Alte Konflikte und sanfte „Kümmerer“

Ob die traditionsreiche soziale Durchmischung in Wohnanlagen und Quartieren tatsächlich Chancen für friedliches Miteinander oder auch die Gefahr neuer Konflikte fördere, stand beim 64. Symposium zur Zukunft das Wohnens in Debatte. Definitive Antworten scheiterten an der Vielzahl von Strukturen, neuen Entwicklungen, Vorgangsweisen. Es einte der Apell an mehr Ressourcen für Sozialpolitik. Details dazu auch in unserer Beilage „Wohnen“ aus “Der Standard”.
ERNST KOCH

Gänzlich neu entwickelte Großquartiere wie die Seestadt Aspern verfügen heute über den Vorteil früher und umsichtig geplanter Aufgabenteilung und Begegnungsbereiche, wie ein Rundgang sichtbar machte (siehe den anschließenden Bericht): Stadtteil- Management, Nachbarschaftszentrum, Kindergarten, Treffzonen innen und im Freien. Vor allen aber einen gezielten Mix aus Wohnen, Büros und Gewerbe, Wohnen plus arbeiten, Studentenhäuser, Gemeinschaftsprojekte uvm.

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Vor der Realisierung steht eine weitere multifunktionale Ausbauetappe für ca. 7.000 Einwohner, verkündete Gastgeber Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 Development AG, im Tagungsort Technologiezentrum. Ziel sei es, so Schuster in Anspielung auf den Symposiumstitel, Konflikte „möglichst als letzten Ausweg“ zu sehen.

In den seit Beginn des „Roten Wien“ vor 100 Jahren entstandenen Wohnhausanlagen und Grätzln sind inzwischen ganz andere Entwicklungen erkennbar. Zur „sozialen Durchmischung“ gesellte sich eine zunehmende ethnische, in sich wieder divergierende Komponente (Stichwort Migration). „Viele Aspekte von Konflikten und Spannungen“ würden erst bei detaillierter Analyse des jetzt Gegebenen sichtbar, meint der Soziologe Kenan Güngör. Geht es um Differenzen zwischen Unter- und Oberschicht im selben Haus? Zwischen „Eingesessenen“ und Neuankömmlingen? Zwischen den „Etablierten“ und den „anderen“? Oder doch um einen Grundkonflikt der Generationen „Jung und Alt“? Verschwimmt der Begriff „sozial“ angesichts stark beweglicher Bewohnergruppen und Seinsgrenzen? Güngör empfiehlt jedenfalls bei Lösungsansätzen: „Es muss sich immer um verhandelbare Konflikte drehen“.

Bollwerk des Systems

Auf ähnliche Resultate kam Sozialforscher Daniel Karasz (Uni Wien) nach zwei im Abstand etlicher Jahre durchgeführten Tiefenbefragungen bei weitgehend den gleichen Bewohnergruppen. Danach habe sich die Stimmung des Miteinander einigermaßen verändert, man sehe in der massiv wachsenden Stadt ordentliche Grenzverschiebungen. Eine Hauptrolle spiele dabei, welche Personen in welcher Position die thematische Kommunikation tragen. Wenn, wie es ab 2011 deutlich zunimmt, agressiv-negative Zeitungs- und Medienberichte die Runde machen, drehen sich Einstellungsmuster in raschem Tempo – ein stark applaudiertes und auch mehrfach bestätigtes Statement.

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Als Bollwerk des Systems soziale Durchmischung hat die Stadt Wien längst mehrschichtige Konsequenzen gezogen. Aus stadtplanerischer Sicht erläuterte Andrea Reven-Holzmann als Mitglied des Grundstückbeirats aktuelle Leitinien des Versehens neuer Wohnbau-Bereiche (Wettbewerbsprojekte) mit thematischen Aufgabenstellungen – etwa junges Wohnen, gemeinschaftliches Zusammenleben, interkulturelle Schwerpunkte und ähnliches – die auch für die Zuerkennung von Wohnbauförderungsmitteln maßgebend sind. Bereits traditionell wird beim Wohnanlagen- internen Mix auf einen strukturierten Ausgleich von Miete, Eigentum, Vorgarten, Maisonetten, variierenden Größen und Lagen innerhalb der Gebäude bestanden. Als Novität bereichert die Einbindung von „Smart-Wohnungen“ – also kleinen, kostengünstigen Einheiten – die bestehende Angebotsvielfalt. Das noch junge Konzept, versichert Reven-Holzmann, würde nicht in Hausteilen zusammengepfercht, sondern „gleichwertig in der Wohnanlage verteilt“.

Software fürs Zusammenleben

Auf der Ebene direkt-persönlicher Bewohnerkontakte hat das Wohnservice Wien seit einigen Jahren das Konzept „Wohnpartner“ etabliert, für Teammanagerin Claudia Huemer eine Art „Soft- WOHNSYMPOSIUM ware fürs Zusammenleben“. Die Institution kann mittlerweile auf 150 KollegInnen zurückgreifen und versteht sich auch als „die weiche Vermittlungsagentur“…

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