Gestern Lage, heute Energieeffizienz! Ein Fokuswechsel

Nach einer langen Phase hoher Preise ist der Immobilienmarkt in den letzten Monaten in Bewegung geraten. Viele private und institutionelle Investoren sind vorsichtiger geworden und haben ihre Entscheidungskriterien den veränderten Marktbedingungen angepasst. Während früher vor allem die Lage über den Preis einer Immobilie entschied, sind neue Faktoren hinzugekommen.

Studie zeigt Fokus auf Dekarbonisierung und ESG-Daten

Institutionelle Investoren setzen in der aktuellen Marktsituation verstärkt auf sogenannte Green Assets. Das ist das Ergebnis einer Studie der Patrizia AG, für die weltweit 120 Kapitalanleger befragt wurden.

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Die Befragung hat ergeben, dass eine Mehrheit der institutionellen Investoren im Rahmen ihrer Wertschöpfungsbemühungen verstärkt auf ein intelligentes Asset Management setzt und sich dabei vor allem auf Dekarbonisierung konzentriert.

Ziel ist dabei die Umstellung auf erneuerbare Energien in den Bereichen Strom- und Wärmeversorgung, sowie die Stärkung von ESG-Features innerhalb des Gebäudesektors. Darüber hinaus wird ein Großteil der Befragten in den nächsten fünf Jahren einen Schwerpunkt auf Value-Add-Strategien legen, die Objekte mit vergleichsweise niedrigem Marktwert priorisieren.

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Zunahme im Bereich „Brown to Green“-Projekte

Rund 85 Prozent glauben an eine Zunahme im Bereich „Brown to Green“-Projekte und 66 Prozent der Investoren gehen davon aus, dass sie in Zukunft mehr in den Bereich Modernisierung investieren werden. ESG-Kriterien sind aus der Immobilienanlage nicht mehr wegzudenken. Fast 90 Prozent aller Investoren nutzen ESG-Daten für ihre Investments, für 70 Prozent sind ESG-Kriterien ein wichtiger Bestandteil des Investmentprozesses.

Das schwierige Marktumfeld hat viele Investoren dazu veranlasst, bei ihrer Immobilienallokation vorsichtiger zu agieren. So plant mehr als die Hälfte der Befragten, den aktuellen Immobilienanteil im Portfolio in den nächsten fünf Jahren unverändert zu lassen. Grundsätzlich bleiben Logistik- und Wohnimmobilien die bevorzugten Anlageobjekte, in die über 20 Prozent der von Patrizia befragten Anleger investieren wollen.

Die Studie deutet darauf hin, dass sich daraus im Wesentlichen zwei Pole ergeben: unsanierte, energieineffiziente Gebäude mit hohem Optimierungspotenzial, aber niedrigen Preisen und energieeffiziente Gebäude mit hohen Preisen und geringen ökologischem Entwicklungspotential.

Warum sich Warten nicht immer lohnt

Zur finanziellen Entlastung bei Immobilieninvestitionen greifen viele private Investoren auf staatliche Fördermittel zurück. Was für private Investoren sinnvoll ist, kann für institutionelle Investoren hinderlich sein. Denn: Die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel führt immer zu einer Abhängigkeit von staatlichen Akteuren (Behörden, Ministerien, Verwaltung etc.), die den eigenen Entscheidungsspielraum einschränken kann. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen auf Investitionen.

Beispiele?

Das Warten auf staatliche Fördermittel führt in vielen Fällen zu Verzögerungen. Wenn dringend benötigte Finanzmittel noch nicht freigegeben sind, kann sich der Baubeginn von Großprojekten hinauszögern. Diese Verzögerung wirkt sich in fast allen Fällen negativ und mit hohen Kosten auf den gesamten Zeitplan aus. Büros, Hotels, Wohngebiete können nur mühsam entstehen.

