Die ausführende Bauwirtschaft trägt entscheidend zur Entwicklung nachhaltiger und effizienter Gebäude bei, wobei Herausforderungen von der Planung bis zur Ausführung bestehen und gerade eine ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung zunehmend an Bedeutung gewinnt.
LINDA PEZZEI
Eine gute Planung garantiert nicht automatisch eine gute Bauausführung. Der höchste CO₂-Ausstoß geschieht während der Errichtungsphase, was die Bedeutung nachhaltiger Baumaterialien und -methoden unterstreicht. Die Koordination zwischen den Beteiligten und die Einhaltung von Zeit- und Kostenplänen können sich als Stolpersteine erweisen. Die gute Nachricht: Nachhaltiges Bauen wird zunehmend als kostenbewusste Strategie angesehen – Betriebskosten können sich so auf lange Sicht senken lassen, auch wenn die anfänglichen Investitionen höher ausfallen können.
Die Betrachtung der Lebenszykluskosten eines Gebäudes, die alle Phasen von der Planung bis zum Rückbau umfassen, ist daher entscheidend, wenn es darum geht, einen klimaneutralen Betrieb zu erreichen. Die Integration digitaler Tools und eine ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung können dabei nützlich sein. Um eine durchdachte Planung auch bestmöglich zur Ausführung zu bringen, bedarf es einer entsprechenden Koordination zwischen Planung und Ausführung.
Die Wirtschaftlichkeit am Prüfstand
Die Lebenszykluskosten umfassen alle Kosten, die während der gesamten Lebensdauer eines Gebäudes – von der Planung, Erstellung und Nutzung bis hin zum Abriss – anfallen. Die Berechnung der Lebenszykluskosten dient dazu, die Wirtschaftlichkeit von Bauprojekten zu bewerten und fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen. Dies erfolgt häufig mit der Kapitalwertmethode, bei der die Barwerte aller zukünftigen Kosten summiert werden. Diese Methode hilft insbesondere beim Vergleich verschiedener Bauvarianten oder Gebäude.
Strategien zur Qualitätssicherung
Das bestätigt auch Kerstin Robausch- Löffelmann, Technisch-operativer Vorstand der BWS-Gruppe: „Die frühzeitige und enge Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten halte ich für essenziell. Planung und Ausführung müssen miteinander abgestimmt werden, und das am besten von Beginn an.“
Das unterstreicht ebenso Johannes Tratter, Technischer Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol: „Mit optimierten Planungen und klaren Vorgaben bei der Bauausführung lassen sich die Kosten in Grenzen halten. Es gelingt uns zudem immer wieder, durch innovative Lösungen neue Akzente zu setzen – wie aktuell bei einem Projekt in der Planungsphase in Innsbruck, für das Strom mittels Wasserstofftechnik erzeugt wird und das Gebäude damit komplett energieautark betrieben werden soll.“
Robausch-Löffelmann sieht klar definierte Abläufe und die Digitalisierung der Prozesse als noch oft ungenutztes Potenzial, das noch deutlich besser ausgeschöpft werden könnte. Bei der Siedlungsgenossenschaft Ennstal finden zur Optimierung der Zusammenarbeit zudem regelmäßige Projektbesprechungen statt, an denen ab der Entwurfsphase alle Planer:innen, Sonderfachleute sowie die Ausschreibenden/ ÖBA teilnehmen, sodass Verbesserungen direkt in laufende oder zukünftige Projekte integriert werden können.
CO²-Ausstoß beim Bau
„Aufgrund der engen Kostenrahmen im geförderten Wohnbau und der Obergrenzen hinsichtlich der maximalen Errichtungskosten pro Quadratmeter Nutzfläche sind innovative Baumaterialien und -techniken leider nur begrenzt umsetzbar“, weiß Wolfram Sacherer, Vorstandsdirektor der Siedlungsgenossenschaft Ennstal. „Trotzdem verfolgen wir gezielt Strategien zur Minimierung des CO₂-Ausstoßes während der Bauphase, indem wir verstärkt auf den Einsatz von Recyclingmaterialien, wie beispielsweise Ausgleichsschüttungen setzen und regionale Baustoffe wie Ziegel, Beton und Holz bevorzugen.“
Auch die Beauftragung regionaler Unternehmen sieht Sacherer als wichtige Drehschraube, um Transportwege zu minimieren. Ein aktuelles Referenzprojekt der NHT ist ein in Bau befindliches Wohnbauprojekt in der Gemeinde Volders, dessen Energieversorgung sich besonders klimafreundlich gestaltet. „Zudem stellen wir derzeit sämtliche zentralbeheizten Bestandsanlagen auf erneuerbare Energieträger um und wollen hier bis 2030 komplett CO₂-frei sein“, ergänzt Tratter.
Die BWSG sieht sich als gemeinnütziger Bauträger vor besondere Herausforderungen gestellt: „Einerseits wird es in den kommenden Jahren besonders wichtig, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig wollen wir unsere Gebäude möglichst nachhaltig errichten. Um diese Ziele in Einklang zu bringen, ist es wichtig, die Lebenszykluskosten eines Gebäudes zu betrachten“, so Robausch-Löffelmann. Höhere Anfangsinvestitionen in nachhaltige Materialien und Technologien könnten laut Robausch-Löffelmann durch niedrigere Betriebskosten und eine längere Lebensdauer ausgeglichen werden. Auch neue Finanzierungsansätze dürften in Zukunft eine größere Rolle spielen, um die Finanzierbarkeit von nachhaltigen Projekten zu gewährleisten.
„Um die Lebenszykluskosten zu optimieren und einen klimaneutralen Betrieb zu gewährleisten, setzt die Siedlungsgenossenschaft Ennstal auf verschiedene Maßnahmen. Dazu gehören der Einsatz von Photovoltaik und Solarthermie, die bevorzugte Nutzung von Fernwärme aus nachwachsenden Rohstoffen sowie der Bau von Holzgebäuden, bei denen die Trennbarkeit von Materialien bei einem möglichen späteren Abbruch möglich ist“, so Sacherer, „aktuell arbeiten wir an der Nachrüstung von PV-Anlagen auf bestehenden Mietwohnungen. Zudem führen wir fortlaufend thermische Sanierungen von Wohngebäuden durch, um deren Energieeffizienz weiter zu steigern.“ Für die Ennstal wäre es wünschenswert, wenn das Fördersystem dahingehend erweitert würde, dass durch höhere Investitionen im Bau langfristig mehr Kosten und Ressourcen eingespart werden könnten.
Konkrete Maßnahmen
Die Energieeffizienz eines Gebäudes zu optimieren, sieht Robausch-Löffelmann als ersten und wichtigsten Schritt: „Hochwertige Dämmung, energieeffiziente Fenster und Türen sowie die Optimierung der Gebäudetechnik minimieren den Energiebedarf für Heizen und Kühlen. Der Einsatz von LEDBeleuchtung und sensorgesteuerten Systemen verringert den Energieverbrauch zusätzlich. Dazu kommt der Einsatz von erneuerbaren oder nachhaltigen Energiequellen in Kombination mit intelligenten Steuerungssystemen.“
Langlebige und nachhaltige Baumaterialien sowie eine nachhaltige Wassernutzung oder auch CO₂- Kompensation könnten zudem Teil des Konzepts sein. „Langfristiges Ziel ist es – kurz gesagt –, den Energiebedarf zu minimieren und den verbleibenden Verbrauch durch saubere Energiequellen zu decken. Als gemeinnützige Wohnbauvereinigung sehen wir es als unsere Verantwortung, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig sind“, so Robausch-Löffelmann.