Mietvertragskündigung wegen mangelhafter Mülltrennung möglich?

AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 24.02.2023 – 533 C 159/22

Die Vermieterin mahnte die Mieterin wegen vermeintlich unterlassener Mülltrennung ab und kündigte knapp 6 Wochen später das Mietverhältnis wegen der Verletzung der Pflicht zur Mülltrennung.

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Streitigkeiten rund um das Thema „Müll“ oder „Müllentsorgung“ treten zwischen Vermieter und Mieter immer wieder in verschiedenen Facetten auf. Im vorliegenden interessanten Fall aus Hamburg vor dem AG Hamburg-Blankenese kündigte der Vermieter das Mietverhältnis mit dem Mieter (nach vorheriger zweifacher Abmahnung) fristlos, hilfsweise ordentlich, wegen der Verletzung der Pflicht zur Mülltrennung, und erhob dann Räumungsklage vor dem AG Hamburg-Blankenese. Die Klage des Vermieters auf Räumung wurde jedoch (m. E. zu Recht) abgewiesen.

Der Sachverhalt gestaltet sich wie folgt:

Die Beklagte mietete seit dem 1.10.2021 von der Klägerin eine 1-Zimmerwohnung in Hamburg. In § 18 in Verbindung mit § 30 des Mietvertrages ist die Verpflichtung zur Mülltrennung wie folgt konkretisiert: „Es gilt eine Pflicht zur Mülltrennung durch den gelben Sack, sowie Altglas – und Papier-Container. Diese ist einzuhalten. Gelbe Säcke erhalten Sie unter http://www.st…-hh.de

Die Parteien stritten über die Frage, ob die Beklagte der Verpflichtung zur Mülltrennung nachkommt.

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Mit Schreiben vom einen 21.6.2022 (Anlage K 4) mahnte die Klägerin die Beklagte im Hinblick auf unterlassene Mülltrennung ab und erklärte, die Beklagte entsorge seit Monaten ihre PET-Flaschen, Plastikverpackungen, Glas, Altkleider, Blumen, Lebensmittel und ähnliches im Hausmüll.

Mit Schreiben vom 8.7.2022 (Anlage K 5) mahnte die Klägerin die Beklagte erneut wegen unterlassener Mülltrennung unter Hinweis auf eine mögliche fristlose Kündigung ab.

Mit Schreiben vom 25.8.2022 (Anlage K 2) kündigte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich wegen der Verletzung der Pflicht zur Mülltrennung.

Mit Schreiben vom 8.9.2022 (Anlage K 7) wies der Mieterverein zu H. die Kündigung zurück und bestritt den Vorwurf, die Beklagte habe den Müll nicht ordnungsgemäß getrennt.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe schon kurz nach Einzug ihren Müll nicht ordnungsgemäß getrennt. Sie entsorge Plastik, Glas und Papier im Hausmüll. Die Klägerin legt im Anlagenkonvolut K 6 diverse Fotos vor, die von ihr gesichteten Müll zeigen und Vorfälle am 1.6.2022, 28.6.2022, 5.7.2022, 8.7.2022, 6.8.2022, 12.8.2022, 13.8.2022 und 18.8.2022 dokumentieren sollen. Sie bezieht sich für ihre Behauptung, dass es sich um Müll der Beklagten handele und diese ihren Müll auch weiter nicht trenne, auf ihre eigene Parteivernehmung.

Die beklagte Mieterin bestritt die behaupteten Fehlhandlungen und beantragte die Klageabweisung.

Das AG Hamburg-Blankenese wies die Klage ab. Die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung war nach Auffassung des AG unwirksam und führte daher auch nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses. Die Räumungsklage war somit abzuweisen.

Das AG in seinen Urteilsgründen auszugsweise wie folgt:

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Räumungsanspruch nach § 546 BGB zu. Das Mietverhältnis wurde weder durch die fristlose, noch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25.8.2022 (Anlage K 2) wirksam beendet.

Ein wichtiger Grund für die Beendigung eines Mietverhältnisses im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB liegt nur dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Eine ordentliche Kündigung setzt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses voraus, dass nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB dann vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Weder die Voraussetzungen für eine fristlose noch die für eine ordentliche Kündigung sind ausreichend dargelegt. Streitig ist schon die Frage, ob die Beklagte gegen das Gebot zur Mülltrennung verstößt. Die Klägerin hat sich für ihren Vortrag, die Beklagte trenne den Müll nicht ordnungsgemäß und entsorge Plastik, Glas und Papier im Hausmüll, lediglich auf ihre eigene Parteivernehmung berufen. Diese kommt nach § 448 ZPO nur dann in Betracht, wenn für die unter Beweis gestellte Behauptung eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit vorliegt. Das ist fraglich, da im Haus W.W.87 mehrere Mietparteien leben und die Klägerin nicht dargelegt hat, aufgrund welcher Kriterien sie den nicht getrennten Müll der Beklagten zugeordnet hat. Dass es sich bei dem von der Klägerin beanstandeten Müll um solchen der Beklagten handelt, könnte sich allenfalls aus dem Foto aus dem Anlagenkonvolut K 6 mit dem Datum 1.6.2022 ergeben, auf dem ist ein Zettel mit dem aufgedruckten Namen der Beklagten zu erkennen ist.

