rahmen des STARK-Programms (Stärkung der Transformationsdynamik und Aufbruch in den Revieren und an den Kohlekraftwerkstandorten) gab das Konsortium bei der Cottbuser Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG eine Studie in Auftrag, wie die Wärmeversorgung für die etwa 85.000 Menschen in der Region auf ein effizientes, klimafreundliches und günstiges System umgestellt werden kann.

Diese „Wissenschaftliche Transformationsstudie zur Dekarbonisierung der Wärmebereitstellung in der Region Hoyerswerda, Weißwasser und Spremberg bis 2050“ wurde im September 2023 vom Fraunhofer IEG gemeinsam mit den Partnern Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, der Tilia GmbH und der IREES GmbH veröffentlicht. Die Ergebnisse der Studie sind nicht nur für die Lausitz, sondern auch für andere vom Strukturwandel betroffene Regionen relevant und können ebenso wie das Kooperationsmodell von VBH, SWS und SWW auch für diese als Blaupause dienen.

„Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie strukturierter Wandel gelingen kann, wenn Städte gemeinsam Verantwortung übernehmen. Die enge Zusammenarbeit von Hoyerswerda, Spremberg und Weißwasser ist ein starkes Signal dafür, dass wir in der Lausitz nicht nur Probleme bewältigen, sondern aktiv Zukunft gestalten – klimafreundlich, bezahlbar und mit wissenschaftlicher Expertise“, so Ruban-Zeh.

Die Ergebnisse der Studie betonen die strategische Bedeutung der vorhandenen und gut ausgebauten Fernwärmenetze in den drei Städten, die weiter verdichtet und erweitert werden sollen und können, um mittelfristig bis zu 70 Prozent der Haushalte anzuschließen. Sie identifiziert verschiedene erneuerbare Energiequellen, die synergetisch genutzt werden sollen, und mögliche Standorte. So gibt es in Spremberg und Hoyerswerda nutzbare Flächen für Solarthermieanlagen in der Nähe des Fernwärmenetzes und für den Einsatz von Gewässerthermie mittels Großwärmepumpen sind Seen wie der Scheibe-See und der Bärwalder See geeignet.

Abwärme aus Industrie und Kläranlagen sowie Biomasse aus Rest- und Altholz werden als begrenzt verfügbar, aber potenziell nutzbar eingeschätzt. Perspektivisch könnten gasbasierte Spitzenlastkessel mit grünem Wasserstoff oder Biogas betrieben werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Kurzfristig wird Erdgas als Übergangslösung genutzt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung auch in Zukunft wettbewerbsfähig und bezahlbar sein kann, sofern alle notwendigen technischen, personellen und finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden.

Schritte zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung

Um wiederum dafür die Grundlage zu schaffen, unterzeichneten die drei Konsortialpartner im April 2024 einen neuen Vertrag. Gemeinsam beantragten sie erfolgreich weitere STARK-Fördermittel, um im nächsten Schritt die Erkenntnisse der Studie in die Umsetzung zu bringen. Hier ist auch Eile geboten, denn laut Wärmeplanungsgesetz (WPG) müssen Fernwärmenetze bis 2030 zu mindestens 30 Prozent aus Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Diese Quote erhöht sich weiter auf mindestens 60 Prozent ab 2035 und 80 Prozent ab 2040. Schließlich muss die gesamte Wärmeversorgung ab dem Jahr 2045 vollständig klimaneutral sein.

In regelmäßigen öffentlichen Informationsveranstaltungen berichten die Stadt Hoyerswerda und die VBH über den jeweils aktuellen Planungsstand und realistische Zukunftsaussichten. Im April 2025 verkündete die VBH, als unverzichtbare Brückenlösung, da ohne langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren möglich, das bestehende Gas-Spitzenheizwerk im Industriegelände Hoyerswerda erheblich auszubauen und zu modernisieren – von derzeit 19 Megawatt (MW) installierter Wärmeleistung auf 45 MW.

Dieses Heizwerk wird ab 2028 die primäre Quelle der Fernwärme für Hoyerswerda sein und auch danach als H₂-ready-Kraftwerk die Wärmeversorgung stützen. In einer zweiten Ausbaustufe ist der Bau von Wärmepumpen mit Wärmespeicher geplant, um zusätzliche thermische Leistung zur Verfügung stellen zu können. Für das gesetzliche Ziel ist das allerdings nicht ausreichend. Daher benennt die VBH die auch in der Studie erwähnten Technologien Solarthermie, Seethermie, Power-to-Heat und Speicher als Lösungen für den künftigen Wärmemix der Stadt. Insgesamt soll der klimafreundliche Umbau des Wärmeversorgungssystems der Region etwa 70 Millionen Euro kosten.

Wärmenetzausbau und dezentrale Energieerzeugung

Ganz konkret möchten die Stadtverwaltung und die VBH vier weitere Fernwärmegebiete erschließen. Im ersten Teilgebiet in Kühnicht sind Interessensbekundung, Planung und Bau schon fortgeschritten. Im Norden der Stadt sollen im Energiepark „Spremberger Chaussee“ Solarthermiefelder, Speichertürme und gegebenenfalls ein Erdbeckenspeicher sowie das Repowering eines Solarparks auf dem Gelände der alten Kläranlage zur klimaneutralen Energieversorgung beitragen. Im Süden, im Energiepark „Altstadt“, ist eine Agri-PV-Anlage geplant.

Der so erzeugte Strom soll mittels Power-to-Heat in Wärme umgewandelt und in einem Speicher gehalten werden können. Auch hier soll Solarthermie eine Rolle spielen und durch eine Wärmepumpe ergänzt werden. Die weiteren Pläne werden im Laufe des Jahres 2025 im Rahmen der gemeinsamen Kommunalen Wärmeplanung von Hoyerswerda, Spremberg und Weißwasser vorgelegt. Laut aktueller Planung würden das Gas-Spitzenheizwerk mit Wärmepumpe und die zwei Energieparks zusammen 113 Gigawattstunden Wärme erzeugen, davon etwa die Hälfte erneuerbar noch vor 2030. Nach 2030 könnten weitere Energiequellen wie Abwärme der Thermischen Abfallbehandlung (T. A.) Lauta und eine Wärmepumpe am bereits erwähnten Scheibe-See ganzjährig Wärme zur Verfügung stellen, falls sich diese Vorhaben inklusive Leitungsbau als wirtschaftlich herausstellen.

Wie Erzeugungsanlagen im Stadtgebiet funktionieren können, wird zudem in einem integrierten energetischen Quartierskonzept für den Lausitzer Platz in der Neustadt analysiert, wo sich große Energieverbraucher wie Klinikum, Schwimmbad, Stadthalle und Einkaufszentrum befinden. Dabei arbeiten die Stadt und die VBH eng mit Eigentümer*innen, lokalen Akteuren und Bürger*innen zusammen. Die beauftragte Tilia GmbH führte von 2021 bis 2022 nach einer Bestandsanalyse der Quartiersstruktur und der energetischen Ausgangssituation eine Potenzialanalyse für Energieerzeugung, -nutzung und Mobilität durch.

Diese resultieren in einem priorisierten Maßnahmenkatalog, einer Empfehlung für Stadt und Energieversorger. Die Ergebnisse, die von einem PV-Programm über die Umrüstung der Straßenbeleuchtung und die Fahrradinfrastruktur bis hin zur Gebäudesanierung und -begrünung reichen, können auch auf weitere Stadtquartiere übertragen werden. Seit 2022 arbeiten die beteiligten Akteure an der Umsetzung einzelner Maßnahmen.

Ein weiteres Beispiel für die Umgestaltung von Quartieren ist der Wohnkomplex 1, kurz WK1. Bürger*inneninitiativen stellten sich erfolgreich gegen den Abriss der denkmalgeschützten Wohnblöcke, um anschließend in einem Solar-Pilotprojekt die Nutzung Erneuerbarer Energien im Quartier zu erproben. Zukunftsfähige Energielösungen könnten nun auch an anderer Stelle dem Erhalt von Baudenkmälern dienen.

