Aktive Energien für mehr Klimaschutz

Das heiße Thema Klimawandel verursachte beim 63. Symposum zur Zukunft des Wohnens einen gewissen Treibhauseffekt: Eine Vielzahl an Perspektiven und Musterbeispielen wurde im überfüllten „Sky Conference“ der RBI präsentiert. Was wie konkret zu geschehen hat – darüber müssen Politik, Regionen und Branchen-Player befinden.
ERNST KOCH

Spätestens seit den Gipfel-Konferenzen in Paris und Katowice durchfluten Warnbegriffe wie globale Erderwärmung oder CO2-Ausstoß die öko-politischen Debatten, doch die Zuweisung von Ursachen und Lösungen erscheint einigermaßen diffus. Klar, rasantes Wachstum der Erdbevölkerung, der städtischen Ballungszentren, des Transportverkehrs jeglicher Art. Was jedoch kann konkret der österreichische Wohnbausektor zur Erreichung angestrebter Klimaziele – sprich Energieeinsparung – noch leisten? Eine Frage, die dem jüngsten Wohnsymposium am 21. Februar nicht nur einen Rekordbesuch, sondern auch argumentative Vielfalt einbrachte.

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Dies vor dem Hintergrund, dass laut Robert Korab von raum & kommunikation, der heimische Gebäudesektor 2017 einen Anteil von nur zehn Prozent der Treibhausgas-Emissionen verzeichnete und damit einen Rückgang von 35 Prozent seit 1990, im Gegensatz zu stark steigenden Tendenzen in Industrie und Verkehr (letzterer plus 71,8 Prozent im selben
Zeitraum). Insbesondere die Wohnbaubranche, bestätigten auch weitere Teilnehmer, habe ihre „Hausaufgaben“ in Neubau wie Sanierung weitgehend erfüllt – die Technologien für Passiv-, Niedrigenergie-, EnergiePlushäuser zählen quasi zu selbstverständlichen Standards.

Dennoch: „Es muss etwas geschehen“, hieß es gleich eingangs. Angesichts des „heißen Themas nicht nur im Sommer“ – so Gastgeber Manfred Url von der Raiffeisen Bausparkasse – sei sogar abzuwägen, „inwieweit man die Freiheit des einzelnen Menschen einschränken kann.“ Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi diagnostizierte später: „Wir müssen endlich in der Gegenwart aufwachen“, Uni-Professor Stefan Schleicher formulierte an die Politik gerichtet: „Man registriert die Dynamik der Entwicklung viel zu wenig.“

Der Experte für Klima und globalen Wandel verwies mehrfach auf Musterinitiativen wie „Zero-Zero“ in der Schweiz und empfahl eine Präzisierung des gewohnten Fach-Vokabulars in drei „I-Begriffe“: Innovation, Integration („nichts isoliert sehen“), Inversion; der letztgenannte Begriff war zu übersetzten mit „alles auf den Kopf stellen“ und signalisierte ein grundsätzliches Umdenken in der Energiedebatte „vom Input woher zum Output wofür“.

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Kosten und Nutzen

Ein „Dauerläufer“ ist für Stefan Schleicher, der auch für das Wifo tätig ist, der Ansatz, in der Immobilienbranche nicht nur die Baukosten hervorzuheben, sondern diese in einen „Wettbewerb mit den Nutzungskosten“ zu schicken. Der Faktor „Lebensdauer“ in Gebäuden rückt dabei in den Vordergrund, was Robert Korab näher so interpretiert: „Energiekosten in der Bauproduktion sind kein wesentlicher Kostenfaktor – die Betriebskosten tragen die Nutzer und nicht die Errichter, demgegenüber kommen Investitionen zur Bewältigung des Klimawandels bei den Endnutzern gut an.“ Der Gesamtkomplex „Leistbarkeit des Wohnens“ wird in diesem Zusammenhang zwar tangiert, erweist sich jedoch als „Querschnittsmaterie“ für ziemlich alle Themenaspekte.

