Mieterstrom + E-Mobilität: Wenn das Dach alleine nicht mehr reicht

Warum sich Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern wirtschaftlich oft erst mit Ladepunkten und integrierter Abrechnung rechnet.

Im Panel zu Mieterstrom und E-Mobilität stellt SmartRED seine Sicht auf wirtschaftliche Mieterstromprojekte vor. Der zentrale Punkt: Reine Strombelieferung der Mieter aus PV-Anlagen greift zu kurz. Erst in Kombination mit Ladeinfrastruktur und durchdachter Abrechnung werde das Geschäftsmodell wirklich tragfähig.

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COO Julius Lattmann positioniert SmartRED explizit als Technologielieferant. Installationsbetriebe bauen PV und Ladepunkte, Abrechnungsdienstleister kümmern sich um die kaufmännische Seite. Die Wohnungswirtschaft steht genau zwischen diesen Akteuren, als Inhaberin der Dächer, Flächen und Kundenschnittstelle.

Die Herausforderungen

1. Zeitversatz zwischen PV-Erzeugung und Verbrauch

  • PV-Anlagen liefern ihre höchste Leistung mittags. Viele Bewohner sind in dieser Zeit nicht zu Hause; der direkte Eigenverbrauch im Gebäude bleibt begrenzt.
  • Ohne zusätzliche Verbrauchslasten wie E-Mobilität läuft ein Teil der Erzeugung in die (vergleichsweise schlecht vergütete) Einspeisung.

2. Netzanschluss-Engpässe bei Ladeinfrastruktur

  • Bestehende Hausanschlüsse sind nicht beliebig belastbar.
  • Die Nachrüstung mehrerer Wallboxen kann ohne Lastmanagement oder technische Anpassungen zu Engpässen führen.

3. Komplexe Abrechnungssituationen

  • Strom aus der PV-Anlage für Mieter, zusätzlich Ladestrom für private und öffentliche Ladepunkte sowie Dienstwagen – alles muss rechtskonform und steuerlich sauber abgerechnet werden.
  • Ohne passende IT-Systeme droht hoher manueller Aufwand, der die Wirtschaftlichkeit auffrisst.

4. Politische und regulatorische Unsicherheit

  • In der Präsentation wird auf die mögliche „Verpflichtung zur Direktvermarktung“ bei Abschaffung der festen Einspeisevergütung verwiesen.
  • Steigende Netzkosten, reduzierte Planungssicherheit, Marktpreisrisiken und zusätzliche Technikkosten trüben die Kalkulation.

5. Unsichere Erlössituation klassischer Einspeiseanlagen

  • Beispielhaft wird eine Einspeisevergütung von rund 7,86 ct/kWh genannt – zu wenig, um auf dieser Basis allein ambitionierte Investitionsprogramme zu tragen.

Der Lösungsansatz

SmartRED beantwortet diese Herausforderungen mit einem konsequent integrierten Ansatz:

1. Mieterstrom als Basis – E-Mobilität als Rendite-Booster

Die Präsentation zeigt eine gestufte Erlöslogik:

  • Einspeisung ins Netz: ca. 7,86 ct/kWh.
  • Mieterstrom im Gebäude: beispielhaft rund 22 ct/kWh.
  • PV-Ladestrom für Bewohner an privaten Ladepunkten: ca. 30 ct/kWh.
  • Öffentlicher PV-Ladestrom an frei zugänglichen Ladepunkten: bis zu etwa 40 ct/kWh.

Die Botschaft: Wer die PV-Anlage nur als Einspeiseanlage oder reinen Mieterstrom betrachtet, lässt mögliche Mehrerlöse durch Ladeinfrastruktur liegen.

2. Technologielieferant statt Voll-Dienstleister

SmartRED sieht sich nicht als klassischer Beratungs- oder Vollversorger, sondern als Technologieanbieter:

  • Software & Hardware für Mieterstromprojekte,
  • Backend-Lösungen für private Wallboxen und öffentliche Ladepunkte,
  • Schnittstellen für Dienstwagenabrechnung und automatisiertes Debitorenmanagement.

Rund 300 Installationspartner setzen laut Vortrag Projekte um: sie bauen PV-Anlagen und Ladepunkte, rechnen aber meist nicht selbst ab.

3. Kooperation mit Abrechnungsdienstleistern und Wohnungswirtschaft

  • Abrechnungsdienstleister übernehmen die kaufmännische Abwicklung, inklusive Tarifierung, Rechnungsstellung und Mahnwesen.
  • Für die Wohnungswirtschaft entsteht die Möglichkeit, ein integriertes Strom- und Ladeangebot unter einem Dach anzubieten, ohne selbst sämtliche Marktrollen übernehmen zu müssen.