Stand der Erneuerbaren in Hoyerswerda

Schon heute nutzen die VBH Klärgas aus der Abwasserreinigung zur Stromerzeugung in zwei eigenen Blockheizkraftwerken (BHKW) mit je 150 Kilowatt (kW) elektrischer und 185 kW thermischer Leistung. Die dabei entstehende Wärme kann zudem in das Wärmenetz eingespeist werden. Auch am Lausitzbad ist ein BHWK mit einer thermischen Leistung von 500 kW in Betrieb.

Der Stromverbrauch im Stadtgebiet wird zu fast 35 Prozent durch lokal installierte PV-Anlagen auf freien Flächen, kommunalen Gebäuden und Garagenkomplexen sowie durch BHKW gedeckt. Auch das größte Mieter*innenstromprojekt Sachsens wurde hier 2024 realisiert. Im Rahmen des gemeinsamen Vorhabens installierten die Wohnungsgenossenschaft Lebensräume Hoyerswerda eG und der Solarstromanbieters Einhundert Energie 76 PV-Module mit einer Leistung von insgesamt 300 Kilowatt-Peak auf Dächern mehrerer Mietshäuser. Diese versorgen rund 200 Wohnungen mit Solarstrom und sparen jährlich etwa 40 Tonnen CO₂ ein.

Die Lebensräume Hoyerswerda tat sich außerdem mit der anderen großen Vermieterin Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda sowie mit der AWO, der Interessengemeinschaft Energieversorgung Schwarzkollm und der VBH beziehungsweise ihrer Tochter Lausitzwerk zu einem Bündnis zusammen, das Bürger*innenbeteiligungsmodelle gründen und fördern möchte. Bei der Windenergie geht Hoyerswerda bisher kleinere Schritte: Im Stadtzentrum drehen sich auf dem Dach der Städtischen Wirtschaftsbetriebe (SWH), des Mutterkonzerns der VBH, drei kleine Windräder.

Im Bereich Mobilität gehen die Stadtverwaltung und ihre Eigenbetriebe mit gutem Beispiel voran und rüsten die Fuhrparks zunehmend auf Elektrofahrzeuge um. Dazu gehört auch der Aufbau von Ladeinfrastruktur auf Betriebshöfen. Im ganzen Stadtgebiet sind 45 Ladepunkte an 18 Standorten öffentlich zugänglich.

Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Immer wieder darf die Stadt Hoyerswerda internationale Delegationen begrüßen, die sich vor Ort über die Strukturwandel- und Energiewende-Maßnahmen informieren. Ein intensiverer Austausch über technologische Innovationen und den Umgang mit sozialen Herausforderungen findet aktuell im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts „Energiewende-Partnerstadt 3.0“ statt, das von der Agentur für Erneuerbare Energien begleitet wird.

Hierfür schlossen Hoyerswerda und die westukrainische Stadt Novovolynsk eine Energiewende-Partnerschaft. Nach einem ersten Treffen aller Projektpartner*innen im November 2024 in Berlin steht der Besuch in der Lausitz im September 2025 an, dem sich auch die Partnerstädte Düsseldorf und Czernowitz (ebenfalls Ukraine) anschließen.

Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh erklärt: „Die Stadt Hoyerswerda begrüßt die Teilnahme am Projekt. Der Austausch mit anderen Kommunen unterstützt nicht nur die Ziele der Transformation, sondern stärkt auch den gesellschaftlichen Diskurs. Durch die unterschiedlichen Perspektiven können wir gemeinsam Lösungen für ähnliche Herausforderungen entwickeln, voneinander lernen und möglicherweise langfristige Kooperationen aufbauen.“ Außerdem zahlt auch die Partnerschaft mit Novovolynsk auf ein SDG ein, das auch das Motto der Lausitz sein könnte: 17 – Partnerschaften zur Erreichung der Ziele.

Bei allen geplanten Maßnahmen, vor allem die den Strukturwandel betreffenden, ist es von enormer Bedeutung, die Einwohner*innen einzubeziehen und dabei besonders auf die Stimmen junger Menschen zu hören, die in der Stadt und der Umgebung eine ökologisch nachhaltige Zukunft aufbauen können. Schon heute ist das Thema Energie an vielen Schulen und Sportvereinen Gegenstand von Projekten und Jugendliche werden vermehrt in die Erarbeitung von Strukturwandel-Konzepten einbezogen. Die regionale Energiewende mit den sich daraus ergebenden Vorteilen niedriger, stabiler Energiepreise, der Schaffung neuer Arbeitsplätze inklusive Berufsorientierung und lokaler Wertschöpfung sowie transparenter Mitgestaltungsmöglichkeiten kann dazu beitragen, den Zukunftsstandort Lausitz zu stärken. Hoyerswerda hat heute die Chance, mit klimafreundlichen, wirtschaftlichen und sozialverträglichen Konzepten zu einem europaweiten Vorbild für eine nachhaltige Energieversorgung für andere vom Strukturwandel betroffene Kommunen zu werden.

Simon Stark // Agentur für Erneuerbare Energien e. V.

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Andrea Gebhard als Präsidentin der Bundesarchitektenkammer bestätigt

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
Planungssicherheit durch klare Regeln schaffen, den Mittelstand als Rückgrat unserer Baukultur stärken und die Transformation nach innen wie nach außen konsequent vorantreiben. Aufgaben, die sich Andrea Gebhard mit den Mitgliedern des neu gewählten Präsidiums vorgenommen hat. Das Team im Gruppenfoto: Wiebke Ahues, Andrea Gebhard, Stefan Weber, Evelin Lux (von links nach rechts) Foto: Anja Grabert

Die 99. Bundeskammerversammlung (BKV) hat am 19.9.2025 das Präsidium der Bundesarchitektenkammer gewählt. Die Münchner Stadtplanerin und Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard wurde mit überwältigender Mehrheit als Präsidentin bestätigt. Im Amt des Vizepräsidenten bleibt Ministerialrätin Evelin Lux, verbeamtete Architektin aus München.

Neu gewählt wurden die freischaffende Architektin BDA Wiebke Ahues aus Berlin und der freischaffende Architekt Stefan Weber aus Stuttgart

Unsere Aufgaben Kontinuität, Erfahrung und zugleich den Mut zur Veränderung

„How will we live together? – Wie wollen wir künftig zusammenleben? Diese Frage ist heute angesichts von Klimakrise, politischer Unsicherheit, Wohnungsnot und gesellschaftlicher Transformation drängender denn je“, sagte Andrea Gebhard nach Ihrer Wahl.

„Wir haben in den vergangenen Jahren viel bewegt – vom Gebäudetyp-E und Nachhaltigkeitsregister über die Förderung von Baukultur bis hin zu mehr Aufklärung in Politik und Gesellschaft. Aber vieles ist noch unvollendet. Genau deshalb trete ich erneut an: weil unsere Aufgaben Kontinuität, Erfahrung und zugleich den Mut zur Veränderung verlangen. Mein Ziel ist es, Planungssicherheit durch klare Regeln zu schaffen, den Mittelstand als Rückgrat unserer Baukultur zu stärken und die Transformation nach innen wie nach außen konsequent voranzutreiben.“

Andrea Gebhard engagiert sich seit vielen Jahren berufspolitisch. Sie ist seit 2021 Präsidentin der Bundesarchitektenkammer und seit 2022 Stiftungsratsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur. 2007 bis 2013 war sie Präsidentin des Bund Deutscher Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten BDLA. Sie Inhaberin des Münchner Büros mahl gebhard konzepte.

Der bisherige Vizepräsident Martin Müller aus Gelsenkirchen kandidierte nach drei Amtsperioden (2012 – 2025) nicht mehr. Die BKV bedankte sich bei ihm für sein herausragendes ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Digitalisierung und Kreativwirtschaft.

Stehende Ovationen wurden Prof. Ralf Niebergall aus Magdeburg zuteil, der sich nach drei Amtszeiten (2013 – 2025) als Vizepräsident verabschiedete. Die BKV dankte ihm vor allem für seinen unermüdlichen Einsatz für die beruflichen Rahmenbedingungen der planenden Berufe im europäischen und internationalen Kontext.

