Klimafreundlich und zukunftsfähig bauen

In Kooperation mit dem Bundesministerium für Klimaschutz lud die Plattform ReConstruct zu einer internationalen Expertendiskussion, im Rahmen derer aktuelle Fragen zur nachhaltigen Transformation des Bauens im Fokus standen.
GISELA GARY

Bei der Veranstaltung der Plattform Re- Construct in Wien standen die Transformation des Bauens und die Rahmenbedingungen für zielführende Lösungsansätze für eine fossilfreie Zukunft im Zentrum. Keynotes vom schwedischen Forscher Lars Zetterberg, Mistra Carbon Exit, und dem österreichischen Bauphysiker Sebastian Nödl, 2226 GmbH, sorgten für spannende Diskussionen. Mit dabei u. a.: Robert Jansche, Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB), Filip Johnsson und Ida Karlsson, Mistra Carbon Exit und Chalmers University Göteborg, sowie Gerd Pichler, Bundesimmobiliengesellschaft, BIG, und Henriette Spyra, Bundesministerium für Klimaschutz. Die zentrale Fragestellung war, welche Baukonzepte für die Gesellschaft notwendig sind, um den ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen standhalten zu können.

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„Konkrete Beispiele können als praktische Orientierung dienen. Denn wo nachhaltige und klimafreundliche Lösungen einmal realisiert sind, lassen sich Erkenntnisse für weitere Entwicklungen ableiten“, zeigte sich Christian Egenhofer, Centre for European Policy Studies Brüssel sowie Repräsentant von ReConstruct, überzeugt, „Sich international umzuschauen, ist naheliegend, denn die Herausforderungen an die Baubranche sind in allen europäischen Industrieländern ähnlich: Ein gewaltiger Gebäudebestand muss saniert und ‚klimafit‘ gemacht werden. Und neue Gebäude sollen diese Ansprüche von vornherein erfüllen, damit sie keine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte, sondern ein Asset sind.“

ReConstruct-Experten: Robert Jansche, Sebastian Nödl, Gerd Pichler, Christan Egenhofer, Stefan Schleicher, Henriette Spyra, Filip Johnsson, Ida Karlsson, Lars Zetterberg. FV Steine Keramik

Absage an fossile Energie

Zetterberg zeichnete die bisherige Erfolgsstory von Mistra Carbon Exit nach und zeigte, wie Schweden entschlossen am Ausstieg aus fossilen Rohstoffen arbeitet. Mistra ist eine schwedische Stiftung für strategische Umweltforschung, die das Carbon-Exit-Forschungsprogramm finanziert. Die Forschung identifiziert die Potenziale in Technik, Wirtschaft und Politik, die mit dem Klimaziel Schwedens, bis 2045 die Netto-Nullemission zu erreichen, verbunden sind.

Im Rahmen der Führung durch den Vorzeige-Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt wurde den Teilnehmern auch ein Blick in die Gebäudetechnik gewährt – der Campus kommt völlig ohne fossile Energie aus, die Speichermasse von Beton wird zur Bauteilaktivierung genutzt. Foto: Roland Zipfel
Stefan Schleicher, Angela Köppl, Andreas Pfeiler, Christian Egenhofer und Henriette Spyra sowie die schwedische Delegation tauschten sich am Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt über visionäre Projekte und Technologien aus. Foto: FV Steine Keramik

Analysiert werden die Lieferketten, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt, inklusive Energiebedarf. „Das Programm selbst wird nicht nur durch die Forschung entwickelt, sondern in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Behörden, Gemeinden und anderen gesellschaftlichen Playern“, erläuterte Zetterberg. So sei sichergestellt, dass die Konzepte realistisch sind und finanzierbar bleiben.

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Seine Ausführungen wurden von Ida Karlsson und Filip Johnsson konkretisiert. Karlsson illustrierte die Methode der Lieferkettenanalyse mit Zahlen: „Schon mit aktuell verfügbaren Technologien und Praktiken lassen sich die Treibhausgase bis zu 50 Prozent reduzieren – und diese Rate lässt sich mittelfristig noch steigern.“ Im Jahr 2045 können nahezu Netto-null- Emissionen erreicht sein. Dies erfordere Maßnahmen entlang der gesamten Lieferkette, wodurch eine große Herausforderung in viele kleine Ansatzpunkte zerlegt werde. „Ein wichtiger Milestone ist die Etablierung systematischer Arbeitsmethoden – dazu gehören Klima-Aktionspläne und die Einführung eines Carbon Managers, zuständig für den CO₂-Haushalt eines Gebäudes“, so Karlsson.

