Gemeinnützigkeit quo vadis?

Wohin geht der Weg der Gemeinnützigkeit – in Anbetracht der Energiepreise, der Grundpreisentwicklungen und laufend steigender Baupreisentwicklungen? Wie kann zukünftig ausreichend leistbarer Wohnraum in Österreich zur Verfügung gestellt werden? 2023 ist das Jahr der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft – lautete das Fazit beim 75. Symposium, das gemäß dem Jubiläum gebührend gefeiert wurde.
GISELA GARY

Die Brisanz des Themas führte zu einem überfüllten Jubiläumssymposium „Die Zukunft des Wohnens“. Der Veranstaltungssaal im 12. Stock des Erste Campus mit traumhaftem Ausblick auf die Stadt war bis auf den letzten Platz gefüllt. Dass es das 75. Symposium „Die Zukunft des Wohnens“ war, war nur eines der Highlights des spannenden und auch kontroversiellen Nachmittags. Robert Koch erfand den exklusive Branchenevent vor 28 Jahren.

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Karl Hofer, Geschäftsführer Triflex, fühlte sich angesichts des großen Andrangs bestätigt, sich als einer der Hauptsponsoren beim Symposium zu engagieren. Fotos: Oreste Schaller

Gerda Holzinger-Burgstaller, Vorstandsvorsitzende der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, freute sich über das volle Haus und die hochkarätigen Gäste: „Die Gemeinnützigkeit trägt entscheidend dazu bei, dass wir mit den Mietpreisen immer noch rund 20 Prozent unter dem EU-Schnitt liegen. Aber auch in puncto Nachhaltigkeit sehe ich die GBV als Vorreiter. Für eine erfolgreiche Zukunft ist allerdings die Politik gefordert.“

Gerda Holzinger-Burgstaller, Vorstandsvorsitzende der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG, freute sich über das volle Haus und die hochkarätigen Gäste. Fotos: Oreste Schaller

Karl Hofer, Geschäftsführer von Triflex, fühlte sich angesichts des großen Andrangs bestätigt, sich als einer der Hauptsponsoren beim Symposium zu engagieren. Klaus Baringer, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, GBV, übernahm die feierliche Eröffnung des Jubiläumssymposiums: „Die GBV sind bezüglich leistbares Wohnen ein internationales Herzeigemodell – unsere Mieter ersparen sich jährlich 1,3 Milliarden Euro. Die Kraft des Wohnbaus ist entscheidend – für Wirtschaft, Preisbildung, Lebensqualität und Wohnqualität.

Klaus Baringer, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, betonte die GBV als das Herzeigemodell für leistbares Wohnen. Fotos: Oreste Schaller

Stabilität in Bewegung ist mein Slogan – so wie wir bis dato finanziert haben, wird es nicht mehr sein. Vor 25 Jahren betrug die Wohnbauförderung 2,4 Milliarden Euro, im Jahr 2000 bereits drei Milliarden – 2023: 1,8 Milliarden. Das muss Botschaft genug sein, so werden wir zukünftig keinen leistbaren Wohnraum mehr errichten können, wir brauchen mehr Mittel.“

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Sozialer Frieden

Michael Holoubek, Professor für Öffentliches Recht am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht der WU Wien sowie Richter am österreichischen Verfassungsgerichtshof, betonte in seiner Keynote die Bedeutung der Gemeinnützigkeit am Wohnungsmarkt: „Wenn man wissen will, wohin man geht, muss man wissen, wo man steht – ist ein altes Sprichwort. Wohnen ist ein Grundrecht, ist auch in der Verfassung festgeschrieben.

Wie kann leistbarer Wohnraum auch in Zukunft gesichert werden? Nur durch die GBV, so das Fazit der Diskussion: Franziska Leeb, WohnenPlus, Michael Priebsch, Erste Bank, Isabella Stickler, Alpenland, Michael Gehbauer, WBV-GPA, und Michael Klien, Wifo.
Mehr als 100 Teilnehmer kamen zum Jubiläumssymposium in den 12. Stock des Erste Campus.
Für Michael Holoubek, Professor an der WU Wien sowie Richter am Verfassungsgerichtshof, ist das Symposium eine Institution.