Cathrin Urbanek

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Gebäudetyp E: Das Wesentliche beim Bauen

Gebäudetyp E: Das Wesentliche beim Bauen
Im Neubau erschließt der Gebäudetyp E gezielte Spielräume. Wer digital plant, kann Einsparpotenziale modellbasiert ausloten und technisch sauber dokumentieren. Abweichungen lassen sich direkt im BIM-Modell bauteilgenau simulieren, etwa alternative Deckenaufbauten, reduzierte Dämmstärken oder vereinfachte Installationsführungen. Foto: Nemetschek Group

Was, wenn Planende endlich so bauen dürften, wie es sinnvoll wäre – nicht, wie es die Normen verlangen? Der Gebäudetyp E verspricht einen Paradigmenwechsel hin zu leistungsorientierter Innovation in der Bauplanung. Der Gesetzgeber hat dafür die Spielräume geschaffen, doch nur mit modellbasierten, digitalen Prozessen lassen sich die neuen Freiräume effizient, rechtssicher und sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig nutzen. So ermöglichen es der Building Information Modeling-Ansatz sowie digitale Zwillinge, die Potenziale des Gebäudetyps E zu heben.

Seit Jahren ächzt die Bauwirtschaft unter Kostendruck und Überregulierung. Hier setzt der „Gebäudetyp E“ an – als Planungsansatz für einfacheres, suffizientes Bauen. Was 2023 in Bayern mit dem „Recht auf Abweichung“ (§ 63 BayBO) begann, hat inzwischen den Sprung auf Bundesebene geschafft: Am 6. November 2024 beschloss das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zur zivilrechtlichen Umsetzung des Gebäudetyp-E-Modells im Bauvertragsrecht.

Das neue Gesetz schafft erstmals eine klare rechtliche Grundlage dafür, auf technische Normen zu verzichten, wenn sie ausschließlich Komfort- oder Ausstattungsmerkmale betreffen – etwa bei Trittschallschutz oder Gebäudetechnik. Künftig gilt: Nur was ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde, ist geschuldet. Damit entlastet das Gesetz Planungsverantwortliche und Bauausführende haftungsrechtlich. Vor allem öffnet es auch den Raum für neue, innovative Lösungen – die mit Blick auf ESG-Ziele und Kostendruck höchst willkommen sind.

10 Prozent Einsparung sind sehr konservativ geschätzt

Das Bundesjustizministerium geht von rund 10 Prozent Einsparpotenzial bei den Herstellungskosten aus – umgerechnet etwa 8 Milliarden Euro pro Jahr im Wohnungsbau. Je nach Maßnahme und Gebäudetyp sind sogar bis zu 25 Prozent Einsparung denkbar, etwa durch den Verzicht auf überdimensionierte technische Ausstattung oder hochpreisige Komfortdetails.

Empirische Projektauswertungen bestätigen diese politischen Annahmen – und übertreffen sie teils deutlich. Beispielrechnungen zeigen: Allein durch eine reduzierte Trittschalldämmung können rund 56 €/m² eingespart werden.

Besonders hohe Einsparpotenziale zeigen sich darüber hinaus:

  • bei optimierten Tragwerken und reduzierter technischer Erschließung (~200 €/m²),
  • bei der Rücknahme brandschutzbedingter Sonderlösungen (~150 €/m²) sowie beim Verzicht auf Zertifizierungen
  • oder überzogene Barrierefreiheitsanforderungen (jeweils 100–150 €/m²).

Diese Einzelmaßnahmen summieren sich zu einem belastbaren Maßnahmenbündel.

Hamburg liefert konkrete Beispielzahlen: Im Rahmen der „Initiative Kostenreduziertes Bauen“ identifizierte die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE e. V.) im Auftrag der Stadt 65 Einzelmaßnahmen, deren kombinierter Effekt über 1.000 €/m² betragen kann – das entspricht über 20 Prozent Reduktion bezogen auf das aktuelle Median-Kostenniveau von ca. 4.600 €/m² Wohnfläche.

Diese Ersparnisse fordern jedoch an anderer Stelle ihren Preis: durch komplexere Nachweispflichten. Wer von Standards abweicht, muss die Einhaltung der Schutzziele detailliert belegen. Also noch mehr Formulare? Das würde den Deregulierungsansatz der Novelle ad absurdum führen. Gefragt sind durchgängig digitale Planungs- und Modellierungsprozesse. Sie ermöglichen die Variantenbildung, Simulation und belastbare Dokumentation, um die Einsparpotenziale des Gebäudetyps E auszuschöpfen – ohne juristische Stolperfallen.

Neue Freiheit bei Neubauten

Im Neubau erschließt der Gebäudetyp E gezielte Spielräume – insbesondere bei Tragwerk, Ausbau und technischer Gebäudeausrüstung. Abweichungen sind dabei nicht nur von Normen, sondern auch von technischen Baubestimmungen möglich, solange die jeweiligen Schutzziele auf anderem Wege erreicht werden.

Ein praxisnahes Beispiel: Erhöhter Schallschutz wird oft durch massive Decken oder doppelte Wände umgesetzt – mit hohem Materialeinsatz, entsprechendem CO₂-Fußabdruck und erheblichen Mehrkosten. Mit suffizienzorientierter Planung lassen sich Bauteile hingegen auf das statisch erforderliche Maß begrenzen – funktional ausreichend, aber deutlich ressourcenschonender.

Wer digital plant, kann solche Einsparpotenziale modellbasiert ausloten und technisch sauber dokumentieren. Abweichungen lassen sich direkt im BIM-Modell bauteilgenau simulieren, etwa alternative Deckenaufbauten, reduzierte Dämmstärken oder vereinfachte Installationsführungen. Nachweise zur Statik, thermischen Hülle und Energieeffizienz können auf Basis semantischer Bauteildaten automatisiert erstellt werden. So entstehen verlässliche Aussagen zu Behaglichkeit, zur Dauerhaftigkeit, zur Wirtschaftlichkeit und zur CO₂-Bilanz einzelner Varianten.

Diese Planungstiefe überträgt sich direkt in den Ausschreibungsprozess: Unterschiedliche Ausführungsoptionen können in Leistungsverzeichnissen systematisch erfasst, kalkuliert und transparent gegenübergestellt werden – inklusive ökologischer Kennwerte wie Global Warming Potential (GWP) oder der nicht-erneuerbare Primärenergiebedarf (PENRT). Digitale AVA-Prozesse erleichtern dabei die präzise Kostenzuordnung nach DIN 276 und zeigen, wie sich vereinfachte Standards konkret auf Kosten und THG-Emissionen auswirken.

Gleichzeitig bildet das Modell die Grundlage für eine präzise Mengenermittlung und eine nachvollziehbare Dokumentation. Diese ist unverzichtbar, wenn Planende und Bauherrschaft gemeinsam von anerkannten Regeln der Technik abweichen. Komplexe Zusammenhänge lassen sich visuell auflösen, Entscheidungsoptionen leicht verständlich aufbereiten.

BIM und Gebäudetyp E: Neue Zukunftsfähigkeit für Bestandsgebäude

Im Bestand greifen Gebäudetyp E und BIM besonders wirkungsvoll ineinander. Altbauten wurden nicht nach den heute allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) errichtet – und müssen es auch künftig nicht, sofern die bauordnungsrechtlichen Schutzziele erfüllt bleiben. Genau hier setzt das Gebäudetyp-E-Gesetz an: Statt bei Sanierungen, Umbauten oder Aufstockungen pauschal auf das heutige Regelwerk aufzurüsten, können Planende gezielt das technische Niveau des Bestands fortschreiben – funktional ausreichend, aber ressourcenschonend und wirtschaftlich tragfähig. Damit eröffnen sich im Bestand sogar größere Potenziale als im Neubau – insbesondere dort, wo gezielt auf überzogene Komfortnormen verzichtet werden kann.

Digitale Zwillinge auf Basis eines interaktiven BIM-Modells liefern die Grundlage, um Abweichungen von den aktuellen Vorgaben präzise zu dokumentieren, technisch zu validieren und vertraglich abzusichern. Punktwolken aus 3D-Scans der gebauten Realität werden dabei mit dem Planungsmodell kombiniert. Bauteilzustände, Materialkennwerte und Baualtersklassen können systematisch erfasst werden, um den digitalen Zwilling des Gebäudes anzureichern. Auf dieser Basis lassen sich Varianten von Sanierungsmaßnahmen simulieren, etwa unterschiedliche Dämmung, Fenstertypen oder Installationskonzepte.