Johnsson erläuterte die Dekarbonisierung von Materialien, wie sie in Gebäuden und Infrastruktur benutzt werden: „Um Emissionen entscheidend zu senken, braucht es unter anderem klimaneutralen Zement und Stahl mit CO₂-Abscheidung und Elektrifizierung.“

Minimale Haustechnik

Wie Energieeffizienz funktionieren kann, zeigte der Bauphysiker Sebastian Nödl. Sein Büro bietet Optimierung durch Unterstützung der Architektur sowie Reduktion der klassischen Haustechnik – ersetzt durch intelligente Software nach dem 2226-Prinzip: Ein Haus ohne Heizung und Kühlung hält eine angenehme Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad. Dazu dienen Frischluft und die Wärme von Menschen und Geräten einerseits sowie ein System von Lüftungsklappen andererseits. Ein Pioniergebäude in Lustenau liefert seit zehn Jahren den praktischen Beweis, dass das Konzept funktioniert. Der jährliche Energieverbrauch ist weniger als ein Drittel dessen, was eine vergleichbare Standardimmobilie benötigt. „2226 steht für ressourcenschonend und reduzierte Kosten – und ist geeignet für Neubau und Gebäudesanierung“, erklärte Nödl. Die angewandte Technik sei langlebig und brauche keine Updates. „Darauf basiert unser Anspruch, auch technisch für einen Zeithorizont von 100 Jahren und mehr zu planen“, so Nödl, der abschließend an die Politik appellierte: Um innovative Technologie zur Energieeffizienz voranzubringen, braucht es mehr Förderungen sowie vereinfachte und standardisierte Genehmigungsverfahren.

Visionäre Best Practice

Am zweiten Tag standen Best Practice im Vordergrund. Gestartet wurde mit einer Führung durch den Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt mit Gunther Laher von der Magistratsdirektion Bauten und Technik – das Gebäude nutzt die Speichermasse von Beton zur Bauteilaktivierung und wird völlig ohne fossile Energie versorgt. Anhand verschiedener innovativer Gebäude wurde gezeigt, wie der CO₂- Ausstieg in Wien gelingen kann.

ReConstruct
ist eine Forschungsplattform in Partnerschaft mit dem Wifo, Sustainserv Zurich – Boston, Centre For European Policy Studies Brussels, Wegener Center der Universität Graz mit Unterstützung des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie. www.rethinkconstruction.net

Daniela Huber von der Sozialbau AG präsentierte den Wohnbau Große Neugasse mit fassadenintegrierter Bauteilaktivierung. Vinzenz Dreher von Dietrich Untertrifaller Architekten veranschaulichte anhand des DC Tower 3 „District Living“, wie Flächenschonung mit dem Baustoff Beton gelingen kann. Geheizt und gekühlt wird ebenso mit Bauteilaktivierung. Sebastian Spaun von der VÖZ erläuterte anhand des Wohnbaus MGG22 die erstmalige Kombination aus 100 Prozent erneuerbarer Energie, Erdwärme und thermischer Bauteilaktivierung für Heizen und Kühlen im sozialen Wohnbau. Thomas Friedrich von Innogration führte die Vorteile sehr dünner Betondecken mit Bauteilaktivierung bei der Sanierung des Althan Quartiers aus.

Wie im historischen Bestandsbau Geothermie erfolgreich zum Einsatz kommt, erfuhr das Publikum von Johannes Zeininger von Zeininger Architekten anhand des Sanierungsprojekts Smartblock Geblergasse. Eine spannende Abschlussdiskussion über sektorübergreifende Wertschöpfungsketten für Klimaneutralität mit Joseph Kitzweger, CEO von C2PAT, und Reinhold Lang, Professor an der Johannes- Kepler-Universität Linz, rundete die Veranstaltung ab.

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