Warum das wichtig ist

  • Dekarbonisierung und Verkehrswende wachsen zusammen: Gebäude- und Mobilitätssektor werden politisch zunehmend gekoppelt. Wer heute PV und Ladeinfrastruktur getrennt denkt, verbaut sich künftige Optionen.
  • Wirtschaftlichkeit entscheidet über die Menge an PV im Bestand: Reine Einspeiseanlagen geraten durch politische Diskussionen und Marktrisiken unter Druck. Zusatzerlöse über Ladeinfrastruktur können helfen, Projekte tragfähig zu machen.
  • Mietererwartungen steigen: Ladepunkte am Wohnort werden immer häufiger als Standortfaktor wahrgenommen, gerade bei jüngeren Zielgruppen und Pkw-Flottennutzern.
  • Planungssicherheit braucht robuste Geschäftsmodelle: Wenn Förderkulissen und Netzentgelte schwanken, sind flexible, mehrstufige Erlösmodelle ein Risikoausgleich.

Einordnung für die Wohnungswirtschaft

Chancen

  • Höhere Dachauslastung und bessere Rendite: Durch zusätzliche Ladepunkte lassen sich mehr Volllaststunden des PV-Systems im Eigenverbrauch erzielen, was die kalkulierte Rendite verbessern kann.
  • Attraktivere Objekte: Ladeinfrastruktur am Wohnort ist ein Vermietungsargument insbesondere in städtischen Lagen ohne private Garagen.
  • Kooperationsmodell statt Eigenbetrieb: Wohnungsunternehmen können sich auf ihre Kernrolle fokussieren und Technik, Installation und Abrechnung in Partnerschaften organisieren.

Voraussetzungen

  • Tragfähiges Mess- und Abrechnungskonzept: Für Strom- und Ladetarife sind eichrechtskonforme Messung, transparente Tarifierung und eine saubere Trennung privater, betrieblicher (Dienstwagen) und öffentlicher Nutzung notwendig.
  • IT-Integration: Schnittstellen zwischen Messdienst, Backend-Systemen, ERP/Immobilienverwaltung und ggf. Flottenmanagement sind entscheidend, um manuelle Prozesse zu vermeiden.
  • Regulatorische Prüfung: Themen wie Direktvermarktung, Netzentgelte, steuerliche Behandlung von Ladeleistungen und Dienstwagenpauschalen müssen im Einzelfall geprüft werden.

Risiken und Grenzen

  • Politische Änderungen (z. B. im EEG oder bei Netzentgelten) können die Wirtschaftlichkeit verschieben.
  • Nicht jedes Haus ist netztechnisch ohne weitergehende Maßnahmen für eine größere Zahl an Wallboxen geeignet.
  • Das Geschäftsmodell erfordert klare Vereinbarungen zwischen Eigentümern, Verwaltern, Dienstleistern und ggf. Flottenbetreibern.

Was jetzt zu tun ist

Checkliste für Entscheider:innen

  1. Bestand analysieren
    • Wo gibt es passende Dächer und Stellplätze (Tiefgarage, Hof, Parkdeck)?
    • Welche Standorte haben bereits E-Mobilitätsbedarf (Dienstwagen, Mieterstruktur)?
  2. Netzanschluss prüfen
    • Hausanschlussleistung und Reserven prüfen.
    • Bedarf an Lastmanagement oder Netzverstärkung klären.
  3. Mieterstrom + E-Mobilität gemeinsam planen
    • PV-Anlage und Ladepunkte als ein Gesamtprojekt denken.
    • Szenarien für Eigenverbrauch, Einspeisung und Ladetarife durchrechnen.
  4. Rollen & Partner festlegen
    • Wer installiert PV und Ladepunkte?
    • Wer liefert Backend / Technologielösung?
    • Wer übernimmt Abrechnung und Debitorenmanagement?
  5. Rechtliche und steuerliche Fragen klären
    • Vertragsmodelle für Mieter, externe Nutzer (öffentlich) und Dienstwagen prüfen.
    • Datenschutz und IT-Sicherheit berücksichtigen.
  6. Pilotprojekt starten
    • Ein Objekt mit klarer Struktur auswählen.
    • Prozesse testen, Feedback von Bewohnern und Dienstleistern einholen.
  7. Skalierungsstrategie entwickeln
    • Kriterien für weitere Standorte definieren (Auslastung, Nachfrage, Netzzugang).
    • Standardisierte Projekt- und Vertragsvorlagen aufbauen.