Im Sanierungskontext können auch Regelungserleichterungen zur Anwendung kommen, etwa beim Dachgeschossausbau. Hier kann auf zusätzliche Stellplätze oder Aufzüge verzichtet werden, sofern die Schutzziele nicht berührt sind. Auch bei der Technischen Gebäudeausrüstung, lassen sich massive Einsparungen erzielen – etwa durch den Verzicht auf mechanische Lüftung oder überdimensionierte Heizlastauslegung. BIM ermöglicht, solche Vereinfachungen zu kalkulieren und technisch abzusichern.

 Entscheidend dabei: Eine Abweichung von den aaRdT gilt nur dann als wirksam vereinbart, wenn die Bauherrin den funktionalen Unterschied versteht und dem bewusst zustimmt. Ansonsten droht eine Mängelgewährleistung trotz formeller Einigung. BIM-basierte digitale Zwillinge erleichtern die rechtssichere Dokumentation und Kommunikation mit der Bauherrin, indem Varianten verständlich visualisiert, technische, wirtschaftliche und architektonische Konsequenzen nachvollziehbar festgehalten werden. So wird aus der formalen Zustimmung eine belastbare Vereinbarung.

Gebäudetyp E ist erst der Anfang: Digitale Resilienz dank BIM

BIM schafft nicht nur Projektklarheit im Hier und Jetzt – es sichert auch die Anschlussfähigkeit an kommende regulatorische Anforderungen. Und hier zeichnet sich bereits einiges am Horizont ab: Mit der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie (EPBD 2024) rücken erstmals CO₂-Grenzwerte für den gesamten Lebenszyklus in den Fokus, die ab 2028 für Neubauten gelten sollen. Zugleich wurde das Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024 auf nationaler Ebene novelliert – mit verschärften Effizienzanforderungen und weiterreichenden Nachweispflichten, etwa für den Einsatz erneuerbarer Energien. Weitere Anpassungen des GEG sind absehbar, sobald die EU-Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt werden.

BIM schafft die nötige Datenbasis, um beide Stränge frühzeitig und konsistent zu adressieren. Energetische Kennwerte, Materialverbräuche und Emissionen lassen sich bereits im Entwurf modellgestützt erfassen und auswerten. Gebäude werden auf Lebenszykluskosten, Primärenergiebedarf oder GWP durchleuchtet – nicht erst im Betrieb, sondern direkt in der Planungs- oder Sanierungsphase. CO₂-reduzierte Varianten können belastbar verglichen, Optimierungspotenziale identifiziert und regulatorische Schwellenwerte plausibel belegt werden.

Auch während der Bauausführung bringt der digitale Zwilling konkrete Vorteile: Punktwolken aus 3D-Scans ermöglichen den Abgleich mit dem Planungsmodell – zur geometrischen Qualitätskontrolle, zur Dokumentation der Ausführung oder zur präzisen Abweichungsanalyse. Nachbesserungen lassen sich frühzeitig vermeiden, Abfall und Bauzeiten reduzieren, Qualität verbessern. Gleichzeitig erleichtert der modellgestützte Ansatz die ortsunabhängige Kollaboration der Projektteams – was sich positiv auf Fahrtkosten, Ressourcenverbrauch und CO₂-Bilanz auswirkt.

 So wird BIM zum strategischen Hebel digitaler Resilienz – gegenüber technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Veränderungen im gesamten Gebäudelebenszyklus. Für den Gebäudetyp E bildet es ein Planungsinstrument, das Suffizienz, Innovation und Zukunftsfähigkeit vereint: reduziert auf das funktional Wesentliche, gezielt erweitert, wo es energetisch, wirtschaftlich oder architektonisch sinnvoll ist.

Maria Richtsfeld

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Das Ettersburger Gespräch 2025:  Zehn Hinweise für eine gute Zusammenarbeit beim Bauen

Das Ettersburger Gespräch 2025:  Zusammenarbeit beim Bauen
Ein Gruppenfoto mit Teilnehmenden des Ettersburger Gesprächs 2025, © Axel Clemens

Unter dem Titel „Zusammenarbeiten.“ definierte das diesjährige Ettersburger Gespräch zehn Rahmenbedingungen für Konzeption, Planung, Entwicklung und Umsetzung von Bauprojekten – mit dem Ziel, durch Kooperation Effizienz zu steigern, Innovation zu fördern und die Bauwirtschaft zukunftsfähig zu machen.

Expertinnen und Experten aus Planung, Politik, Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft diskutierten am 18. und 19. September 2025 beim 17. Ettersburger Gespräch unter dem Titel „Zusammenarbeiten.“ aktuelle Herausforderungen der Bauwirtschaft. Fazit: Traditionelle Modelle des Planens und Bauens stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, unsere Verkehrsnetze zu modernisieren, Energieinfrastrukturen zu errichten oder eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren.

Integrierte Kooperationsmodelle hingegen gewinnen an Bedeutung: Eine frühe Zusammenarbeit, Verlässlichkeit und Planbarkeit sind notwendige Voraussetzungen für Investitionen und ausschlaggebend für den Projekterfolg.

Verantwortung und Kooperation

Verantwortung für die Baukultur bedeutet, die unterschiedlichen Interessen in einer kooperativen Haltung zu bündeln, um durch geteilte Ressourcen und Wissen, Effizienz, Innovation und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Dies gelingt durch:

1. Frühe Integration: klare Regeln für die Zusammenarbeit bereits in der vorbereitenden Planungsphase Null vereinbaren

2. Offene und klare Kommunikation: Qualitäten frühzeitig festlegen, klare Absprachen zur Arbeitsteilung und verbindliche Entscheidungen treffen

3. Faire und transparente Verträge: gute Zusammenarbeit durch knappe und zielführende Verträge abbilden

Regulatorische Hemmnisse und Bürokratie

Durch eine paradigmatisch lösungsorientierte Neuaufstellung von Bauordnungen, technischen Normen und Bauverwaltungen wird ein bedarfsgerechtes Planen und Bauen möglich.

4. Komplexität reduzieren und Verfahren beschleunigen: Doppel- oder Mehrfachabfragen vermeiden

5. Bürokratieabbau: neue Regulierungen hinterfragen, Praxis stärker einbeziehen

6. Effiziente Verwaltungsprozesse: Handlungsfähigkeit zurückgewinnen

Digitalisierung

Eine gemeinsame Datenumgebung ermöglicht standortunabhängig eine engere Zusammenarbeit über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks.

7. Digitale Tools nutzen: Planung und Ausführung durch digitale Werkzeuge optimieren – auch in Phase Zehn zur Qualifizierung des Betriebs

8. Einheitliche Standards schaffen: modellbasiertes Planen und Bauen auf Basis einheitlicher, standardisierter Datenformate und Schnittstellen etablieren

9. Erfolge skalieren: mehr Transparenz und eine höhere Effizienz in allen Phasen eines Bauprojekts erreichen

Werte und Haltung

Neue Formen der Zusammenarbeit im Bauwesen beinhalten eine werkbezogene Grundhaltung und die Anwendung neuer Partnerschaftsmodelle. Zentral ist die Vertrauensbasis.

10. Baukultur ins Werk setzen: hochwertig gestaltete Bauprojekte in bautechnisch und handwerklich überzeugender Qualität umsetzen

Das Ettersburger Gespräch steht für eine fachübergreifende, lösungsorientierte und aktive Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten im Sinne des Projekterfolgs. Dabei sind baukulturelle Werte und gesellschaftliche Akzeptanz Basis für den wirtschaftlichen Erfolg.Das vollständige Strategiepapier finden Sie hier

Sabrina Ginter //  Claudia Rudisch

Das jährliche Ettersburger Gespräch der Bundesstiftung Baukultur, des Fördervereins und ihrer Partner ist ein exklusiver, branchenübergreifender Erfahrungsaustausch zwischen Entscheidungsträgern der Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, der Architektur, des Ingenieurwesens, der Kommunalverwaltung und Politik zu aktuellen Herausforderungen der Branche. Das Ettersburger Gespräch bietet Raum für den Austausch zu konkreten Praxisbeispielen aus den verschiedenen Perspektiven der Planung und Ausführung, der Bauherrinnen und Bauherren und formuliert Handlungsempfehlungen. Es fand in diesem Jahr am 18. und 19. September auf Einladung der Bundesstiftung Baukultur und ihres Fördervereins auf Schloss Ettersburg bei Weimar statt.

