Bei sachlichem Grund – Vermieter darf in die Wohnung

Es besteht eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Wohnraummieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt.

Der Vermieter hat ein Besichtigungsrecht der Wohnung, wenn ein konkreter sachlicher Grund vorliegt (BGH, Urteil vom 26.04.2023 – VIII ZR 420/21).

Der Wunsch des Vermieters auf Besichtigung der Mietwohnung ist (bei berechtigten Gründen wie z. B. einem geplanten Verkauf der Wohnung oder zwecks geplanter anderweitiger (Anschluss-) Vermietung nach Beendigung des Mietverhältnisses) nachvollziehbar, führt aber häufig zu Streit mit dem Mieter. Der Mieter seinerseits verweigert in vielen Fällen die Besichtigung der Mietwohnung, sei es aus Zeitgründen, aus Krankheitsgründen oder weil er vielleicht einfach die Wohnung nicht vorzeigen will.

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Auch vorliegend kam es zum Streit wegen einer vom Vermieter gewünschten Besichtigung der Mietwohnung.

In dem vorliegenden Fall wurde im geschlossenen Formularmietvertrag in § 14 unter anderem folgende Regelung aufgenommen:

„Betreten der Mieträume
1. Dem Vermieter oder seinem Beauftragten oder beiden steht aus besonderem Anlass (insbesondere im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses zwecks anderweitiger Vermietung oder bei beabsichtigtem Verkauf der Mietsache) die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen (auch samstags) frei. …“

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Die Vermieter forderten die Mieterin auf, ihnen den Zutritt zu der Wohnung in Begleitung von Immobilienmaklern und Kaufinteressenten zu gestatten. Dies lehnte die Mieterin aufgrund ihrer schwerwiegenden psychischen Erkrankung ab.

Aufgrund der Klage der Vermieter auf Gewährung von Zutritt zur Wohnung verurteilte das Amtsgericht Hersbruck die Mieterin, „den Vermietern oder einer von ihnen mit schriftlicher Bevollmächtigung ausgestatteten Person (Makler oder Kaufinteressent) nach schriftlicher, zeitlich mindestens eine Woche vor dem Termin liegender Ankündigung, in dem Zeitraum von 10:00 bis 18:00 Uhr Zutritt zu der Mietwohnung, beschränkt auf die Anwesenheit von maximal zwei Personen für die Dauer von maximal 45 Minuten, zu gewähren.“

Die Mieterin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die (ursprüngliche) Klage der Vermieter abgewiesen.

Die von den Vermietern eingelegte Revision hatte Erfolg und die Angelegenheit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (Landgericht) zurückverwiesen worden.

Zwar sei es nach dem BGH zu berücksichtigen, wenn dem Mieter durch das Betreten der Wohnung Gesundheitsgefahren bis hin zu einer Lebensgefahr (Selbsttötung) drohten. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung jedoch damit begründet, dass das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen zu einer möglichen Vertretung der Mieterin bei der Besichtigung der Wohnung durch eine Vertrauensperson oder einen Rechtsanwalt und das damit geringere Risiko für gesundheitliche Komplikationen nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Vermieter aus der mietvertraglichen Vereinbarung (§ 14 des Mietvertrages) und aus einer mietvertraglichen Nebenpflicht gemäß § 242 BGB in bestimmtem Maße und zu bestimmten Zwecke ein Zutrittsrecht zur Wohnung der Mieterin haben.

Gleichzeitig hat die Mieterin das Recht ungestört in der gemieteten Wohnung zu wohnen (Art. 13 Abs. 1 GG), ein Besitzrecht an der Wohnung während der Mietzeit (Art. 14 Abs. 1 GG) und das von staatlichen Organen zu beachtende Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).

Es ist in solchen Fällen also eine Abwägung der widerstreitenden Interessen durchzuführen, die hier vom Landgericht aber nicht ausreichend durchgeführt worden ist.

Anmerkung:

Für die Praxis ist anzumerken, dass grundsätzlich mietvertraglich die Interessen des Vermieters bei Vorliegen eines konkreten sachlichen Grundes zur Besichtigung überwiegen werden und dass somit ein Recht zur Besichtigung der Wohnung besteht, wenn die Ankündigungsvoraussetzungen und der sachliche Grund (z. B. geplanter Verkauf der Wohnung oder aber auch geplante Instandsetzungsmaßnahmen innerhalb der Wohnung) vorliegen und eingehalten werden.

Problematisch kann es dann werden, wenn – wie hier – der Mieter ernsthafte gesundheitliche Gründe darlegen und nachweisen kann, wegen derer er die Besichtigung nicht zulassen will. Auch dabei ist aber – siehe der hier vorliegende BGH-Fall – immer zu berücksichtigen, ob das Besichtigungsrecht des Vermieters durch geeignete Maßnahmen (z. B. Besichtigung in Abwesenheit des Mieters, der sich dann seinerseits durch eine Vertrauensperson vertreten lässt) durchführbar ist.

Das wird oftmals der Fall sein. 

Hinzu kommt, dass eine bloße – kurze – Besichtigung weniger einschneidend für den Mieter ist als die Räumung der Mietwohnung nach Beendigung des Mietvertrags. Selbst bei einer Räumung der Mietwohnung sind aber hohe Anforderungen an die Härtegründe des Mieters zu stellen, mit denen er eine bevorstehende Räumung-zumindest zeitweilig- verhindern kann. Es ist also nachvollziehbar, dass eine bloße Besichtigung der Mietwohnung, wenn sie denn aus berechtigtem Grund befolgt und ordnungsgemäß angekündigt ist- vom Mieter nur selten erfolgreich verhindert werden kann und in den meisten Fällen zu dulden sein wird.

Dr. Kai Mediger
Rechtsanwalt und Justiziar

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