Alle reden vom Klimawandel. Doch so schlimm der auch ist, es handelt sich dabei bei weitem nicht um das einzige schwerwiegende Umweltproblem des Planeten Erde. Es gibt viele andere gravierende Themen, die es selten in die Schlagzeilen schaffen und doch enorme negative Auswirkungen haben.
ROBERT TEMEL
Eines der wichtigsten Themen ist die Überdüngung bzw. Eutrophierung von Gewässern, insbesondere der Meere, die heute weltweit 80 Prozent der marinem Ökosysteme betrifft. In vielen Meeresregionen entstehen Totzonen, wo es keinen Sauerstoff mehr gibt. Der Grund dafür ist der Eintrag von Nährstoffen, vor allem Stickstoff und Phosphor, die Hauptbestandteile von Düngemittel, die allerdings vorwiegend durch unbehandeltes Abwasser in die Meere gelangen.
Es geht also um Urin, der nicht in die Gewässer gelangen soll, wohl aber als hochwertiger Dünger in der Landwirtschaft dienen könnte. Leider landet dieser Urin heute, vermischt mit Fäkalien und Spülwasser, im besten Fall in eine Kläranlage, wo die Trennung von den übrigen Bestandteilen technisch aufwendig und teuer ist. Die enorme Wiener Kläranlage in Simmering zum Beispiel entfernt weniger als 80 Prozent des Stickstoffanteils aus den Abwässern.
Toiletten für die Welt
Das Wiener Designstudio Eoos, gegründet von Harald Gründl, Martin Bergmann und Gernot Bohmann, befasst sich schon seit langem mit sozialem und nachhaltigem Design. Vor zwei Jahren wurde schließlich Eoos Next initiiert, um sich in diesem Bereich zu spezialisieren. Die Möglichkeit, sich mit dem Urinproblem zu befassen, bekam Eoos durch die Bill & Melinda Gates Foundation, wie Harald Gründl schildert, und zwar nicht wegen der Eutrophierung. Die Anforderung der Foundation war ein hygienisch einwandfrei funktionierendes WC-Modell, das ohne Infrastruktur auskommt und so jenen mehr als 2,5 Milliarden Menschen hilft, die heute keinen Zugang zu sicheren Sanitäreinrichtungen haben.
Der besondere Ansatz von Eoos war die Urinseparation – ein Thema, auf das sie im Zusammenhang mit der Überdüngung gestoßen waren. Bereits seit den 1990er- Jahren, so Gründl, gibt es einschlägige Modelle, vor allem in Skandinavien, die allerdings schlecht funktionieren. In der Linzer Solar City wurden beispielsweise Anfang der 1990er-Jahre Trenn-Toiletten eingebaut, diese waren bei den Bewohnern so unbeliebt, dass sie mittlerweile ausgetauscht wurden.
Teekannenprinzip
Eoos stellte sich die Aufgabe, einen einfach und wartungsarm funktionierenden Weg zu finden, wie der Urin von Fäkalien und Wasser getrennt und eingefangen werden kann, und mit Unterstützung der Stiftung waren sie damit erfolgreich. Der Ansatz nennt sich „Teekannenprinzip“ und ist eigentlich unerwünscht: Wenn man mit zu wenig Schwung oder aus einer falsch geformten Teekanne Flüssigkeit gießt, rinnt sie an der Außenseite des Schnabels entlang, statt in der Tasse zu landen.
Genauso funktioniert das WC „save!“ von Laufen, das von Eoos entwickelt wurde und mittlerweile als Standardprodukt am Markt erhältlich ist. Der langsam fließende Urin läuft in die „Urinfalle“ und wird durch ein eigenes Rohrsystem abgeleitet, der Rest landet wie üblich im Abwasser. Das Gates-WC wurde unter dem Titel „Blue Diversion“ bis ins Prototypstadium entwickelt und wartet auf die Massenproduktion, das Laufen-WC kann jeder erwerben. Aber nun geht es um den Masseneinsatz.
Grünblaue Gebäudeinfrastruktur
Dafür startete dieses Jahr ein von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstütztes Forschungsprojekt, wie Gründl berichtet. Neben Eoos und Laufen sind mit dabei: GrünStattGrau, weil die Kombination mit Fassadenbegrünung untersucht werden soll; das Institute of Building Research & Innovation, das sich mit technischen Fragen wie Wärmerückgewinnung befasst, und der Bauträger Arwag, der das „save!“-WC erstmals in großem Stil in ein Wohngebäude integriert.
Ein Versuchsbau in Wien, in der Adolf-Blamauer- Gasse im Areal Village im Dritten, geplant von Gerner Gerner plus, wird künftig 36 „save!“-Toiletten enthalten, die den Urin über ein eigenes Leitungssystem abführen und im Keller sammeln, von wo die Flüssigkeit weitertransportiert werden kann…