Praxisnutzen / Beispiele aus dem Vortrag

Im Vortrag wurde deutlich: SmartRED setzt in der Praxis bereits stark auf die Kombination aus Mieterstrom und Ladeinfrastruktur – nach eigenen Angaben laufen rund 80 % der Mieterstromprojekte in Verbindung mit Wallboxen. PV-Anlage und Ladepunkte werden gemeinsam geplant, und die höheren Erlösmöglichkeiten aus Ladestrom sollen helfen, die Gesamtanlage zu finanzieren.

Für die Wohnungswirtschaft heißt das: Statt „nur“ PV-Strom an Mieter zu verkaufen, können zusätzliche Geschäftsmodelle rund um private und öffentliche Ladepunkte entstehen, vorausgesetzt, Messung und Abrechnung sind professionell organisiert.

Mieterstrom im Mehrfamilienhaus ist in der Praxis mehr als ein Tarifprodukt, er wird zum Baustein eines integrierten Energie- und Mobilitätskonzepts. Der im Panel vorgestellte Ansatz von SmartRED zeigt, wie PV-Anlagen, Ladepunkte und Abrechnungssysteme technisch und wirtschaftlich zusammengedacht werden können.

Für Wohnungsunternehmen kann ein solches Modell interessant sein, wenn:

  • der Standort genug Potenzial für Ladeinfrastruktur bietet,
  • Netzanschluss und Messkonzept sauber geplant sind und
  • starke Partner für Technik, Installation und Abrechnung zur Verfügung stehen.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Mieterstrom im Mehrfamilienhaus leidet unter typischen Problemen: PV-Erzeugung mittags, Verbrauch abends, Netzanschluss-Engpässe und komplexe Abrechnungsfragen.
  • SmartRED argumentiert im Panel: „Mieterstrom ohne Ladepunkte ist nicht einmal die halbe Miete“: ohne E-Mobilität bleibt viel PV-Potenzial ungenutzt.
  • Politische Diskussionen um Einspeisevergütung, Direktvermarktung und steigende Netzkosten verringern Planungssicherheit.
  • Das Geschäftsmodell setzt auf Renditesteigerung durch gestufte Vermarktung: Einspeisung, PV-Strom für Mieter, PV-Ladestrom an private und öffentliche Ladepunkte.
  • Technisch bietet SmartRED eine kombinierte Plattform für Mieterstrom, Wallboxen, öffentliche Ladepunkte und automatisiertes Debitorenmanagement.
  • Installationspartner bauen PV und Ladepunkte, Abrechnungsdienstleister übernehmen die kaufmännische Seite – ein Modell, das gezielt Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft sucht.
  • Für Entscheider:innen entscheidend: Messkonzept, Marktrollen, IT-Schnittstellen und regulatorischer Rahmen müssen sauber geklärt werden, bevor größere Roll-outs starten.

Glossar

  • Mieterstrom
    Strom aus einer PV-Anlage auf oder an einem Gebäude, der direkt an die Bewohner geliefert wird – meist zu einem vergünstigten Tarif im Vergleich zum Haushaltsstrommarkt.
  • Einspeisevergütung
    Vergütung, die Betreiber von PV-Anlagen für ins öffentliche Netz eingespeisten Strom erhalten. In der Präsentation beispielhaft mit rund 7,86 ct/kWh hinterlegt.
  • Direktvermarktung
    Vermarktungsform, bei der Strom nicht mehr über eine feste Einspeisevergütung, sondern über Strombörsen oder Direktvermarkter verkauft wird. Mit entsprechenden Marktpreisrisiken.
  • Wallbox / Ladepunkt
    Ladestation für Elektrofahrzeuge; kann privat (für einzelne Nutzer) oder öffentlich zugänglich betrieben werden.
  • PV-Ladestrom
    Ladestrom für Elektrofahrzeuge, der ganz oder teilweise aus einer lokalen PV-Anlage stammt. In der Präsentation werden höhere Beispielpreise für diesen Strom gezeigt als für reinen Mieterstrom.
  • Dienstwagenabrechnung
    Abrechnung von Ladevorgängen für dienstlichen Fahrzeuggebrauch, z. B. bei Firmenwagen, inklusive korrekter Zuordnung zu Arbeitgeber und Mitarbeiter.
  • Debitorenmanagement
    Organisation der Forderungen eines Unternehmens: Rechnungsstellung, Zahlungseingang, Mahnwesen (im Kontext von Mieterstrom und Ladepunkten idealerweise weitgehend automatisiert).
  • Lastmanagement
    Steuerung von Ladeleistungen am Gebäudeanschluss, um Engpässe zu vermeiden und den vorhandenen Netzanschluss optimal zu nutzen.

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Autor: Redaktion Wohnungswirtschaft Heute – HEIKOM-Sonderausgabe 2025

Fotos: DEUMESS – Frank Schütze / Fotografie Kranert

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