Aktuell, praxisnah, innovativ und vielfältig: Der VHV-Bauschadenbericht Hochbau 2023/24 ist soeben erschienen. Thema dieses Mal: „Bauen neu denken“. Das Institut für Bauforschung e.V. (IFB) liefert im fünften und bislang umfangreichsten Band der Bauschadenberichtreihe eine umfassende Analyse der Qualität beim Planen und Bauen.
Die ausgewerteten Daten und der Vergleich mit den Ergebnissen der vorangegangenen Jahre ermöglichen einen genauen Blick auf die jüngste Entwicklung von Bauschäden und -mängeln. Zudem werden im Buch innovative Ansätze, Entwicklungen und Lösungen vorgestellt, die helfen, die Qualität beim Planen und Bauen weiter zu verbessern sowie die Herausforderungen der Branche, wie zum Beispiel Kreislaufwirtschaft, Resilienz, Digitalisierung und Prozessoptimierung, anzunehmen.
Weitere Themen betreffen unter anderem die Transformation im Bau, neue Anforderungen an Konstruktion und Anlagentechnik, Urban Mining, neue Prüfmethoden und Simulationen sowie Künstliche Intelligenz (KI) im Bauwesen. Beteiligt waren zahlreiche Experten aus Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Politik – entstanden ist ein aktueller, vielschichtiger und praxisnaher Blick auf den gesamten Bausektor und dessen Zukunft.
Sinkende Fallzahlen, steigende Schadenbeseitigungskosten
Die aktuellen Analysen der Versicherungsschäden der VHV-Versicherungen aus dem Bereich der Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherungen ergaben bei leicht sinkenden Schadenfallzahlen einen erneuten Anstieg der jährlichen Schadenbeseitigungskosten.
Mit den Daten aus den vorigen VHV-Bauschadenberichten standen den Forschern vergleichbare Zahlen als Erweiterung der aktuellen Betrachtung zur Verfügung – Ergebnis: Die Höhe der Schadenaufwendungen steigt zwischen 2013 und 2022 kontinuierlich an. Der Anstieg hat sich zudem seit dem Jahr 2019 deutlich beschleunigt. Insgesamt registrieren die Bauforscher für den untersuchten 10 Jahres-Zeitraum eine Steigerung der durchschnittlichen Aufwendungen pro Jahr in Höhe von rund 84 Millionen Euro im Jahr 2013 auf rund 118 Millionen Euro im Jahr 2022. Ein Anstieg von rund 40 Prozent.
Insgesamt belaufen sich die Schadenaufwendungen für die Jahre 2013 bis 2022 auf rund 952 Millionen Euro. Ein deutliches Signal, dass Veränderungen notwendig sind, um eine Bauqualität sicherzustellen, die zukunftsfähig und bezahlbar ist.
Unzureichende Schnittstellenkoordination und mangelhafte Kommunikation
Der Blick auf die jüngsten fünf Schadenjahre: Die mit Abstand häufigsten Schadenarten sind Schäden an der Baukonstruktion sowie Wasser- bzw. Feuchteschäden. Als häufigste Schadenursachen ermittelten die IFB-Bauforscher Ausführungs- bzw. Montagefehler sowie unzureichende Schnittstellenkoordination und mangelhafte Kommunikation.
Spitzenreiter bei den Schadenstellen sind Bauteile in den Bereichen Fenster und Fassade, am häufigsten in den gewerkeübergreifenden Schnittstellen. Mit großem Abstand folgen die Anlagen im Bereich Sanitär/Heizung/Klima und der Bereich Dach/Decke.
Diese Schwerpunktschäden führen die IFB-Wissenschaftler auf wenige grundlegende Ursachen zurück, die im Wesentlichen mit den in der Vergangenheit stetig gestiegenen (technischen) Anforderungen an Bauteil- und Gebäudequalitäten und fehlender konsistenter Kommunikation im Planungs- und Bauprozess sowie parallel hohem Zeit- und Kostendruck und zunehmendem Fachkräftemangel zu erklären sind.
Schadenfallbeispiele – der Blick in die Praxis
Anhand von beispielhaften Schadenfällen gibt der Bauschadenbericht auch Einblick in die tägliche Baupraxis. Die Schadenfälle reichen von falsch geplanten Wärmepumpen über Feuchteschäden nach Starkregen aufgrund mangelhafter Abdichtung bis hin zum Cyberangriff auf das IT-Netzwerk eines Unternehmens durch die Verschlüsselung der gesamten Daten. Diese Schadenfälle aus der realen Planungs- und Baupraxis spiegeln die große Bandbreite an Themenfeldern wider, die von Schäden betroffen sein können.
Die Schadenfälle wurden wissenschaftlich aufbereitet und dokumentieren mit einer vereinfachten Struktur die jeweilige Schadenquelle, die Schadenbehebung und die Schadenregulierung, zeigen somit exakt den genauen Ablauf einer Schadenabwicklung. Sinnvolle Lösungsansätze zur Schadenvermeidung geben abschließend praxisnahe Hilfestellungen.