Es spricht sich herum: Österreich sei europaweit das Land mit der intensivsten Bodenversiegelung, titeln Medien immer häufiger, selbst Manfred Url bezeichnete den Faktor Zersiedelung und Flächenverbrauch als aktuelles „Riesenthema“: aufwändige Infrastruktur, weite Verkehrswege usw. „Was bringt ein Passivhaus im hintersten Winkel“, wurde einmal gefragt. Gegensteuern könnten im ländlichen Bereich vor allem durchdachte Raumordnungskonzepte, eine Wiederbelebung von Ortskernen und die Umnutzung vorhandener Bausubstanzen. Beispielhaft hierfür nannte Alfred Kollar, Obmann der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft OSG, die Übernahme von aufgelassenen Gasthäusern, Volksschulen oder Kasernenteilen und deren Ausbau zu Wohn- und Seniorenheimen, sowie gleich einige Dutzend Öko-Experimente mit Biomasse, Solartechnologie und Windenergie unter der Losung „weg von der grünen Wiese“. Im Burgenland mit seinen vergleichsweise kleinen Einheiten, konstatierte Kollar aber auch, könne man nicht „für jedes Projekt eine wissenschaftliche Untersuchung“ anstellen. „Wir machen unsere Hausaufgaben im Rahmen des Möglichen, doch leistbares Wohnen steht an erster Stelle.“

Öko auf der Außenhaut

Die Komplementärtendenz zu ländlicher Zersiedelung in städtischen Räumen firmiert unter „Urbanisierung“, respektive „Verdichtung“. Auch hier müsse man, unterstrich etwa Architekt Oliver Gerner, „auf Grund und Boden aufpassen“, um „wirklich richtig nachhaltig“ zu wirken. Lösungsmöglichkeiten sieht Gerner in verdichtetem Flachbau an den Stadträndern, im – auch moderaten – Hochhausbau, in einer Präferenz für veränderbare Hoch- statt Tiefgaragen. Zusehends angewendet werden Innovationen wie das in Wien entwickelte Modell des Wohnbaus über Großmarktflächen (Salzburg, Tirol) oder die Umnutzung von weiträumigen Parkflächen (z. B. in NÖ). Eine mehrfach eingebrachte Aufforderung bezieht sich auf regional übergreifende Planungsansätze, im städtischen Bereich etwa als „Grätzl-Strategie“. Weg vom Einzelhaus- zum Quartiersdenken, so lautete auch eine gut bewertete Empfehlung der runden Symposiumstische (siehe S. 19).

Dem Thema „Verdichtung“ haben sich Städte jedenfalls zu stellen – ob nun „mit oder ohne Klimawandel“, bedeutete Doris Damyanovic von der Boku Wien. Wesentlich zu beachtende Planungskriterien im Neubau seien folglich die Analyse von Beschattungsphasen oder Verdunstungszonen, Lieblingsansatz der Landschaftsarchitektin ist jedoch die Bauwerksbegrünung. Eine Studie für die Wiener MA 50 habe ergeben, dass eine stark begrünte Gebäudestruktur das städtische Klima um zwei Grad verbessern könnte – dies nachhaltig und auf Dauer leistbar. Als ein Erfolgsrezept verschreibt auch Damyanovic ein „Denken in allen Planungsansätzen“, also Zusammenarbeit, Integration aller Beteiligten.

Eine Forschungsinitiative anderer Natur präsentierte Andreas Pfeiler vom Fachverband Steine-Keramik. Unter dem Titel „sicheres Bauen“ geht es darin vorrangig um die Speicherfähigkeit von traditionellen Materialien wie Beton oder Ziegel, um die Nutzung von Endenergie zu allen Jahreszeiten, um das „Einsammeln erneuerbarer Energie in der Gebäudehülle“. Zielsetzung ist es laut Pfeiler, „alte Bauweisen mit moderner Technologie zu erneuern“.

Die Sache Eigenstrom

Als Wohnbauer, der „dem technischen Fortschritt vertraut“, erweiterte Michael Pech, Vorstand des Österreichischen Siedlungswerks ÖSW, die Inhaltspalette mit dem häufig disputierten Thema „Eigenstrom“, insbesondere Solar/Photovoltaiktechnologie (PV)…

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