Hinter dem Volkswohnungswesen steht der Daseinsvorsorgegedanke, und der darf nicht verloren gehen. Die GBV sind die Alternative zwischen staatlicher und gewerblicher Wohnungsbereitstellung – das ist eine hohe gesellschaftliche Verantwortung und zugleich die Voraussetzung für sozialen Frieden.“

Holoubek sieht bei den GBV eine Speicherfunktion und ein hohes Potenzial für Problemlösungskompetenz. Die GBV sind rechtlich abgesichert und garantieren leistbaren Wohnraum: „Aber dazu braucht es Menschen – solche wie Robert Koch, die nicht müde werden, sich für den sozialen Wohnbau einzusetzen.“

Michael Holoubek

„Die GBV haben das Potenzial für Problemlösungskompetenz.“

Michael Holoubek
Isabella Stickler

„Wir brauchen beides: Miete und Kauf.“

Isabella Stickler
Michael Klien

„2023 ist das Jahr der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft.“

Michael Klien

Ideen und Visionen

Michael Klien, Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, Isabella Stickler, Vorstandsvorsitzende der Gemeinnützigen Bau-, Wohn und Siedlungsgenossenschaft Alpenland, Michael Gehbauer, Geschäftsführer der WBV-GPA und Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, und Michael Priebsch, Leiter großvolumiger Wohnbau der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG lieferten sich einen Schlagabtausch an Ideen und Visionen – doch das Geld blieb am Ende das Thema.

„2023 ist das Jahr der gemeinnützigen Bauträger“, meinte Klien. Von einer allgemeinen Mietpreisbremse hält er nichts: „Die GBV sind immer auch ein Spiegelbild des Wohnungsmarkts – und zugleich eine Mietpreisbremse. Das meine ich ganz ohne Sozialromantik, bei den GBV gibt es keine Zyklen die bauen einfach.“

Michael Gehbauer beschreibt die Weltmeisterrolle der GBV in puncto Wohnbauförderung – warnte aber davor, wenn die erforderlichen Mittel nicht aufgestockt werden: „Die Rechnung ist einfach: Ein Prozent höhere Zinsen entspricht einem Euro Miete.“ Die zweite Herausforderung ortet Gehbauer im Bestand.

Für Isabella Stickler muss es beide Modelle weiterhin geben, Miete und Kauf: „Die Mietkaufoption ist unser wichtigstes Standbein.“ Und beim Bestand? „Ja, klar, Sanierung und Energieeffizienz im Eigentum sind eine Herausforderung, doch auch da fordere ich Anreize und Förderungen – denn unser Ziel ist ja, bis 2040 CO2-neutral zu sein.“

Widmungs- und Baumüdigkeit

Michael Priebsch wagte eine Provokation: „Eigentum verpflichtet? Uns ist es egal, ob Miete oder Eigentum. Es gibt den Generationenkredit als taugliches Instrument – wir brauchen aber längere Laufzeiten, da sehe ich massiven Handlungsbedarf. Voraussetzung ist, dass die Politik zur Leistbarkeit steht.“

Michael Priebsch

„Es gibt genug Finanzierungsmöglichkeiten.“

Michael Priebsch

Klien betonte, dass die Diskussionen wegen höherer Förderungen vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung zu sehen sind und sprach sich klar gegen weitere staatliche Eingriffe aus: „Der Einbruch bei den privaten und gewerblichen Anbietern ist bereits massiv – da wird es zu einer Bereinigung kommen.“

