Neue Meilensteine

Die WBV-GPA feiert dieses Jahr ihren 70. Geburtstag und hat noch viel vor. Besondere Schwerpunkte bilden dabei die Sanierung des Bestands und innovative Energiekonzepte.
MAIK NOVOTNY

Menschen, Maßstäbe, Meilensteine: So lautet das Motto der WBV-GPA, die dieses Jahr gleich mehrere Meilensteine in unterschiedlichen Maßstäben feiert. Dabei steht das erste „M“ nicht ohne Grund an erster Stelle, sagt Geschäftsführer Michael Gehbauer. „Wir haben mehr als 9.000 Wohneinheiten und 1.500 Heimeinheiten. Wir haben also Einfluss auf das Lebensumfeld von 22.000 Menschen. Bei uns spielt sich das ganze Leben ab, von 0 bis 99. Die große Herausforderung in Zukunft ist und bleibt die Leistbarkeit.“

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Dann wäre da der besondere Meilenstein des eigenen runden Geburtstags: Im Dezember feiert die WBV-GPA den 70er mit einer umfangreichen Publikation. Und natürlich die Meilensteine in gebauter Form. Manche von ihnen sind vor allem aufgrund ihres innovativen Maßstabs beeindruckend, andere aufgrund ihrer innovativen inneren Werte.

Ein 128 Meter hoher Meilenstein in Form des The One in Wien-St. Marx gemeinsam mit Neues Leben, das höchste von gemeinnützigen Bauträgern errichtete Haus in Österreich. Schon 2007 hatte die WBV-GPA mit dem Wohnturm K6 in der Kundratstraße die Typologie des Wohnhochhauses wiederentdeckt, bevor sie zum weitverbreiteten Phänomen werden sollte. Schon damals wurde die Leistbarkeit des Wohnens in der Vertikalen ausgelotet und mit „The One“ der nächste Schritt gewagt – auch wenn, wie Michael Gehbauer sagt, angesichts der Bau- und Betriebskosten für Hochhäuser heute der Spielraum für leistbare Mieten begrenzt ist.

Das 2023 gestartete Pilotprojekt Reconstructing Amstetten bringt einen Bestandsbau von 1966 auf neuesten Stand.

Ein weiteres Kontinuum bei der WBV-GPA ist das Bauen mit hohem sozialen Anspruch, das auch besonders bedürftige Gruppen inkludiert – so kooperiert man beispielsweise seit vielen Jahren mit dem neunerhaus in der Schaffung von Wohnraum für Langzeitobdachlose. Die Dachgleiche feiert man zum Jahreswechsel 2023/24 in der Puchsbaumgasse in Wien-Favoriten, wo das 2015 im Zuge der Geflüchteten- Thematik gestartete Projekt „Bienvenue“ emporwächst, inklusive Studierendenwohnheim und Ballspielkäfig auf dem Dach. Als Nächstes folgen das Sophienspital in Wien-Neubau in Partnerschaft mit der Sozialbau – hier erfolgte Anfang Oktober der Spatenstich.

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Im Norden von Wien schließlich wird 2024 das Projekt in der Muthgasse 50 gestartet. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte errichtete die WBV-GPA hier ein „Mixed-Use-Project“ in der Widmungskategorie „Produktive Stadt“. In diesem Rahmen entstehen rund 280 leistbare Wohnungen, ein Wohnheim sowie Geschäfte, Büros, ein Kindergarten, ein Mehrzweckturnsaal und eine E-Mobilitätsstation.

Paradigmenwechsel am Bau

Parallel zu diesen Neubauprojekten werden immer mehr Meilensteine im Bestand und der Sanierung gesetzt. Hier hat die WBV-GPA den Paradigmenwechsel in der Baubranche längst registriert, wie Michael Gehbauer betont: „Früher kamen die Architekten zu uns und haben gefragt, ob wir ein Grundstück für ein Projekt zur Verfügung haben. Heute fragen sie uns, ob sie unseren Gebäudebestand analysieren dürfen.“

Michael Gehbauer, Foto: foto-wilke.at

Ein Musterprojekt für die Sanierung des Baubestands startet derzeit in einer Wohnhausanlage aus dem Jahr 1966 in Niederösterreich: Reconstructing Amstetten. „Hier gibt es einiges zu tun“, sagt WBV-GPA-Geschäftsführerin Nadja Horvath. „Die Grundrisse sind veraltet, es gibt keinen Aufzug und keine privaten Freiflächen. Wir haben ein Jahr intensiv nachgedacht und uns entschlossen, hier richtig tief in die Sanierung hineinzugehen.“ Das erste Haus wird bis auf Außenwände und Decken entkernt und mit Lift und Balkonen ergänzt. Das Satteldach wird zum Flachdach mit Photovoltaikanlage, im Inneren werden thermische Bauteilaktivierung mit Deckenheizung und -kühlung die alten Gasthermen ersetzen. „Mit der Deckenheizung und vor allem der immer wichtiger werdenden Kühlung haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht – auch in unseren eigenen Büroräumlichkeiten“, erklärt Nadja Horvath.

Die große Herausforderung in Zukunft ist und bleibt die Leistbarkeit.

Michael Gehbauer

Nach erfolgter Sanierung und Analyse des ersten Hauses sollen auch die anderen auf Stand gebracht werden, insgesamt wird Reconstructing Amstetten so ein Vorbildprojekt für die Modernisierung des Bestands im Sinne von „Raus aus Öl und Gas“, eine der größten Aufgaben für den Wohnbau in den kommenden Jahren. Hier wird derzeit auf allen Ebenen geforscht und geplant. „Die Bauwirtschaft ist wie ein Tanker, der Richtung Neubau fährt“; so Michael Gehbauer. „Ganz umdrehen wird er nie, aber er fährt heute schon etwas langsamer und dreht sich leicht Richtung Sanierung und Umbau.“

Energetische Innovation

Nadja Horvath, Foto: foto-wilke.at

Bereits in der Analysephase ist man beim großvolumigen Wohnprojekt Wientalterrassen, der mit viel energetischer Innovation gestartet ist: Deckenheizung, Geothermie, Photovoltaik und Wärmerückgewinnung über das Abwasser. Hier wurde den Bewohnern beim Einzug mit niederschwelligen Videos die richtige Benutzung vermittelt, heute sind viele Fachabteilungen von Haustechnik bis Energieplanung und Abrechnung in Teamsitzungen dabei.

Wir lernen alle viel voneinander durch die Zusammenarbeit.“

Nadja Horvath

„Wir lernen alle viel voneinander durch die Zusammenarbeit“, freut sich Nadja Horvath. Grundsätzlich, so die beiden Geschäftsführer, bedeute die immer wichtigere Rolle der Bestandsanierung auch eine neue Definition des Begriffs „Erfolg“, sprich: weg vom reinen Spatenstich-Denken. Welche Erfolgsdefinition gilt in Zukunft? „Ganz klar: die Zufriedenheit der Mieter“, sagt Michael Gehbauer.

Damit die Menschen die Meilensteine auch im Maßstab 1:1 besichtigen können, plant die WBV-GPA in Kooperation mit der Überbau-Akademie ein neues Exkursionsprogramm namens Architek-Touren. Dass es auf diesen Spaziergängen sowohl programmatisch in die Breite als auch baulich in die Höhe gehen wird, dürfte garantiert sein.

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