Die Bundesstiftung Baukultur ist eine unabhängige Einrichtung und arbeitet mit dem Ziel, die gebaute Umwelt als wesentlichen Faktor für Lebensqualität zu einem gemeinschaftlichen Anliegen zu machen. Durch Veranstaltungen, Publikationen und Kooperationen fördert die Stiftung den öffentlichen Diskurs über Baukultur und vernetzt Akteure miteinander. Alle zwei Jahre legt die Bundesstiftung Baukultur dem Bundeskabinett und dem Bundesparlament einen Bericht zur Lage der Baukultur in Deutschland vor.

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Die Tücken des Baurechts – Einige Urteile zu einem überaus heiklen Thema

Tücken des Baurechts: Urteile zu einem überaus heiklen Thema

Das Baurecht hat es mit vielen Fallkonstellationen zu tun. Das Spektrum reicht von dem Verbot „wilden“ Bauens über den Denkmal- und Umweltschutz bis hin zur Erteilung bzw. Verweigerung von Baugenehmigungen. Häufig geht es für die Betroffenen dabei um vieles – schlimmstenfalls um den Abriss eines bereits gebauten Gebäudes. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS stellt in seiner Extra-Ausgabe einige Baurechtsurteile vor.

Nutzungsuntersagung, aber gesetzliche Kündigungsfrist beachten

Es kommt immer wieder vor, dass die Baubehörde eine Nutzungsuntersagung für eine bestimmte Immobilie ausspricht. Im konkreten Fall wurde dies gegenüber Mietern einer Wohnung getan, weil ein Grenzabstandsverstoß vorlag.

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (Aktenzeichen 1 ME 158/24) entschied, dass den Mietern allerdings eine Frist zur Befolgung eingeräumt werden müsse, die der gesetzlichen Kündigungsfrist entspreche.

Sisha-Bar im Wohngebiet

Bevor in einem allgemeinen Wohngebiet eine Baugenehmigung für eine Sisha-Bar erteilt wird, muss von der Baugenehmigungsbehörde geprüft werden, ob dieses Vorhaben dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft gerecht wird.

Unter anderem kann dazu nach Ansicht des hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Aktenzeichen 4 B 1729/24) ein Prognosegutachten über den möglichen Lärm erstellt werden. Auch Vorgaben und Auflagen sind denkbar, die den zu erwartenden Lärm mindern.

Wer zuerst kommt….

Im Baurecht spielt es bei der Genehmigung von Bauvorhaben durchaus eine Rolle, wer zuerst da war und deswegen auf die älteren Ansprüche verweisen kann. So hob das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 4 K 8859/22) eine Baugenehmigung für ein Wohngebäude auf, weil etwaige Lärmkonflikte mit dem bereits seit Langem bestehenden Biergarten nicht geprüft wurden.

(Weiterer Hinweis: Da das Urteil vom 26.08.2024 stammt und als „Nachfolgeinstanz“ das Oberverwaltungsgericht NRW, Aktenzeichen 10 A 2039/24 angegeben ist, gehen wir davon aus, dass das VG-Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Dies konnten wir aber nicht verifizieren.)

Wenn Schiffe stören..

Manche Nachbarschaften sind von ganz bestimmten äußeren Umständen geprägt. Von einer Anlegestelle für Fahrgastschiffe etwa gehen erfahrungsgemäß gewisse Licht- und Lärm-Emissionen aus. Ein Anlieger wandte sich gegen die Planungsgenehmigung.

Das Verwaltungsgericht Trier (Aktenzeichen 9 K 3716/24) entschied, das sei umgebungsbedingt hinzunehmen. Die Gesamtbelastung sei „als nicht relevant anzusehen“, da die Umgebung in der sich das Wohnhaus befindet, seit Jahren durch den intensiven Schiffsverkehr und Publikumsandrang geprägt sei.

Baurecht und Nachbarschaft

Wer ist eigentlich ein Nachbar? Das ist eine Frage, die sich im Baurecht immer wieder stellt. Der Verwaltungsgerichtshof München (Aktenzeichen 1 ZB 23.2316) stellte klar, dass nicht nur unmittelbar an ein Baugrundstück grenzende Anwesen dafür in Frage kommen, sondern auch andere Grundstücke, die in relevanter Weise im Einwirkungsbereich des Vorhabens liegen. Wichtig ist, ob belastende Auswirkungen auf die Nachbarn zu befürchten sind.

Genehmigung nur bei vollständigen Bauunterlagen

Für das Erteilen einer Baugenehmigung sind gewisse Voraussetzungen unabdingbar. Wenn Bauvorlagen fehlen oder unvollständig sind, so dass Gegenstand und Umfang des Vorhabens gar nicht genau zu bestimmen sind, dann ist die Genehmigung aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht München (Aktenzeichen M 1 SN 25.993) befand, aufgrund der Unvollständigkeit der Unterlagen könne die Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden.

Barrierefrei gilt auch für Türschwellen

In einer alternden Gesellschaft spielt die Barrierefreiheit von Immobilien eine zunehmend größere Rolle. Wenn eine Baubeschreibung vorsieht, dass eine Wohnung im Erdgeschoss barrierefrei errichtet werden soll, dann betrifft das selbstverständlich auch die Höhe der Türschwellen einer zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Terrasse.

Acht Zentimeter seien zu hoch, urteilte das Oberlandesgericht Brandenburg (Aktenzeichen 10 U 54/24).

Wenn „gewichtige Gründe“ vorliegen

Bei anerkannten Baudenkmälern ist planungsrechtlich dem Grundsatz nach von einem Erhaltungsinteresse auszugehen. Regelmäßig liegen demnach „gewichtige Gründe“ vor, den bisherigen Zustand beizubehalten.

Das Verwaltungsgericht Augsburg (Aktenzeichen 5 K 23.933) stellte fest, lediglich bei unbedeutenden Baudenkmälern oder bei minimalen Beeinträchtigungen seien solche gewichtigen Gründe zu verneinen. Der Einschätzungen des Landesamts für Denkmalpflege komme dabei erhebliche Bedeutung dazu.

Dr. Ivonn Kappel

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IZB-Preis 2025 an Johann Karatajew, Absolventen der TU Berlin, verliehen

Der glückliche Preisträger mit Andreas Hartmann, IZB-Vorstandsmitglied (rechts) und Sören Sommer-feld, Wiss. Mitarbeiter, Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin (links). Foto: IZB

Der IZB-Preis wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal verliehen. Den Rahmen bot die Akademische Feier an der TU Berlin zur Ehrung der Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen. Mit dem Examenspreis in der Studienrichtung Bauingenieurwesen wurde Johann Karatajew für seine hervorragende Arbeit „Integration von Lebenszyklusansätzen in die integrierte Projektabwicklung (IPA)“ ausgezeichnet!

Die Masterarbeit entwickelt Lösungsansätze zur Erweiterung der IPA auf den Lebenszyklusansatz (IPALa). Zudem werden die Herausforderungen und Potenziale des IPALa-Modells sowie geeignete Rahmenbedingungen, insbesondere in Abgrenzung zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), diskutiert. Es wird gezeigt, dass sich die IPA durch die Anpassung einiger Modellelemente auf den Lebenszyklus ausweiten lässt. Die Erweiterung führt zunächst zur Integration zusätzlicher Betriebskompetenzen. Die Erarbeitung der Realisierungslösung und die Zielkostenermittlung soll lebenszyklusorientiert und gemeinsam mit allen Partnern erfolgen.

Das entwickelte Modell zeichnet sich im Vergleich zu ÖPPs durch eine höhere Flexibilität und Transparenz und durch eine stärkere Förderung partnerschaftlicher Zusammenarbeit aus. Es bietet damit einen geeigneteren Rahmen für Projekte mit einem komplexen Risikoprofil und bei denen eine intensive Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen erforderlich ist. Die IPALa bietet damit das Potenzial, die Vorteile der IPA auch auf die Betriebsphase auszuweiten und Bauprojekte nachhaltiger und effizienter zu errichten und zu betreiben. Die Masterarbeit wurde vom Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb, Universitätsprof. Dr.-Ing. Matthias Sundermeier, Institut für Bauingenieurwesen
Technische Universität Berlin, betreut.