Gehbauer würde gerne zusätzliche Mittel abholen, da die derzeit zulässige Miete gemäß Wiener Wohnbauförderung auf Grund der gestiegenen Zinsen ohne zusätzliche Annuitätenzuschüsse oder höhere Förderungsdarlehen nicht gewährleistet werden kann. Stickler brachte als Hemmnis ein, dass auch die Rahmenbedingungen bei Behörden extrem gestiegen sind: „Wir müssen schneller ins Bauen kommen und Lösungen ausreifinden. Wenn wir weniger Flächen haben, dann bauen wir eben in die Höhe!“

Michael Gehbauer

„Die gestiegenen Zinsen sind eine Herausforderung.“

Michael Gehbauer

Für Priebsch ist das Thema Geld kein Problem: „Es gibt zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten – es kann auch eine Gemeinde ihren Grund im Baurecht vergeben – und im Bestand gibt’s noch viel Verdichtungspotenzial. Aber vielleicht wäre es hilfreich, wenn alle Förderungen nur noch auf Bundesebene passieren.“

Klien beruhigte die Runde: „Die Baukosten werden sich wieder einpendeln. Mehr Turbo bräuchte es bei der Bodenverfügbarkeit, hier sehe ich eine gewisse Widmungs- und Baumüdigkeit in Österreich.“

Politische Debatte: Zwischen keiner Krise und Bedrohung

Nina Tomaselli, Abgeordnete zum Nationalrat und Wohnbausprecherin, Die Grünen, und Johannes Margreiter, Abgeordneter zum Nationalrat und Wohnbausprecher, NEOS, kämpften im politischen Duell um Krise oder Nicht-Krise. Sie waren sich in nur sehr wenigen Punkten einig – beide stellten aber die wichtige Rolle der GBV nicht infrage. „Ich sehe keine Krise, ich bin ein zutiefst progressiver Mensch – die Gemeinnützigen sind so resilient, die schaffen auch die aktuellen Herausforderungen. Immerhin, deren Konzept besteht seit über 100 Jahren“, so Tomaselli.

Margreiter sieht sehr wohl schwarze Wolken am Himmel: „Die Bedrohungen sind schon offensichtlich. In Tirol erlebe ich die GBV massiv unter Druck. Aber klar, der Output insgesamt stimmt. Aber wie lösen wir die Bodenknappheit? Wir müssen die Raumordnungskompetenz schärfen – und auf Bundesebene bringen. Nur so können wir ausreichend Grund für leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Und den Gemeinden würde ich dann klare Vorgaben machen. Aber die GBV sollten auch andere Finanzierungssysteme andenken – warum verlangen sie nicht einkommensabhängige Mieten?“


Ein Aufschrei von Tomaselli folgte als Antwort: „Also da halte ich gar nichts davon! Es geht um Siedlungsentwicklung und Gemeinschaft. Wir müssen die Gemeinnützigkeit stärken, aber in der geförderten Miete und sicher nicht im Kauf – die Wohnbauförderung ist eine knappe Ressource.“ Margreiter: „Dann bitte aber mit Zweckbindung – und auf Bundesebene. Und der Bestand benötigt ebenso Mittel.“ Mietpreisbremse?

Tomaselli sieht jede Form der Indexierung als wichtige preisdämpfende Wirkung – Margreiter hält nichts von einer Mietpreisbremse, diese sei ungerecht. Als abschließende Überraschung wurde ein politisches Geheimnis gelüftet: Eine weitere WGG-Novelle wird demnächst präsentiert, damit sollen finanzielle Erweiterungen möglich werden und missverständliche Interpretationsmöglichkeiten ausgeräumt werden.

Tischgespräche: Mit mehr Selbstbewusstsein in die Zukunft

An den elf Tischen wurde die Frage „Was muss geschehen, damit die Gemeinnützigkeit in 20 Jahren noch ihren Zweck erfüllen kann?“ intensiv diskutiert und die möglichen Lösungsansätze von den Tischsprechern präsentiert. Bei der Online-Stimmungsabfrage via Handy stimmten 31 der Symposiumsteilnehmer mit JA auf die Frage „Muss sich die Gemeinnützigkeit neu erfinden?“ – und 59 Personen mit NEIN – der Rest war sich unsicher.

