Was hat die Gefahrstoffverordnung mit Leitungswasserschäden zu tun?

Für das Trinkwasser gelten die Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwVO), bei der das Wasser rein, klar und genusstauglich sein soll sowie die Grenzwerte für bestimmte Parameter nicht überschreiten darf. Man kann in Deutschland davon ausgehen, dass das Trinkwasser durch die Wasserversorger den Anforderungen der TrinkwVO entspricht.

Warum muss dann demnächst trotzdem bei einem Leitungswasserschäden die Gefahrstoffverordnung beachtet werden?

Die Erklärung findet sich in den bei einem Leitungswasserschaden möglichen bedingten Sanierungsarbeiten, wenn entsprechende Bauaktivitäten im Zuge der Reparaturmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Grundsätzlich findet die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) überall dort Anwendung, wenn vermutet werden kann, dass bei Bauarbeiten Gefahrstoffe freigesetzt werden können.

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Bei Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden, ist grundsätzlich anzunehmen, dass dort Asbest verbaut wurde. Asbest ist in den Gebäuden ein nicht zu unterschätzendes Problem.

Asbest, wird sich der Eigentümer fragen – habe ich doch nie verbaut bzw. verbauen lassen?

Wo finden sich also asbesthaltige Baustoffe in einem Gebäude?

Durch die hervorragenden bautechnischen Eigenschaften kommt Asbest in Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern zur Anwendung. Man geht davon aus, dass in ca. 25 % der vor 1995 errichteten Gebäude Asbest in Form von asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenkleber verbaut wurde. Solange der Baustoff nicht zerstört wird, sind die Fasern im Asbestzement gebunden und unproblematisch. Wird die Bausubstanz allerdings beschädigt, zum Beispiel im Rahmen von Sanierungsarbeiten, ist eine Freisetzung lungengängiger Asbestfasern möglich.

Hinzu kommt, dass über 80 % der Wohnungen vor dem Stichtag 31.10.1993 gebaut worden sind. Also muss davon ausgegangen werden, dass Asbest dort vorhanden ist und dass dies kein Einzelfall ist. Erschwerend kommt hinzu, dass leider das asbesthaltige Material nicht ohne weiteres erkannt werden kann. Im Nationalen Asbestdialog wurde die Problematik von Asbest daher nicht nur unter den Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes betrachtet.

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Durch die Neufassung der Gefahrstoffverordnung und den damit verbundenen Regelungen zum Umgang mit Asbest gilt Folgendes:

Bild 1: Ablaufschema zur Vorgehensweise bei Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen PSF beim Bauen im Bestand gemäß der angegebenen

Quelle: Branchenlösung Asbest beim Bauen im Bestand – Handlungshilfe für Tätigkeiten an asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern, Herausgeber: BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – Prävention, Berlin, Stand: Oktober 2021

Sofern der Baubeginn eines Gebäudes vor dem 31.10.1993 ist, besteht die Vermutung, dass das Gebäude asbestbelastet ist. Deshalb hat der Auftraggeber im Rahmen seiner Mitwirkungs- und Informationspflichten den Auftragnehmer vor Beginn der Maßnahmen auf der Basis technischer oder historischer Erkundung über mögliche Asbestbelastungen im Gebäude zu informieren. Auch über weitere Schadstoffe hat er – soweit bekannt – den Auftragnehmer zu informieren.

Sind nun Eingriffe in die Bausubstanz nötig, neben Brand-, und Schimmelschäden ist der Hauptanteil an versicherten Schäden Leitungswasser bezogen, und kann dabei nicht auf „emissionsarme Verfahren“ zurückgegriffen werden, muss zuallererst geprüft werden, ob das zu bearbeitenden Material asbesthaltig ist. In den allermeisten Fällen kann dies nur durch einen analytischen Nachweis erfolgen.

Sofern es also Anlass dazu gibt, dass beispielsweise bei einem Rohrbruch beim Aufstemmen von Fliesen oder bei Bohrungen Asbestfasern freigesetzt werden können, sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Bei vielen Kernsanierungen oder Sanierungen von Raumlufttechnischen Anlagen wurden Ende der 1990-iger und 2000er Jahre Asbestsanierungen durchgeführt. Daher sollte diese Branche mit dem Handling von emissionsarmen Techniken und persönlicher Schutzausrichtung vertraut sein. Problematisch ist allerdings, dass der „normale“ Sanitärfachbetrieb in der Regel keine Schulung nach TRGS 519 aufweist. Gemäß der TRGS 519 muss bei der Durchführung aller Arbeiten mit Asbest mindestens eine weisungsbefugte sachkundige Person als Aufsichtführender vor Ort tätig sein.

Wie soll nun mit einem LW-Schäden umgegangen werden, wenn der Verdacht von Asbestfasern besteht?

Als wichtigste Vorschriften für Tätigkeiten mit asbesthaltigen Bauteilen sind die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), die TRGS 519 sowie ergänzend die DGUV Information 201-012 zu nennen. Laut GefStoffV darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst dann aufgenommen werden, wenn eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV durchgeführt wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 der GefStoffV sowie alle Maßnahmen nach Anhang I Nr. 2 ergriffen worden sind.

