Was die EU-Taxonomie bedeutet

Die Auswirkungen auf Wohnungsunternehmen wird langsam sichtbar. Für die Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel gibt es technische Bewertungskriterien. Hamburg. Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Hierzu verabschiedete die Europäische Union (EU) im Jahr 2019 den sogenannten Green Deal.

Zur Umsetzung des Ziels hat die EU-Kommission ein umfangreiches Regelungspaket auf den Weg gebracht, zu dem auch die EU-Taxonomie-Verordnung gehört. Diese wurde im Juni 2020 beschlossen. Der Finanzsektor spielt bei der Umsetzung des Green Deal eine wichtige Rolle.

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Die Taxonomie-Verordnung gilt in erster Linie für Kreditinstitute. Mit ihr sollen Kapitalflüsse in möglichst ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden. Mit Hilfe der Taxonomie-Verordnung wird die Klassifikation von ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten vorgenommen.

Sie enthält Kriterien zur Bestimmung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit bzw. eine Investition als ökologisch-nachhaltig einzustufen ist. Künftig soll die Finanzierung von Investitionen, die die Kriterien nicht erfüllen, teurer werden als eine ökologisch-nachhaltige Investition.

In der Taxonomie-Verordnung sind sechs Umweltziele definiert:

1. Klimaschutz,

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2. Anpassung an den Klimawandel,

3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen,

4. Übergang zu Kreislaufwirtschaft,

5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,

6. Schutz sowie Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist nachhaltig im Sinne dieser Verordnung, wenn sie wesentlich zu eines der Ziele beiträgt. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Tätigkeit die übrigen Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigt.

Für Wohnungsunternehmen sind insbesondere die beiden ersten Ziele von Belang. Für die Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel gibt es technische Bewertungskriterien, die festlegen, wann eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung gilt.

Für Immobilien gibt es sieben Unterkategorien mit konkreten Vorgaben unter anderem für den Neubau und die Renovierung von Gebäuden sowie den Gebäudebestand (Ankauf).

Bau neuer Gebäude und Modernisierungsmaßnahmen

Nach der Verordnung soll ein Neubau nur dann einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten, wenn der Primärenergiebedarf, der die durch den Bau entstehende Energieleistung des Gebäudes definiert, um mindestens zehn Prozent unter dem Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäude (NZEB) liegt.

Eine Renovierungs- bzw. Sanierungsmaßnahme ist dann taxonomiekonform, wenn sie zu einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs von mindestens 30 Prozent führt.

Gebäudebestand

Gebäude, deren Errichtungsdatum vor dem 31. Dezember 2020 liegt, sind taxonomiekonform, wenn sie mindestens den Energieeffizienzanforderungen des (EPC ALabel) entsprechen. Alternativ sind sie auch dann taxonomiekonform, wenn sie zu den 15 Prozent energieeffizientesten Gebäuden des nationalen oder regionalen Gebäudebestandes gehören.

Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, sind taxonomiekonform, wenn sie den oben genannten Neubaukriterien des delegierten Rechtsakts entsprechen.

Nur ein kleiner Teil erfüllt heute die Nachhaltigkeitskriterien

Die Anforderungen zur Erreichung der ersten beiden Umweltziele sind sowohl bei Neubauten und Modernisierungen als auch bei Bestandsbauten ziemlich hoch. Nur ein kleiner Teil der heutigen Gebäude erfüllt die oben dargestellten Nachhaltigkeitskriterien.

Für die übrigen vier Umweltziele gibt es zurzeit noch keine technischen Bewertungskriterien.

Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Begriff der Nachhaltigkeit neben den oben dargestellten Umweltaspekten (Enviromental) auch die Bereiche „Social“ und „Governance“  (Unternehmensführung) mit umfasst.

Die Rede ist in diesem Zusammenhang immer von ESG-Kriterien. Die Aspekte Social und Governance sind bisher noch nicht im gleichen Umfang in Regelwerken definiert, wie das bei Umweltaspekten der Fall ist.

Viele Fragen sind noch ungeklärt

Viele Fragen sind noch ungeklärt, so dass die vollständige Anwendung und Umsetzung der Taxonomie-Verordnung durch Finanzsektor bzw. durch die Banken noch nicht erfolgt ist.

Aktuell rückt als Teil der Taxonomie eine Kennzahl in den Fokus, die von 2024 an von den Banken berichtet werden muss, die Green Asset Ratio.

Sie beschreibt vereinfacht den Anteil des nachhaltigen Geschäfts an der Bilanzsumme. Bislang handelt es sich lediglich um eine Reporting-Kennziffer. Vorgaben, welche Quote eine Bank erreichen muss, gibt es noch nicht. Für die Einstufung der Kredite zum Beispiel auch an Wohnungsunternehmen brauchen die Banken Daten, über die sie bisher noch nicht verfügen.

Gleichzeitig fordert die BaFin von den Banken Daten, die bisher ebenfalls teilweise irrelevant waren, beispielsweise Angaben über den CO2-Fußabdruck von Kreditnehmern oder über das Energielabel von Gebäuden.

Folglich müssen Wohnungsunternehmen ihren Kreditgebern vermehrt umfangreiche Daten insbesondere zu den besicherten Objekten, aber auch über das Unternehmen insgesamt zur Verfügung stellen.

Einige Wohnungsunternehmen müssen zusätzliche Angaben machen

Nach der Taxonomie-Verordnung besteht zudem auch für Wohnungsunternehmen, die künftig einen Nachhaltigkeitsbericht entsprechend der EU-Richtlinie CSRD erstellen müssen, die Pflicht, bestimmte Angaben zu machen.

So müssen im Nachhaltigkeitsbericht künftig die ökologisch nachhaltigen Umsatzerlöse, Investitionen und Betriebsaufwendungen angegeben werden. Maßstab für die Abgrenzung sind die oben dargestellten Nachhaltigkeitskriterien für Immobilien.

Aktuell ist noch nicht festzustellen, dass die Konditionen für die Finanzierung von Objekten, die die o.a. Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, ungünstiger ausfallen als die Finanzierungskonditionen für nachhaltige Objekte.

Eine indirekte negative Auswirkung nicht nachhaltiger Objekte auf die Finanzierungskonditionen ist allerdings schon heute zu beobachten, und zwar bei der Ermittlung der Beleihungswerte durch die Kreditinstitute.

Bei Gebäuden, die schlechteren Effizienzklassen zuzuordnen sind, rechnen die Banken den Bedarf für energetische Modernisierungsmaßnahmen aus und ziehen die Kosten vom Beleihungswert ab.

Jürgen Wendlandt

Der Autor ist als stellvertretender Prüfungsdirektor des VNW für die Praxisorganisation und Qualitätssicherung des Prüfungsdienstes verantwortlich. Neben der Betreuung von Jahresabschlussprüfungen gehört auch die prüfungsnahe betriebswirtschaftliche Beratung zu seinem Tätigkeitsgebiet.

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