Der IZB e.V. hat diese Arbeit ausgezeichnet, da sie in besonderem Maße zu Innovationen organisatorischer Art beiträgt. Sie enthält und ein hohes Innovationspotenzial mit Praxisrelevanz!

Der im Jahr 1997 gegründete Verein IZB InnovationsZentrum Bau Berlin Brandenburg e.V. fördert Innovationen im Bauwesen. Nach einer Satzungsänderung im Jahr 2025 verfolgt der Verein gemeinnützig „die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre“ insbesondere auf dem Gebiet der Bauwirtschaft und des Baubetriebs. Er fördert und unterstützt wissenschaftliche Veranstaltungen und wissenschaftliche Leistungen und der wissenschaftlichen Arbeit dienende Tätigkeiten zur Förderung der Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Bauwirtschaft und des Baubetriebs an der Technischen Universität Berlin.

Siegfried Rehberg


Im „Berliner Innovationsdialog Bau“ unterstützt der IZB e.V. das Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Matthias Sundermeier, bei dem „Berliner Innovationsdialog Bau“ bei Veranstaltungen und seit 2018 bei einer jährlichen Ringvorlesung.

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Baurechtsreport 2025 offenbart Schwächen der technischen Gebäudeausrüstung

Baurechtsreport 2025: Schwächen der Gebäudeausrüstung
Titel — © Dylan Leagh via Unsplash

Notstromanlagen, die im Ernstfall sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Brandmelde- und Feuerlöschanlagen oder die Notbeleuchtung mit Energie versorgen, sind immer häufiger mangelhaft. Bei den wiederkehrenden Prüfungen im Jahr 2024 war laut „TÜV Baurechtsreport“ nur noch jede vierte Sicherheitsstromversorgungsanlage mängelfrei (25,1 Prozent), im Vorjahr lag der Wert noch bei 34,6 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil „wesentlicher Mängel“ um knapp 5 Prozentpunkte auf 30,0 Prozent (2023: 25, 1 Prozent).

„Fällt im Notfall die Sicherheitsstromversorgung aus, stehen wichtige Schutzsysteme der Gebäudeausrüstung still“, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. „Unsere Gebäude müssen krisenfester werden. Resilienz muss gerade mit Blick auf Stromausfälle, Cyberangriffe oder hybriden Bedrohungen zum Leitprinzip werden.“ Das gelte besonders für sogenannte Sonderbauten wie Schulen, Krankenhäuser, Hotels, Veranstaltungsstätten oder Hochhäuser – also Gebäude, die für die öffentliche Versorgung und Sicherheit von zentraler Bedeutung sind. Bühler: „Neben der physischen Sicherheit müssen die Eigentümer und Betreiber der Gebäude die Cybergefahren im Blick haben, denn mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung der Sicherheitstechnik wächst hier die nächste große Herausforderung.“

Laut TÜV Baurechtsreport zeigte fast jede zweite Notstromanlage bei den wiederkehrenden Prüfungen „geringfügige Mängel“ (44,9 Prozent). Insgesamt wurden in diesem Bereich 3.585 Anlagen geprüft. Auch die Erstprüfungen vor Inbetriebnahme bestätigen dieses Bild: Von 942 geprüften Anlagen waren lediglich 38 Prozent mängelfrei, bei 22 Prozent wurden erhebliche und bei 40 Prozent geringfügige Mängel festgestellt.

Technologiewandel erhöht Mängelquote bei Sicherheitsstromversorgung

Für die hohe Mängelquote gibt es verschiedene Ursachen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Gebäudetechnik existieren für Sicherheitsstromanlagen bisher keine verbindlichen Anforderungen an die Qualifizierung von Fachkräften. Verstärkt durch den Fachkräftemangel und den Generationenwechsel fehlt es in vielen Betrieben an spezialisierter Expertise. Hinzu kommt der technologische Wandel.

Immer häufiger ersetzen batteriegestützte Systeme klassische Dieselaggregate. Solche Anlagen gelten als kostengünstiger und umweltfreundlicher, erfordern aber aufgrund ihrer komplexen Planung, Einrichtung und Wartung spezifisches Know-how. „Moderne Notstromanlagen sind oft mit weiteren Komponenten der Gebäudetechnik vernetzt. Wenn die Abstimmung zwischen den Gewerken oder die Dokumentation nicht lückenlos funktioniert, steigt das Risiko für Mängel“, sagt Bühler.

Brandmeldeanlagen anfällig durch Wartungs- und Dokumentationsmängel

Auch andere Sicherheitseinrichtungen weisen hohe Mängelquoten auf, wie der „TÜV Baurechtsreport“ zeigt: Bei den wiederkehrenden Prüfungen von Brandmeldeanlagen haben die Sachverständigen im Jahr 2024 bei 20,5 Prozent der Systeme wesentliche Mängel festgestellt – ein Rückgang um 0,8 Punkte im Vergleich zum Vorjahr. Rund 50,8 Prozent der Anlagen hatten geringfügige Mängel, während nur 28,7 Prozent mängelfrei waren. „Nach Einschätzung der Sachverständigen liegt vielen erheblichen Mängeln eine lückenhafte Dokumentation zugrunde. Daneben spielen Versäumnisse im Betrieb der Systeme – etwa fehlende Anpassungen nach Umbaumaßnahmen – eine zentrale Rolle“, erläutert Bühler. Zudem fallen in der Praxis immer wieder Mängel auf, die bereits auf die Planung und Errichtung der Anlagen zurückzuführen sind, was sich unter anderem in einer Fehl-Anordnung von Brandmeldern oder Mängeln in der Leitungsanlage zeigt.

„Rein technische Defekte spielen dagegen eher selten eine Rolle, da moderne Systeme Fehler meist automatisch erkennen und beheben“, sagt Bühler. „Vor allem äußere Faktoren erhöhen die Anfälligkeit. Besondere Umgebungsbedingungen wie heiße Temperaturen, Staub oder Schmutz erhöhen das Risiko für Defekte.“

Gebäudetechnik verantwortungsvoll betreiben, warten und prüfen

Auch insgesamt bleibt die sicherheitsrelevante Gebäudetechnik in Deutschland anfällig: Im vergangenen Jahr prüften TÜV-Sachverständige 70.447 Anlagen. Rund 27 Prozent der Anlagen wiesen wesentliche Mängel auf, weitere 44 Prozent hatten geringfügige Mängel. Lediglich 29 Prozent der geprüften Anlagen wurden nicht beanstandet. Auffällig ist zudem, dass die Quote wesentlicher Mängel bei den erstmaligen Prüfungen vor Inbetriebnahme erneut leicht gestiegen ist, von 18,7 im Jahr 2023 auf 19,7 Prozent 2024.

Prüfungen müssen konsequent genutzt werden

Deutliche Unterschiede zeigen sich zwischen den Anlagentypen: Während Lüftungsanlagen mit 34,8 Prozent wesentlichen Mängeln die höchsten Mängelquoten in dieser Kategorie aufwiesen, schnitten CO-Warnanlagen vergleichsweise gut ab. Bei ihnen waren 57,7 Prozent mängelfrei, der höchste Wert unter allen geprüften Systemen. „Wenn fast drei Viertel der geprüften Anlagen nicht mängelfrei sind, ist das ein ernstes Sicherheitsrisiko. Prüfungen müssen konsequent genutzt werden, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen“, sagt Bühler. „Die Eigentümer und Betreiber der Gebäude sind in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und für eine regelmäßige technische Wartung und Instandhaltung zu sorgen. Nur aus einer Kombination aus regelmäßiger Wartung und unabhängiger Prüfung können wir sicherstellen, dass sicherheitsrelevante Systeme im Ernstfall zuverlässig funktionieren.“

Maurice Shahd

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Investitionsoffensive muss Realität werden – ohne Planungssicherheit keine heimische Rohstoffgewinnung, Beschäftigungssicherung und Konjunkturimpulse

Faire und tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsbedingungen müssen wieder mehr zum Standard werden. Foto: Wohnungswirtschaft heute. / Gerd Warda

Deutschland steckt im größten Sanierungsstau seiner Geschichte: marode Brücken, veraltete Schienennetze, überlastete Straßen sowie baufällige Schulen und Kitas. In den anstehenden Haushaltsberatungen kommt es nun darauf an, den Worten Taten folgen zu lassen und eine echte Investitionsoffensive am Bau zu beschließen. Drei Spitzenverbände der Bau- und Rohstoffwirtschaft warnen jetzt: die Mittel des Sondervermögens dürfen nicht zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden. Gleichzeitig müssen die Probleme der gesamten Wertschöpfungskette mehr Beachtung finden.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin machten die Präsidenten Christian Strunk (MIRO – Bundesverband Mineralische Rohstoffe), Peter Hübner (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie) und der stellvertretende Bundesvorsitzende der IG BAU – Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Carsten Burckhardt, deutlich: Bauen braucht Rohstoffe, schnelle Verfahren, verlässliche Rahmenbedingungen und gute tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsplätze.