Die Nichteinhaltung von Fristen wird heute nicht selten mit hohen Konventionalstrafen geahndet. Auch Schadensersatzansprüche sind möglich. Zudem sind an einem Bauprojekt verschiedenste Handwerksbetriebe beteiligt, die bei Verzögerungen ihre Personalplanung komplett umstellen müssen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten müssen unter Umständen ebenfalls von den Investoren getragen werden.

Darüber hinaus kann die Inanspruchnahme staatlicher Fördermittel den Wettbewerbern signalisieren, dass man selbst zögerlich und damit weniger wettbewerbsfähig ist.

Heterogenes Investieren: Erfolgsfaktor Diversifizierung

Gerade in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten sind Anleger gut beraten, ihr Portfolio möglichst breit zu streuen. Das gilt auch für Immobilienanlagen. Am besten diversifiziert man in einem kontinuierlichen Prozess über mehrere Segmente und Regionen, um den Inflationsdruck zu mindern und den Werterhalt zu sichern. Zudem kann die regelmäßige Suche nach neuen Investments zu einer guten Positionierung beitragen.

Bisher nicht besetzte Segmente wie Büroimmobilien mit flexibel nutzbaren Raumkonzepten, Gesundheits- und Gewerbeimmobilien in guten Lagen, Logistikimmobilien sowie moderne Forschungszentren oder Technologieparks haben die schwierige Zeit der Corona-Pandemie überstanden und bieten institutionellen Investoren gute Renditechancen. Vor allem der Bereich Private Debt kann hier das Portfolio aus festverzinslichen Anlagen, auf das sich institutionelle Investoren bisher konzentriert haben, ergänzen oder sogar ersetzen. Sie profitieren von möglichen Zusatzerträgen bei geringer Volatilität und müssen mit geringen Verlustraten rechnen.

Neudefinitionen von Markt und Branche?

Die veränderte Marktsituation macht eine Neudefinition des Marktumfeldes in Teilen notwendig. Wie bereits eingangs erwähnt, war in der Vergangenheit vor allem die Lage einer Immobilie der Haupt-Entscheidungsfaktor für eine Investition. Heute ist in vielen Fällen die Frage der Energieeffizienz einer Immobilie von vergleichbar großer Bedeutung. Immer mehr Investoren legen bei Immobilientransaktionen großen Wert auf eine möglichst hohe Energieeffizienz, da dies nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leistet, sondern auch die laufenden Energiekosten senkt.

Aus diesen Gründen ist der Energieausweis die neue „Lage“, auf deren Grundlage sie sich für oder gegen eine Investition entscheiden. Ein weiterer Faktor, den Investoren heute verstärkt in ihre Entscheidung einbeziehen, sind die Kosten der Baumaterialien, die im Vorfeld einer möglichen Immobilieninvestition berücksichtigt werden müssen.

Fazit: Immobilienmarkt bleibt vorerst auf Prüfstand

Zugegeben, der Immobilienmarkt gestaltet sich derzeit komplexer, vieles muss neu bewertet oder neu definiert werden. Dennoch sind Immobilien nach wie vor ein lohnendes Investment und können zum Werterhalt von Vermögen beitragen. Unabhängig davon, ob Kapitalanlage oder Eigennutzung geplant ist. Wer als institutioneller Investor Ruhe bewahrt, renditestarke Objekte oder Projekte sucht, neue Faktoren wie Energieeffizienz oder ESG-Kriterien berücksichtigt und ausreichend diversifiziert, kann sich auch in turbulenten Marktphasen langfristig stabile Renditen sichern.

Florian Bauer

Über den Autoren:  

Der gelernte Bankkaufmann und studierte Immobilienökonom aus Köln, Florian Bauer, ist seit 2008 in der Finanzbranche aktiv. 2018 gründete er die Bauer Immobilien GmbH. Operativ agiert das Unternehmen bundesweit und richtet sich vor allem an private Kapitalanleger. Ziel der Kölner ist es, ihre Kunden beim Kauf von Immobilien in allen Belangen zu unterstützen und zu beraten.  

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