Kann im Rahmen der geplanten Eingriffe in die Bausubstanz nicht auf sogenannte emissionsfreie Verfahren zurückgegriffen werden, geht nach Maßgabe des Referentenentwurfs der neuen Gefahrstoffverordnung jedem Eingriff in die Bausubstanz „älterer Gebäude“ eine Asbestbeprobung voraus. Schon dieser Aspekt wird zu gewaltigen Veränderungen bei handwerklichen Dienstleistungen im Gebäudebereich führen.

Die Wiederherstellung von Brand-, Wasser-, Fäkal- und Schimmelschäden wird sich daher grundlegend ändern. Schon die Schadenaufnahme vor Ort wird neue Schwerpunkte beinhalten. Bei den meisten Schäden ist zudem Eile geboten. Deshalb muss zumindest für die Sofortmaßnahmen bzw. bis zum Vorliegen entsprechender Analysenergebnisse so vorgegangen werden, wie wenn Asbest nachgewiesen worden wäre. Die wichtigste Vorbereitung aller Arbeiten besteht als Erstes darin, den Arbeitsbereich von anderen Arealen abzugrenzen, Der Zugang findet gegebenenfalls über Personenschleusen statt. Der Arbeitsbereich ist wenigstens mit einem Hinweisschild: „Zutritt verboten, Asbestfasern!“ zu kennzeichnen.

Hierzu hat die Projektgruppe Leitungswasserschäden beim GDV eine Checkliste entwickelt, um vorab mit einem Raster die Gebäude einzustufen und Empfehlungen festgehalten, welche Maßnahmen notwendig sind. Dies sind die VdS-Richtlinien „Handlungsanleitung zum Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen/Bauteilen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Gebäudeschäden“ (VdS 3155: 2023-10). Diese Handlungsanleitung Asbest enthält fachbezogene Informationen. Beispielhaft zeigt Bild 2 einen Ausschnitt aus dem Anhang der VdS 3155.

Bild 2: Auszug aus dem Entwurf der VdS 3155 (Quelle: Entwurf VdS 3155:2023-10)

Die vorliegende Handlungsanleitung zum Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen / Bauteilen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Gebäudeschäden ergänzt die VdS 2357 (Richtlinien zur Brandschadensanierung), die VdS 3150 (Richtlinien zur Leitungswasserschaden-Sanierung), sowie die VdS 3151 (Richtlinien zur Schimmelpilzsanierung nach Leitungswasserschäden) und die VdS 3154 (Merkblatt Fäkalwasserschäden).

Bei den emissionsarmen Verfahren besteht ein wichtiger Grundsatz darin, dass die Planung und Durchführung der Arbeiten so vorzunehmen sind, dass möglichst keine Faserfreisetzung stattfindet (DGUV-Information 201-012).

Dabei sind die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen. Denn nachhaltiges Bauen ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und soll sich auch auf Bautätigkeiten im Bestand erstrecken. Deshalb ist die Instandsetzung möglichst ressourcenschonend auszuführen. Das heißt, dass die zu bearbeitende Fläche eingegrenzt wird und bei der Auswahl der Technik auf energieeffiziente Verfahren geachtet wird (technische Trocknung).

Fazit

Die Sanierung von Wasser- und Schimmelschäden, wie wir sie bislang kennen, wird sich gravierend verändern. Dies betrifft bereits die Schadenaufnahme mit zusätzlichen Überprüfungs- und Analytik-Erfordernissen mit anschließenden Auswirkungen auf die gesamte Wiederherstellung. Eine Wiederherstellung wird damit nicht nur aufwendiger, sondern auch länger dauern. Dadurch werden auch die Durchschnittskosten für die Behebung eines Leitungswasserschadens unweigerlich steigen. Dies wird sich dann mindestens auf das Ergebnis der Versicherer in der verbundenen Wohngebäudeversicherung auswirken.

Um für die Wiederherstellung nach Schäden ein regelkonformes Arbeiten zu gewährleisten, wurde die VdS 3155 als eine Handlungsanleitung erarbeitet, die den Richtlinien VdS 2357, VdS 3150, VdS 3151 sowie dem Merkblatt Fäkalwasserschäden (VdS 3154) beigefügt werden soll.

Sobald die neue Gefahrstoffverordnung abschließend verabschiedet und verkündet ist, sind die geänderten VdS-Richtlinien 3155 verfügbar.

Dr. Georg Scholzen

Dr. Georg Scholzen ist Diplom-Chemiker mit über 20 Jahren Erfahrung in der Verhütung von Leitungswasserschäden. Er war u.a. Sprecher der Projektgruppe „Leitungswasser“ des GDV, Mitglied im Projektkreis „Betrieb und Wartung“ beim DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.), Autor des Fachbuches „Leitungswasserschäden: Vermeidung – Sanierung – Haftung“ und der Experte im FORUM LEITUNGSWASSER der AVW-Unternehmensgruppe.

Ein aktueller Hinweis für die Fortbildung:

Am 01.02.2024 findet in Köln eine VdS-Fachtagung „Sanierung und Regulierung von Sachschäden“ statt. Dort wird sich ein Großteil der Vorträge mit den Änderungen durch die GefahrstoffV und der Asbestproblematik beschäftigen.

Forum Leitungswasser erscheint in Kooperation mit der Initiative Schadenprävention und  der AVW Gruppe

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