MIRO: „Scheine ohne Steine – das darf nicht passieren“

Christian Strunk, Präsident von MIRO, betonte die Dramatik der Lage: „Deutschland braucht jedes Jahr über 500 Millionen Tonnen Gesteinskörnungen – Kies, Sand, Splitte und Schotter. Das ist nach Trinkwasser der zweitgrößte Stoffstrom des Landes. Wir können uns derzeit noch vollständig selbst versorgen. Aber immer mehr Gewinnungsbetriebe müssen schließen, weil Gewinnungsgenehmigungen fehlen. Schon heute drohen regionale Engpässe.“

Strunk forderte: „Die Gewinnung der Gesteinsrohstoffe ist Daseinsvorsorge. Sie muss – wie die Energieversorgung – ins überragende öffentliche Interesse aufgenommen werden. Sonst bleibt der Widerspruch: Milliarden für Bauprojekte, aber keine Steine zum Bauen. Was nützen Scheine ohne Steine?“

HDB: „Es gibt die Zusätzlichkeit nicht. Kein Lerneffekt aus dem Brückeneinsturz“

Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, kritisierte, dass das Sondervermögen zum Stopfen der Haushaltslöcher genutzt wird. „Ich sag es deutlich: Es gibt die versprochene Zusätzlichkeit des Sondervermögens nicht. Stattdessen sehen wir einen Verschiebe-Bahnhof von Investitionsmitteln aus dem Kernhaushalt in andere Bereiche. Der normale Etat schrumpft, die Lücke wird mit dem Sondervermögen aufgefüllt. Die Kassen der Kommunen bleiben klamm, es wird weiterhin zu wenig gebaut, auch um Daseinsvorsorge vor Ort zu gewährleisten. Die Verantwortlichen haben aus dem Dresdner Brückeneinsturz offensichtlich nichts gelernt. Das war anders besprochen, liebe Bundesregierung.“

Hübner weiter: „Wir bauen in Deutschland zu kompliziert, wir bauen zu langsam, wir bauen zu ineffizient. Öffentliche Auftraggeber brauchen deshalb mehr Flexibilität in der Auftragsvergabe, um der Vielfalt an unterschiedlichen Bauvorhaben gerecht zu werden. Und nur so können die Mittel des Sondervermögens sowie alle öffentlichen Investitionen effizient eingesetzt werden. Mit weniger Aufwand, weniger Bürokratie und höherer Kostengenauigkeit.“

Wenn dann endlich gebaut werde, brauche die Branche schnelle Verfahren auch in der Gewinnung der Rohstoffe, damit die Versorgungssicherheit mit heimischen Rohstoffen unkompliziert gewährleistet bleibt.

IG BAU: „Ohne Akzeptanz, Fachkräfte und faire Bedingungen bleibt das Sondervermögen wirkungslos“

Carsten Burckhardt, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU, verwies auf die Beschäftigten, die hinter der Rohstoffgewinnung und Bauwirtschaft stehen: „Es reicht nicht, Milliarden zu beschließen, wenn gleichzeitig die Akzeptanz von Industrie vor Ort fehlt und die notwendigen Rohstoffe nicht genehmigt werden. Corona hat gezeigt: Deutschland ist zu sehr auf Importe angewiesen. Bei Gesteinsrohstoffen sind wir aber resilient aufgestellt. Deutschland kann sich mit Kies, Schotter und Splitt selbst versorgen – wenn die Genehmigungen für die Rohstoffgewinnung umweltgerecht erteilt werden.“

Burckhardt ergänzte: „Wichtig ist zudem, dass die Beschäftigten ordentlich bezahlt werden, deshalb unterstützen wir das Vorhaben der Bundesregierung, ein Bundestariftreuegesetz einzuführen. Dies sollte ohne Wenn und Aber von statten gehen. Für Fachkräfte, die aus dem Ausland gewonnen werden, muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass sie in tarifgebundenen Betrieben angestellt werden. Und die Beschäftigten brauchen faire Arbeitsbedingungen, das heißt, verträgliche Arbeitszeiten mit ausreichenden Ruhepausen. Eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer würde schließlich auch die flächendeckende Einführung eines digitalen Zeiterfassungssystems schaffen. Unternehmer wie Beschäftigte hätten optimale Kontrolle über die geleisteten Arbeitsstunden.“

Gemeinsame Forderungen

Alle drei Verbände sind sich einig: Ohne ausreichende Bauinvestitionen, schnelle Verfahren, eine verlässliche Rohstoffversorgung sowie Investitionen in unsere Beschäftigten wird die Infrastrukturmodernisierung ins Leere laufen. Die Verbände fordern den Deutschen Bundestag daher auf:

  • Eine überjährige, verlässliche Finanzierung öffentlicher Infrastrukturvorhaben einzuführen, die versprochene Zusätzlichkeit des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz in den Gesetzen, auch für die Bundesländer, abzusichern.    
  • die regionale Versorgungssicherheit mit Baurohstoffen durch heimische Gewinnung auch weiterhin zu gewährleisten und diese als Teil der Daseinsvorsorge anzuerkennen,
  • Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte und die Rohstoffgewinnung drastisch zu beschleunigen,
  • dass faire und tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsbedingungen wieder mehr zum Standard werden und
  • dass Fachkräfte, die aus dem Ausland gewonnen werden, zu den geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.

Die Verbände fordern die Bundesregierung weiterhin dazu auf, eine konsistente Infrastrukturstrategie vorzulegen, die alle Aspekte der Wertschöpfungskette, von der Rohstoffgewinnung, über Planung und Bau bis zur Fachkräftesicherung umfasst.

Britta Frischemeyer

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.

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Glasfaser mit Zwang droht – Deshalb jetzt für verlässliche Rahmenbedingungen, Planungs- und Investitionssicherheit handeln

Glasfaser mit Zwang droht – jetzt verlässliche Rahmenbedingungen
Dietmar Schickel, Experte in Sachen Glasfaserausbau: Eine eigene Glasfaser-Strategie und ein selbstbestimmter Ausbau, ist auf jeden Fall gesetzlicher Gängelei vorzuziehen. Foto: DSC

Von Dietmar Schickel

Aktuell hat das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung einen Überblick über die Ausbausituation der Glasfasernetze in Deutschland veröffentlicht. Parallel wurde ein Eckpunktepapier des BMDS bekanntgegeben, in dem Maßnahmen zur weiteren Beschleunigung des Ausbaus, insbesondere der Netzebene 4 („Hausverteilanlagen“), festgelegt werden sollen. Allerdings mit weitreichenden Zugeständnissen für die Glasfaser-Anbieter – Ärger mit der Wohnungswirtschaft ist vorprogrammiert.

Der Bericht zeigt auf, dass der Glasfaserausbau in Deutschland deutlich an Geschwindigkeit gewonnen hat. Bis Mitte 2024 wurde die mögliche Versorgung der privaten Haushalte innerhalb von zwei Jahren auf rund 35,7 Prozent nahezu verdoppelt. Das entspricht einem Zuwachs von 1,8 Millionen Haushalten pro Halbjahr.

Der Großteil der Haushalte ohne Glasfaserversorgung liegt nach wie vor in städtischen (15,1 Mio.) und halbstädtischen Gemeinden (8,9 Mio.). In ländlichen Gebieten sind noch 2,9 Millionen Haushalte unversorgt. Dort soll ein großer Teil der noch nicht angeschlossenen Adressen in absehbarer Zeit weiterhin durch Förderung erschlossen werden.

