Steigende Armut, fehlenden bezahlbare Wohnungen – Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, aber ohne populistische Forderungen im Bereich der Wohnungspolitik

Kommentar von VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner

Explodierende Baukosten, steigende Zinsen, KfW-Förderchaos – selten waren die Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen hierzulande so schlecht wie in diesen Tagen. Es überrascht daher kaum, dass viele Geschäftsführer und Vorstände von VNW-Unternehmen ihre Bauprojekte kritisch auf Umsetzbarkeit prüfen. Im Unterschied zu Unternehmen, die hochpreisigen Wohnraum schaffen, müssen VNW-Unternehmen darauf achten, dass Mieterinnen und Mieter auch künftig ihre Mieten bezahlen können.

Die am Gemeinwohl orientierten Vermieter Norddeutschlands erwarten in diesem und im kommenden Jahr daher einen deutlichen Rückgang des Baus bezahlbarer Wohnungen. Wir gehen davon aus, dass fast 45 Prozent der geplanten Wohnungen nicht errichtet werden bzw. ihr Bau verschoben wird. In den drei norddeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein war für 2023 und 2024 der Bau von 4908 Wohnungen geplant. 2196 Wohnungen stehen jetzt auf der Kippe. Das ergab eine Umfrage unter den Unternehmen.

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Die Gründe für den Verzicht bzw. die Verschiebung liegen zum einen in den gestiegenen Finanzierungs- und Materialkosten. Zum anderen spielt die hausgemachte Unsicherheit bei der staatlichen Förderpolitik eine zunehmende Rolle. So nennen die Unternehmen die fehlende Verlässlichkeit und die unzureichende Höhe der öffentlichen Förderung als Gründe für das Aus oder die Verschiebung von Bauprojekten. Der Bund wird mit seiner aktuellen Förderpolitik seiner Verantwortung für das bezahlbare Wohnen im Norden Deutschlands nicht gerecht. Wir laufen sehendes Auges in eine Verschärfung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt hinein.

Eine schwammige neue Gemeinnützigkeit oder Enteignungsphantasien schaffen nicht eine einzige neue Wohnung und ändern nichts an den Verhältnissen in Problemquartieren. Wir brauchen keinen wohnungspolitischen Aktionismus, sondern wollen bezahlbare Mieten garantieren und uns um den sozialen Frieden in den Quartieren kümmern.

Etwas besser sieht es bei den öffentlich geförderten Wohnungen aus, obwohl auch hier fast jede fünfte geplante Wohnung nicht oder verspätet errichtet wird. Bislang stehen 325 Sozialwohnungen in Frage. Das dürfte daran liegen, dass vor allem Schleswig-Holstein und Hamburg in den vergangenen Monaten rasch auf das Berliner KfW-Förderchaos reagiert und die eigene Wohnungsbauförderung deutlich erhöht haben. Daran sieht man, dass die Politik sehr wohl Mittel hat, dem Einbruch beim Wohnungsbau etwas entgegenzusetzen. In dieser Frage ist auch die Landesregierung in Schwerin gefordert.

Zunehmende sozialen Problemen in einer Reihe von Wohnquartieren

Die schwierige Lage beim Wohnungsbau wird begleitet von zunehmenden sozialen Problemen in einer Reihe von Wohnquartieren. VNW-Unternehmen haben in Teilen ihrer Quartiere mit Armut, Ausgrenzung und sozialer Perspektivlosigkeit zu tun und werden vom Staat mit diesen Problemen allein gelassen. So haben sich Parallelgesellschaften mit eigenen Treffpunkten, Supermärkten und Sportvereinen gebildet. Oftmals treffen in unseren Wohnvierteln unterschiedliche Kulturen aufeinander, was Probleme schafft.

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Das Problem: Konflikte werden vermehrt mit Gewalt ausgetragen. Wir erleben eine zunehmende Verrohung und wachsende Distanz zum Rechtsstaat. Das zeigte sich in einigen Städten an Silvester und bei den Protesten in Lützerath sowie bei Angriffen auf Energieversorgungsunternehmen, die ihre Besucherzentren schließen mussten. Angriffe richteten sich allerdings auch auf Wohnungsunternehmen.

Was läuft schief? Warum läuft es schief? In welchen Ländern läuft es warum besser?

Wir brauchen daher eine gesellschaftliche Debatte über Gewalt, fehlenden Respekt und die bisherigen Integrationskonzepte. Was läuft schief? Warum läuft es schief? In welchen Ländern läuft es warum besser? Das sind jetzt die Fragen, die Politik sich stellen muss. Mehr von dem Alten bedeutet lediglich einen hohen gesellschaftlichen Preis zu zahlen.

Zu dieser Analyse gehört auch, sich von populistischen Forderungen im Bereich der Wohnungspolitik zu verabschieden. Eine schwammige neue Gemeinnützigkeit oder Enteignungsphantasien schaffen nicht eine einzige neue Wohnung und ändern nichts an den Verhältnissen in Problemquartieren. Wir brauchen keinen wohnungspolitischen Aktionismus, sondern wollen bezahlbare Mieten garantieren und uns um den sozialen Frieden in den Quartieren kümmern.

Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

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