„Neues Bauen“ als Schlüssel für mehr Qualität
Der notwendige Wandel hin zu mehr Qualität beim Planen und Bauen gelingt aus Sicht der IFB-Bauforscher nicht durch mehr Vorschriften in Planung oder Bauausführung. „Es beginnt bereits mit der ersten Idee und dem klugen, gemeinschaftlichen Entwickeln eines individuellen Planungs- und Bauergebnisses, sei es ein Neubau oder ein Bestandsgebäude“, so IFB-Direktorin Dipl.-Ing. Heike Böhmer.
Als Schlagworte in diesem Zusammenhang sind hier die derzeit vieldiskutierten Themen wie neue Einfachheit, neue Freiheit und Möglichkeiten im Planungs- und Genehmigungsprozess genannt. Hier werden mit Reformen von Landesbauordnungen, wie in Niedersachsen und Bayern, bereits politisch neue, mutige Wege beschritten. Durch weniger Regelungen sind nun kluge und sinnvolle Lösungen möglich. Die IFB-Bauforscher erwarten, dass sich die Vereinfachungen insbesondere beim Bauen im Bestand, bei Dachausbauten, Aufstockungen, Umnutzungen und Umbauten positiv auf das Planungs- und Baugeschehen auswirken, aber auch den Neubau erleichtern.
Fazit und Ausblick
Im neuen Bauschadenbericht findet sich neben den wissenschaftlichen Auswertungen zur Entwicklung der Bauqualität eine Vielzahl an Beiträgen, die sich mit neuem Denken, neuen Herangehensweisen, innovativen Prozessen und Hilfsmitteln beschäftigen. Pilotprojekte in Deutschland und europäischen Nachbarländern zeigen, wie der notwendige Wandel im Planen und Bauen bereits erfolgreich gelingt.
Ergebnisse sind auf vielfachen Wunsch erstmals auch in der Originalsprache enthalten und finden so nochmals mehr Verbreitung. Interviews mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis zeigen, wie sich nachhaltige Prozesse, Anlagen und Konstruktionen entwickeln und Schadenprävention effektiv gelingen kann. Zukunftsgerichtete Forschung von Partnerinstitutionen und -universitäten des IFB sowie Arbeiten von Wettbewerbspreisträgern belegen eindrucksvoll, wie die Entwicklung in der Baubranche voranschreitet.
Das Interesse am Thema „Bauen neu denken“ spiegelt sich in der Fachkompetenz der Autoren, der Vielfalt der Beiträge und nicht zuletzt im neuen Rekord-Umfang wieder und macht das Buch nicht nur für Fachkräfte und Bauexperten, sondern für alle am Bauen Interessierten gleichermaßen lesenswert.
Der Bauschadenbericht ist als E-Book erhältlich sowie bei den VHV-Bauexperten unter https://www.vhv-bauexperten.de/vhv-bauforschung. Der Bericht ist im Fraunhofer IRB-Verlag erschienen und dort ebenfalls verfügbar.
Die Herausgeber
Das Institut für Bauforschung e.V. (IFB) mit Sitz in Hannover wurde 1946 gegründet. Kernaufgaben sind die wissenschaftliche Forschung und deren Förderung in den Bereichen Planung im Bauwesen, Baustoffe, Bauarten, Baubetrieb sowie Bauschäden und deren Ursachen. Die Verschmelzung mit dem Institut für Bauschadensforschung e.V. im Jahr 2002 hat die Arbeitsschwerpunkte auf dem Gebiet der Schadenanalyse und Bauqualität im Hoch- und Tiefbau nochmals erweitert. Im Auftrag öffentlicher und privater Auftraggeber bearbeitet das Institut Studien zu verschiedenen Themenfeldern des nachhaltigen und qualitätsvollen Planens, Bauens und Nutzens. Die Ergebnisse werden den mehr als 100 Mitgliedern aus Bauindustrie, Baugewerbe, Wohnungswirtschaft, Verwaltung und Sachverständigenwesen sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im Auftrag bzw. in Zusammenarbeit mit den VHV Versicherungen sind Studien zu Kabel- und Leitungsschäden, zur Risikobewertung von Wärmedämmung, zum Brandschutz im Gebäudebestand und zu Bauschäden durch Klimawandel sowie seit 2018 die in der Fachwelt vielbeachtete Reihe der VHV-Bauschadenberichte entstanden.
Seit dem Jahr 2018 konzentrieren die VHV und das IFB ihre bereits seit 2002 bestehende Zusammenarbeit unter der Marke „VHV Bauforschung“. Zielsetzung ist, aktuelle und praxisnahe Themen systematisch wissenschaftlich zu untersuchen und regelmäßig einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Bauschadenreihe wird im kommenden Jahr mit dem sechsten Band, dem dritten Tiefbaubericht, fortgesetzt.
Quelle: Institut für Bauforschung e.V. Hannover, 26. August 2024
Weitere Informationen finden Sie unter www.bauforschung.de.