„Wir müssen gemeinsam Lösungen suchen, erarbeiten und definieren – die Gemeinnützigkeit wird nur mit einer viel stärkeren Zusammenarbeit von allen Beteiligten erfolgreich weiter bestehen können.“
— Ulrike Pitro, ASAP-ZT

„Wir stehen zu 100 Prozent zu leistbarem Wohnraum – zu den Qualitäten und der Architektur, doch das Thema Wohnen muss wieder positiv besetzt werden und die Realisierung von Wohnbau muss schneller gehen.“
— Andreas Dominko, Neue Heimat/Gewog

„Wir sind davon überzeugt, dass die Lebenszykluskosten ins Zentrum rücken müssen – Junge brauchen leistbare Wohnungen, im Alter ist die Wohnung dann ausfinanziert. Die Wohnungen müssen wieder größer werden.“
— Markus Riel, Internorm

„Es gibt viele offene Themen, die in der Verantwortung der Politik liegen: Es gibt große Ressourcen, die für andere Elemente im Bauen verwendet werden könnten. Wir fordern die bundesweite Ausrollung der Widmung für geförderten Wohnbau.“
— Architektin Sne Veselinović

„Die Klimakrise ist das zentrale Thema – GBV-Wohnungen müssen in GBV-Hand bleiben, wir sprechen uns gegen den Verkauf aus. Bezüglich Ortskerne fragen wir uns, wie das mit den Kosten zu schaffen sein wird – dazu zählt ebenso, dass Nachverdichtung nur gelingen kann, wenn die GBV ihren Bestand behalten.“
— Christa Prantl, Runser Prantl Architekten

„Wir sehen ein Erfolgsmodell der Zukunft in der Drei-Generationen-Lösung, das Erreichte muss dabei stärker kommuniziert werden. Der Boden ist als Schlüssel zu sehen – und bei allem, was wir bauen, sollten wir jegliches Tun auf die Enkeltauglichkeit überprüfen.“
— Gerlinde Gutheil-Knopp- Kirchwald, Wohnwirtschaftliches Referat, GBV

„Wir brauchen ein nachhaltiges politisches Commitment von allen Parteien. Es darf keinen Raum für Spekulation geben, wir fordern eine Wohnbauförderung für alle Bundesländer, und diese natürlich zweckgebunden.“
— Doris Molnar, Gedesag

„Damit die GBV weiterhin erfolgreich ihren Zweck erfüllen können, braucht es mehrere Lösungsvorschläge: Für die Planungs- und Baukosten, Verfahrenslaufzeiten und den Arbeitskräftemangel. Welche Bereiche könnten wir an die Gewerblichen übergeben? Standardisierung im Bauen?“
— Georg Prack, Die Grünen Wien

„Der Bestand ist das Thema – ein Riesenschatz, der aber viel an Investitionen benötigt. Die Rahmenbedingungen für Verdichtung und ökologische Sanierungen hemmen aktuell die Weiterentwicklung der GBV-Bestandsbauten.“
— Robert Korab, raum & kommunikation

„Wir brauchen ein nachhaltiges Fördersystem, das sich an die ökonomischen Bedingungen jeweils anpasst – also wenn z. B. die Baukosten steigen, gibt es automatisch höhere Förderungen. Dazu braucht es einen leicht adaptierbaren Gesetzestext. GBV sollten sich mehr in Gremien engagieren.“
— Alexander Pawkowicz, Immobilientreuhänder, Abgeordneter Nationalrat FPÖ

„Sanierung ist eine Sackgasse für die GBV, denn da gibt es die größten Hürden, um investieren zu können. Unser gemeinsames Thema ist die Dekarbonisierung.“
— Michael Schober, realitylab

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