Ausbau und Mitnutzung gebäudeinterner Infrastruktur

Die gleichzeitig angestrebte Anpassung des Telekommunikationsgesetzes rückt den Ausbau der gebäudeinternen Netze, die sogenannte Netzebene 4 (NE4), in den Vordergrund. Klares Ziel der Bundesregierung ist, dass Mehrfamilienhäuser mit einem Glasfaseranschluss bis in jede Wohnung ausgestattet werden (FTTH „Fiber-To-The-Home“).

Um alle Anschlussziele zu erreichen, beabsichtigt man allerdings den gesetzlichen Rahmen für den Glasfaserausbau in Gebäuden zu erweitern und zudem weiterhin einen offenen Zugang zur NE4 zu forcieren.

Einen anderen Beschleuniger für den Netzausbau hat der Gesetzgeber dagegen bereits realisiert. Um zumindest den Ausbau in Städten und in der Fläche mit weniger verwaltungstechnischen Hemmnissen zu belasten, hat die Bundesregierung beschlossen, dass der Ausbau von Glasfasernetzen künftig „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegt. Kurz nach der Verabschiedung ist das Gesetz bereits am 30. Juli 2025 in Kraft getreten.

Das drei Netze Haus

Bisher sind in der Regel zwei Infrastrukturen im Gebäude vorzufinden – die Telefonleitung („Kupfer-Doppelader“) und das koaxiale Kabel. Beide Infrastrukturen führen in die meisten Wohnungen und sind geeignet für Telefon, Internet und TV und auch zur Übertragung schmalbandiger Daten für die Gebäudetechnik. Bei der Installation der dritten Infrastruktur in Glasfaser ergibt sich damit häufig das Problem, dass eine direkte Nutzung dieser Glasfaser eher zögerlich angenommen wird. Trotzdem sollte der Ausbau auch in diesen Fällen forciert und die Voraussetzungen für einen Wohnungsanschluss mit Glasfaser geschaffen werden. Kupfer-Doppelader und koaxiale Infrastruktur werden bei entsprechendem Bandbreitenbedarf an ihre physikalischen Grenzen stoßen.

Ein jetzt vorgenommener Ausbau mit Glasfaser erfolgt dagegen häufig kostenfrei und sichert auch zukünftig die Versorgung aller Teilnehmer im Haus mit hohen Bandbreiten. Zudem kann durch einen eigenbestimmten Ausbau ein möglicher „Wildwuchs“ der Installation durch unterschiedliche Glasfaser-Anbieter verhindert werden.

Die Zukunft “Glasfaser-Only“

Zurzeit drängen viele neue Anbieter in die Gebäude und bieten einen Glasfaserausbau bis zum Gebäude oder bis in die Wohnungen an. Tatsächlich besteht für Immobilieneigentümer gegenüber allen Anbietern eine Duldungspflicht für den Hausanschluss (§ 134 TKG), und zwar für einen Anschluss der Gebäude an „Netze mit sehr hoher Kapazität“.

  • Hier sind Wohnungsunternehmen häufig unsicher, ob ein solcher Anschluss zu gestatten sei. Allerdings gibt es kaum ein Argument, um einen solchen Anschluss zu verweigern.
  • Hier beabsichtigt der Gesetzgeber zudem eine weitere Verschärfung des TKG, der über die Gestattung des Gebäudeanschluss hinausgeht und faktisch jedem Anbieter, der einen Anschluss realisieren möchte, die Möglichkeit eröffnet einen Vollausbau jeder Wohnung mit Glasfaser vorzunehmen. Ein Eingriff in die Rechte von Eigentümer, die von den wohnungs-wirtschaftlichen Verbänden klar abgelehnt wird!

Der Status Quo

Wie ist dies aber aktuell zu bewerten, wenn ein vorhandener Gestattungsvertrag mit einem klassischen Kabelnetz-Betreiber die Installation eines weiteren „Breitbandnetzes“ untersagt und eine entsprechende Exklusivitätsklausel aufgenommen wurde.

Hier ist auf jeden Fall eine sachgerechte Prüfung vorzunehmen – zumal diese Exklusivität häufig durch einen Hinweis auf die bereits heute geltenden Gesetzeslagen aufgehoben wird. Das heißt, dass sich die Exklusivität faktisch nur auf die koaxiale Infrastruktur bezieht und die Errichtung einer Glasfaser-Infrastruktur bis in die Wohnungen davon nicht tangiert wird, da es jetzt schon jedem Anbieter freisteht, bei Vorliegen eines Teilnehmervertrages seine Leistung in den Räumen des Teilnehmers abzuschließen (§ 77k Abs. 1 a. „Wohnungsstich“).

Das bedeutet, dass der Netzbetreiber eigentlich sein Netz ohne Gestattung des Eigentümers in den Räumen des Teilnehmers abschließen darf – dass dies Irritationen und Unverständnis auf Seiten vieler Eigentümer hervorruft, ist nachvollziehbar, auch wenn sich dies nur auf einen einzelnen Wohnungsanschluss bezieht. Eine gesetzliche Regelung, die bei Vorliegen nur eines Vertrags bereits einen Vollausbau gestattet, ist schlichtweg eine Unmöglichkeit!

Hier hilft eine sachgerechte Beratung, dies zu verhindern oder in die richtigen Bahnen zu lenken. Der Anschluss eines einzelnen Teilnehmers macht eigentlich keinen Sinn, da der Aufwand, sich regelmäßig mit einer solchen Installationsfreigabe zu beschäftigen, dauerhaft zu einer höheren Belastung führt und eigentlich mit sonstigen Aufgaben genug zu tun ist. Also wäre ein sofortiger Komplettausbau auf jeden Fall sinnvoller als ein regelmäßig bedarfsgetriebener Ausbau, der zudem mit einem Glasfaser-Anbieter vereinbart werden kann – zumal jetzt noch attraktive Konditionen und Vertragsbedingungen vereinbart werden können, und zwar unabhängig von bereits bestehender Infrastruktur.

Eine eigene Glasfaser-Strategie und ein selbstbestimmter Ausbau, ist auf jeden Fall gesetzlicher Gängelei vorzuziehen.

Schwarze Schafe im Glasfaser-Haustürvertrieb

Wo Licht ist, ist auch Schatten – manche Netzbetreiber gehen derzeit sehr aggressiv bei der Vermarktung von Glasfaser vor. Viele Wohnungsunternehmen stehen dann vor der Herausforderung, wie man die eigenen Mieter und das Unternehmen vor solchen dubiosen Methoden schützt. Experten empfehlen: Setzen Sie klare Spielregeln für den Haustürvertrieb und informieren Sie Ihre Mieter rechtzeitig!

Die TK-Branche schaut dem Treiben nicht tatenlos zu. Ein branchenweiter Haustürkodex sorgt für Transparenz und Vertrauen und sortiert sehr schnell die schwarzen Schafe im Vertrieb aus. Das Interesse von vielen Mietern ist zudem unabhängig von Vertriebsmaßnahmen gegeben und sorgt für Entscheidungsdruck, sodass der Glasfaserausbau sowieso auf der Tagesordnung vieler Immobilien-unternehmen steht.

Zeit zu handeln

Es ist davon auszugehen, dass neben dem spürbaren „Mieterdruck“ auch die avisierten gesetzlichen Vorhaben zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes weitgehend umgesetzt werden. Inwiefern die an das Ministerium versandten Brandbriefe der Verbände eine positive Anpassung zu Gunsten der Wohnungswirtschaft bewirken, bleibt abzuwarten.

Sicher ist nur, dass selbstbestimmtes Handeln aktuell die beste Option darstellt einen Glasfaseranschluss für die eigenen Liegenschaften zu realisieren, statt abzuwarten. Ausgehandelte verlässliche Rahmenbedingungen, Planungs- und Investitionssicherheit sind auf jeden Fall einem Regulierungszwang vorzuziehen.

Dietmar Schickel, Jahrgang 55, gehört zu den Männern der ersten Stunde im deutschen Kabel-TV-Geschäft.  Nach seiner langjährigen Geschäftsführung beim Kabelnetzbetreiber Tele Columbus feiert er mit seinem Beratungsunternehmen DSC Dietmar Schickel Consulting bereits letztes Jahr 10jähriges Firmenjubiläum. Mit mittlerweile 20 Partnern bietet man für Immobilienunternehmen aller Art unter anderem in Sachen Glasfaserausbau und Klima & Energie Themen Beratungsleistungen bei Angebotsabfragen und Ausschreibungen an (www.schickel.de).

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