Gut für alle

Der gemeinnützige Sektor stellt nicht nur die Versorgung mit leistbaren Wohnungen sicher, er wirkt sich auch preisdämpfend auf den Gesamtmarkt aus. Dies wurde jetzt in einer Studie nachgewiesen.
MAIK NOVOTNY

Mit rund 220.000 Gemeindewohnungen und mehr als 200.000 Wohnungen aus dem geförderten Wohnbau verfügt Wien über ein umfassendes Angebot an erschwinglichen Wohnungen – ein wesentlicher Faktor für Leistbarkeit und soziale Nachhaltigkeit. Über 60 Prozent der inzwischen mehr als zwei Millionen Wiener leben bereits heute in einer geförderten oder einer Gemeindewohnung. Der private Sektor, so die immer noch verbreitete Meinung, funktioniert unabhängig davon ganz nach den Gesetzen des Marktes. Doch das stimmt nicht ganz, denn hier gibt es Wechselbeziehungen. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) gemeinsam mit dem wohnwirtschaftlichen Referat des Verbands der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) im Auftrag der MA 50 weist nach, dass der gemeinnützige Sektor sich auch auf den Gesamtmarkt preisdämpfend auswirkt.

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Die Studienautoren analysierten dafür eine Vielzahl von Daten aus den letzten 50 Jahren. „Wie groß diese Wirkung ist, hängt stark vom Marktanteil im jeweiligen regionalen Mietwohnungsmarkt ab. Im Durchschnitt zeigt sich, dass eine Steigerung des GBV-Marktanteils um zehn Prozent zu einem Rückgang der unregulierten Mieten um 30 bis 40 Cent pro Quadratmeter führt. Bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung entspricht dies einer Ersparnis zwischen 250 und 340 Euro pro Jahr“, erklärt Studienleiter Michael Klien. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen verzeichnen einen Marktanteil von 40 Prozent am Mietwohnungssektor und 17 Prozent am Häuser- und Wohnungsbestand – ein Anteil mit hoher Relevanz für die Gesamtentwicklung.

Volkswirtschaftliche Effekte

Schon eine vorige Studie hatte die direkten volkswirtschaftlichen Effekte von GBV-Mieten mit einer Ersparnis von rund 1,2 Milliarden Euro für die GBV-Mieter nachgewiesen. Jetzt zeigt sich, dass es auch indirekte Effekte gibt. „Die unregulierten Mieten sind aufgrund des Wettbewerbs mit unseren GBVs um durchschnittlich rund fünf Prozent günstiger, als dies ohne GBVs der Fall wäre“, so GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer.

Die Studienautoren untersuchten dabei nicht nur den gegenwärtigen Wohnungsmarkt, sondern auch die historischen und regionalen Aspekte. In der historischen Gesamtschau werde deutlich, wie die Deckelung und die Regulierung von Mieten im gemeinnützigen Bereich für ein hohes Maß an Stabilität und Kontinuität sorgen, was den traditionell volatilen Mieten am freien Markt zugutekommt.

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Anlaufstelle für alle Wohnfragen: die Wohnberatung Wien, Foto: WSW/Ludwig Schedl

Regionale Unterschiede

Besonders interessant und auch für die Zukunft höchst relevant: Die regionalen Unterschiede innerhalb Österreichs. „In Regionen mit höherem GBVAnteil am Mietwohnungsmarkt liegen die unregulierten privaten Mieten näher an der Kostenmiete der GBVs und sind daher günstiger“, so Studienleiter Klien. In Regionen mit einem hohen GBV-Mietmarktanteil, im locker besiedelten Raum und im Osten Österreichs, punkten GBVs besonders stark durch ihren Qualitätsvorsprung dank eines relativ jungen Mietwohnungsbestands mit besserer Ausstattungsqualität als die Privaten. In Wien, wo der Mietmarkt dominiert, hatten die GBVs über Jahrzehnte vorrangig die Aufgabe, die Wohn- und Ausstattungsqualität am Mietsektor zu leistbaren Konditionen zu erhöhen und hoben sich so schon seit Langem von der privaten Miete vor allem durch bessere Qualität ab. Seit ein bis zwei Jahrzehnten kam der Preisvorteil als wesentliches Unterscheidungsmerkmal hinzu.

Alles aus einer Hand: Wohnberatung Wien 
Für alle Wiener, die in geförderten Miet- und Genossenschaftswohnungen, geförderten Eigentumswohnungen, gefördert sanierten Wohnungen, wiedervermieteten Wohnungen oder Gemeindewohnungen zu Hause sind, bietet die Wohnberatung Wien als Servicestelle der Stadt Informationen zum Wohnungsangebot und zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten. Online auf wohnberatung-wien.at können sich Interessierte, die Anspruch auf ein Wiener Wohn-Ticket haben, registrieren und nach einer geförderten Wohnung oder einer Gemeindewohnung suchen. Online können Suchprofile mit den persönlichen Präferenzen erstellt und interessante Angebote auf Merklisten gespeichert werden.

Blickt man in Richtung Westen, tritt dieser Preisvorteil noch stärker in den Vordergrund, weil der freie Wohnungsmarkt dort – wie das Beispiel Innsbruck zeigt – besonders angespannt ist und eine hohe Nachfrage einem rückläufigen Angebot gegenübersteht. Zudem stellen die Studienautor:innen in ihrer regionalen Untersuchung fest, dass der gemeinnützige Wohnbau kein rein städtisches Phänomen ist. Auch in Regionen mittlerer und niedrigerer Dichte sind teils substanzielle GBV-Anteile vorhanden, die groß genug sind, um preisdämpfende Effekte auf den lokalen Wohnungsmarkt auszuüben.

Die hohen Ausstattungsqualitäten im GBV-Bestand sind laut den Studienautoren auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Dekarbonisierung im Wohnbau relevant. Der gemeinnützige Wohnbau hatte bei der Energieeffizienz und Sanierung in den vergangenen Jahrzehnten bereits eine Vorreiterrolle inne. Pro Jahr werden laut GBV-Verbandsstatistik zwischen 7.000 und 12.000 GBV-Wohnungen thermisch saniert. Bei rund 72 Prozent des vor dem Jahr 2000 errichteten Mietwohnungsbestands der GBV ist dies bereits erfolgt, während der Anteil beim Gesamtbestand nur 47 Prozent beträgt. Das heißt, auch in Zukunft wird der gemeinnützige Sektor gesamtgesellschaftlich ein positiver Faktor für Leistbarkeit und Klimagerechtigkeit sein.

Das Wohnticket führt auf den Weg ins gemeinsame Wohnglück. Foto: WSW/Ludwig Schedl

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