Urbanität, Vielfalt – für alle

Eine Wohnumgebung, in der alles da ist, was man zu Leben braucht, sozial durchmischt und keine Schlafstadt: was in vielen inneren Stadtteilen und Ortskernen scheinbar mühelos entstanden ist, stellt die Entwickler neuer Quartiere vor Herausforderungen.
FRANZISKA LEEB

Atatt Wohnmonostrukturen, verwaisten öffentlichen Räumen und toten Erdgeschosszonen wünschen sich Stadtplaner Urbanität, Vielfalt, kurzum vollwertige Stadtquartiere mit urbanen Strukturen und unterschiedlichen Nutzungen.

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Dass bauliche Voraussetzungen wie überhohe Erdgeschosszonen allein kein Garant sind, dass sich dann tatsächlich ein bunter Nutzungsmix einstellt, wissen mittlerweile alle. Denn Orte, an denen das Leben der Stadt pulsiert, entstehen weder zufällig noch aus dem Nichts.

In Graz entstand in mehreren Bauphasen von 2009 bis 2017 am Übergang von der Kernstadt in die Peripherie im Zuge der Umstrukturierung des Messegeländes auf dem Areal eines ehemaligen Vergnügungsparks das Messequartier der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft ENW.

Architekt Markus Pernthaler betrachtet eine ausreichende Anzahl an Arbeitsplätzen als Garant für ein lebendiges Quartier. Pro Bewohner ein Arbeitsplatz, lautete sein persönliches Ziel, dem jedenfalls annähernd nahegekommen wurde.

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„Im Messequartier Graz haben wir einen Nutzungsmix mit einer großen sozialen Nutzungsqualität“, so ENW-Geschäftsführer Alexander Daum. Neben rund 290 Miet- und Eigentumswohnungen gibt es 21 Seniorenwohnungen, ein Studierendenwohnhaus mit 97 Plätzen, Kindergarten, Gastronomie, Arztpraxen und diverse Büro- und Gewerbeflächen.

„Dank der ständigen Interaktion der Hausverwaltung mit den Bewohnern und Geschäftsflächenmietern konnten im Laufe der letzten Jahren Synergien gefunden und genutzt werden. Nicht zuletzt hat auch die Architektur der Wohnanlage mit ihren großzügigen Begegnungszonen ihren Teil zu einer lebendigen Wohnanlage beigetragen“, bestätigt Daum, dass das Gelingen einer guten Mischung von mehreren Faktoren abhängig ist.

Impulsgebende Häuser

Im Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof setzte man dazu auf sogenannte Quartiershäuser, die mit „stadtteilbezogenen Nutzungen“ das neue Wohngebiet beleben sowie auf Baugruppen, deren Engagement die Stadt längst auch als Impulsgeber für neue Stadtteile erkannt hat.

Was sich manche vor ein paar Jahren nicht vorstellen konnten, wird nun nach und nach gelebte Realität. Vor allem entlang der Adele-Bloch-Bauer-Promenade entwickelt sich ein reges Stadt- und Geschäftsleben, zu dem Quartiershäuser wie Mio (Heimbau, Arch. StudioVlayStreeruwitz) und der Stadtelefant von Franz&Sue sowie das Baugruppenhaus Gleis 21 maßgeblich beitragen.

„Das Dorf in die Stadt bringen“ heißt es in der Vision der Initiatoren des Gleis 21, dem im Sommer vergangenen Jahres bezogenen Wohnprojekt auf dem ehemaligen Bahngelände im Wiener Sonnwendviertel. Sie hatten dabei nicht verwaiste Ortszentren und wildwuchernde Siedlungsränder vor Augen, sondern Bilder vom guten Leben im solidarischen Miteinander.

Daher machen hier nicht sozial besser gestellte Idealisten nur ihr Ding, sondern sorgen unter anderem dafür, dass Kunst und Kultur ins Grätzel kommen. Und das auf hohem Niveau. Im perfekt ausgestatteten Veranstaltungsraum wurden bereits Kinofilme gezeigt sowie Kabarett, Musik und Theater eine Bühne gegeben. Neben dem Burgtheaterstudio kooperiert man mit dem Stadtkino Wien, Okto TV, Radio Orange und der im Haus ansässigen Musikschule.

Die Covid-19-Pandemie hat zwar das Kulturprogramm für Monate schachmatt gesetzt. Aber zumindest mit einem Flohmarkt samt Nachbarschaftsfrühstück stellte man sich im Ausnahmesommer 2020 in den Dienst der nachbarschaftlichen Vernetzung über das Haus hinaus.

Für Einszueins architektur und den Bauträger Schwarzatal war das Gleis 21 nach dem Wohnprojekt Wien im Nordbahnviertel das zweite gemeinsame Projekt auf dem Sektor des partizipativen Wohnbaus. Junge und Ältere, Paare, Singles und Familien wohnen im Haus, zwei Wohnungen stehen schutzbedürftigen Menschen zur Verfügung.

So verschieden die Bewohner, so unterschiedlich die Wohnungen. Quasi maßgeschneidert. „Ich hatte damals noch einen hohen missionarischen Ansatz“, erzählt Architekt Markus Zilker. Mittlerweile würde er die Strategie der „partizipativen Standardisierung“ verfolgen, also versuchen, die Vorteile der zwei Welten Bewohnerbeteiligung und Serienfertigung in Einklang zu bringen.

Flexibilität gefragt

Ohne die Bewohnermitbestimmung, aber bereits mit künftigen Geschäftsmietern im Boot gingen Einszueins mit den Bauträgern Neue Heimat Gewog und deren Tochterunternehmen at home ein Stück weiter beim Quartiershaus an der Maria-Lassnig-Straße am südöstlichen Spitz des Sonnwendviertels vor fünf Jahren in den Wettbewerb.

„Gewerbe im Erdgeschoss war hier, abseits der Fußgängerzone keine zwingende Vorgabe im Wettbewerb“, erzählt Architekt Markus Pendlmayr von Einzueins…

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