Politik muss die „Pause-Taste“ drücken, sonst droht eine Überforderung der Mieterinnen und Mieter

Kommentar von VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner

Obwohl das Bundesverfassungsgericht den Haushaltsplanungen des Bundes einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, wollen vor allem die Grünen an ihren Plänen zum energetischen Umbau unsere Gesellschaft festhalten. Das (be)trifft auch die Wohnungswirtschaft.

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Angesichts der massiven Steigerungen bei den Baukosten, hoher Zinsen und der ungeklärten Haushaltslage des Bundes wäre es jedoch sinnvoll, wenn zumindest beim Wohnungsbau die ‚Pause‘-Taste gedrückt würde.

Die am Gemeinwohl orientierten Vermieter, die mehr als 740.000 Wohnungen in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg zu bezahlbaren Mieten anbieten, können derzeit keine weiteren Kostensteigerungen stemmen.

Sie müssten die Mieten drastisch erhöhen, was in Zeiten von Inflation und gestiegenen Heizkosten kaum durchsetzbar wäre, ohne Zehntausende Menschen in Hamburg finanziell zu überfordern.

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Die bundesdeutsche Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten immer ausgezeichnet, dass sie beides erfolgreich verbinden konnte: soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Prosperität des Landes.

Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Gedeihen gehören zusammen

Und ja, die Lage ist schwieriger geworden, weil die Herausforderungen der Energiewende hinzugekommen sind. Die Herausforderung aber bleibt die gleiche: soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Prosperität und Energiewende bedingen einander.

Das Eine ist ohne die beiden anderen Elemente nicht umsetzbar. Konkret heißt das: Klimaschutz wird am Ende nur erfolgreich umgesetzt werden können, wenn er die Menschen finanziell nicht überfordert und dem wirtschaftlichen Gedeihen des Landes nicht schadet.

Für den Bereich der Wohnungswirtschaft heißt das: Die Wohnungsunternehmen dürfen durch hohe Anforderungen beim Klimaschutz nicht daran gehindert werden, Wohnungen zu bezahlbaren Mieten anzubieten. Zugleich müssen Wohnungsunternehmen trotz Investitionen in die Energiewende in der Lage sein, neue Wohnungen zu bauen.

Das klappt derzeit kaum, wie der dramatische Rückgang der Baugenehmigungszahlen und der Baubeginne belegen. Die Leidtragenden sind vor allem jene Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen.


Effizienzhausstandard 55 reicht aus

Es wäre sinnvoll, wenn die Abgeordneten der Landtage und des Bundestages die Klimaschutzgesetze den veränderten Bedingungen anpassten. Eine Solar- und Gründachpflicht sowie überzogene Anforderungen aus dem Gebäudeenergiegesetz überfordern die sozialen Vermieter. Auch sie können den Euro nur einmal ausgeben und ich fürchte, sie werden vor allem in ihre Bestände investieren.

Es würde – auch bundesweit – Signalwirkung entfalten, wenn die norddeutschen Bundesländer gemeinsam beschließen würden, dass – gern befristet auf zunächst fünf Jahre – beim Wohnungsneubau maximal der Effizienzhausstandard 55 gefordert wird, um eine staatliche Förderung zu erhalten. Das würde dem Klimaschutz dienen und Bauherren nicht überfordern.

Zudem stören wir uns daran, dass die Politik zum Teil bis ins kleinste Detail Vorgaben macht, damit erheblichen bürokratischen Aufwand erzeugt und technologischen Fortschritt behindert. So sind beispielsweise in Hamburg – anders als in anderen Bundesländern – Stromdirektheizungen verboten, obwohl diese – wenn sie mit Strom von Solarzellen vom Dach versorgt werden – klimafreundlich und preisgünstig sind.

Entscheidend ist die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen

Die sozialen Vermieter kritisieren vor allem, dass im Zentrum gesetzlicher Regelungen technische Vorgaben wie beispielsweise die Installation von Gründächern stehen, aber die Frage, ob diese Anlagen am Ende wirklich die versprochene Reduzierung klimaschädlicher Emissionen bewirken, kaum kontrolliert wird.

Entscheidender wäre aus unserer Sicht, dass wir regelmäßig die reale Minderung klimaschädlicher Emissionen der einzelnen technischen Lösungen überprüfen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse kann dann jeder Eigentümer entscheiden, auf welchem Weg er die staatlich vorgegeben Minderung klimaschädlicher Emissionen erreichen will. Letztlich führen viele Wege nach Rom.

Zeitliche Vorgaben überprüfen

Die sozialen Vermieter stehen hinter dem Ziel der Energiewende, den Ausstoß schädlicher Emission auf Netto-Null zu reduzieren. Die Frage ist, ob die Ambitionen, das in dem bisher vorgegebenen Zeitrahmen zu schaffen, sinnvoll sind. Ich fürchte, dass die Menschen sich vom Klimaschutz abwenden – und damit wäre dem Klima nicht gedient.

Es gibt inzwischen unterschiedliche Studien, die den Weg zu einer erfolgreichen Energiewende weisen. Jetzt kommt es darauf an, diese Erkenntnisse mit den Möglichkeiten des Praxis zu versöhnen und einen pragmatischen Weg zu finden. „Follow the science“ gilt auch hier.

Die Vermieter Norddeutschlands verstehen sich als Interessenvertreter ihrer Mieterinnen und Mieter. Sie sind aber auch Partner der Politik, wenn es gilt, die Energiewende in den Bundesländern erfolgreich umzusetzen.

Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

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