Aber auch unterstellt, alle 8 von der Klägerin vorgetragenen Vorfälle, die sie mit den Fotos Anlagenkonvolut K6 dokumentiert hat, seien der Beklagten zuzuordnen, ergibt sich zur Auffassung des Gerichts kein Grund für eine fristlose oder ordentliche Kündigung des Mietvertrages. Dies beruht auf einer Abwägung des Interesses der Beklagten an dem Fortbestand des Mietvertrages gegenüber dem Umfang der dokumentierten Verstöße gegen die Mülltrennung.

Den Fotos ist zwar zu entnehmen, dass die dort gezeigten Müllstücke eine Vielzahl von Plastikmüll enthalten. Es handelt sich aber jeweils um geringe Müllmengen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Aussonderung von Papier oder Glas ist auf den Fotos nicht bzw. kaum zu erkennen. Soweit einzelne bedruckte Zettel zu sehen sind, dürften diese wie beispielsweise Fahrkarten in den Hausmüll gehören. Auch leere Klopapierrollen dürften im Haushaltsmüll zu entsorgen sein, da sie immerhin noch Reste von Klebespuren enthalten können. Auf den eingereichten Fotos ist nur unter dem Datum 28.06.2022 ein Behältnis (für eine Peanut Butter) zu erkennen, das aus Glas sein könnte. Erhebliche negative Auswirkungen auf die Mietsache, andere Mieter oder die Vermieterin sind nicht ersichtlich. Es ist weder vorgetragen, dass aufgrund der fehlenden Mülltrennung nicht mehr ausreichend Platz im Hausmüll für andere Mieter vorhanden wäre, noch dass die Müllabholung aufgrund fehlender Mülltrennung verweigert oder der Klägerin ein Bußgeld auferlegt wurde.

Das Gericht verkennt nicht, dass es eine gesetzliche Vorgabe zur Mülltrennung gibt und die Klägerin diese mit §§ 18 und 30 des Mietvertrages wirksam an die Beklagte weitergegeben hat. Eine solche Mülltrennung dürfte nach heutigem Verständnis aufgrund umweltpolitischer Erwägungen für jeden selbstverständlich sein. Ob allein ein Verstoß dagegen einen Kündigungsgrund darstellt, ist jedoch fraglich. Das Gericht muss diese Grundsatzfrage nicht entscheiden. Vorliegend kommt es nur darauf an, ob die vorgetragenen Verstöße eine Kündigung rechtfertigen, was nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist. Die Entscheidung mag anders ausfallen, wenn es sich um umfangreichere Verstöße über einen längeren Zeitraum handelt, der Müll wiederholt nicht abgeholt wird, Bußgelder ergehen oder sich andere erhebliche Auswirkungen auf das Mietobjekt, andere Mieter oder den Vermieter bzw. die Vermieterin ergeben.

Anmerkung:

Streitigkeiten rund um das Thema Mülltrennung erhitzen zwar in der Tat regelmäßig die Gemüter. Dass die hier vorliegende Klage des Vermieters jedoch keinerlei Erfolgsaussichten hat, war m. E. schon vor Klageerhebung relativ offensichtlich. Zum Einen ist klar, dass eine Kündigung nur dann begründet sein kann, wenn der Vermieter dem Mieter das vorgeworfene Fehlverhalten auch nachweisen kann. Das gestaltet sich in der Praxis schwierig – denn wie soll man einem Mieter nachweisen, dass der regelwidrig entsorgte Müll ausgerechnet von ihm stammt?

Das mag im Einzelfall möglich sein, wenn der Müll auf eine bestimmte Person schließen lässt z. B. durch namentliche Angaben in einem Beutel mit Hausmüll. Auch bei einer Einzelmülltonne z. B. bei einem vermieteten Reihenhaus mag das gelingen. Meistens wird dieser Nachweis aber schwierig zu führen sein mit der Folge, dass die Kündigungsvoraussetzungen (die Vertragsverletzung des Mieters) gar nicht erst nachweisbar sein wird. Ich habe jedenfalls in der Praxis nur selten bis überhaupt nicht erlebt, dass ein Mieter die ihm vorgeworfenen Vertragsverletzungen freimütig selber einräumt, wenn diese ansonsten gar nicht nachweisbar wären.

Zum Anderen ist zu berücksichtigen, dass das scharfe Schwert der Kündigung (sowohl fristlos wie auch hilfsweise fristgemäß) in Fällen „kleinerer“ Vertragsverletzungen zumeist nicht gerechtfertigt erscheint und das Gericht die Klage vermutlich selbst dann abgewiesen hätte, wenn alle „Müllverfehlungen“ des Mieters tatsächlich nachweisbar gewesen wären. Da reicht es dann auch nicht, dass der Vermieter mehrfach (zweimal) abgemahnt hat, denn das Gewicht der Vertragsverletzung erscheint einfach zu gering. Insofern ist dem Urteil des AG Hamburg-Blankenese vom Ergebnis und der Begründung her zuzustimmen.

Dr. Kai Mediger

Rechtsanwalt und Justiziar

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