Klimaneutralität bis 2040 – schaffen wir das?

Isabella Stickler

„Klimaneutralität erreichen wir bis 2040 sicher nicht mit Einzelladestationen auf Kfz-Abstellplätzen oder PV-Anlagen am Balkon.“

Die Bundesregierung hat sich zwar Klimaneutralität bis 2040 zum Ziel gesetzt, aber bis vor Kurzem, genauer gesagt bis zum Beginn der Ukrainekrise, hatte ich den Eindruck, dass in Österreich zwar alle über Klimaneutralität und Dekarbonisierung reden, aber kaum bundesweite Strategien oder langfristige Maßnahmen erkennbar waren. Mit Steigen der Energiepreise hat sich der Handlungsdruck geändert und das ist auch gut so. Wir wissen, dass wir im EU-Vergleich hinterherhinken und dass wir dieses hehre Ziel mit kleinen und regionalen Lösungen nicht erreichen werden.

Mag. Isabella Stickler 
ist Obfrau und Vorstandsvorsitzende der Gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Alpenland.

Sinnvoll wäre es, mutige Schritte in der Entbürokratisierung und in der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zu gehen. Pilotprojekte aus der Praxis, mögen sie auch den gewohnten Normen nicht entsprechen, dafür aber praxistauglich und effizient sein, zu fördern und Anreize für Investitionsinitiativen, bspw. im Bereich der thermischen Sanierung von Gebäuden, massiv auszubauen. Denn: Jede Wärme, die wir nicht erzeugen müssen, hilft uns weiter. Dasselbe gilt auch für den Individualverkehr: Jeder Kilometer, den wir weniger fahren, hilft massiv.

- Anzeige -

Die größten Herausforderungen sind für uns die Materialbeschaffung und die fehlenden Fachkräfte in der Bauwirtschaft. Daher ist es umso wichtiger, eine Lebenszyklusbetrachtung unter Einbeziehung aller Nachhaltigkeitsaspekte des Gebäudes anzustellen. Nicht die wirtschaftlich günstigste Anschaffung ist die zukunftsfitteste.

Die Klimaneutralität wird Österreich viel Geld kosten. Es wäre längst an der Zeit, von Gießkannenförderungen abzugehen und in treffsichere Wirtschaftsimpulse zu investieren. Es sind umfassende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen notwendig: von neuen Energiekonzepten, über die Mobilitätswende bis hin zur Etablierung einer echten Kreislaufwirtschaft und im Bereich des Wohnbaus der Lebenszyklusbetrachtung. Nur ein Bündel an Maßnahmen und Initiativen wird eine Zielerreichung ermöglichen.

Andreas Weikhart

„Effizienzsteigerung und Leistung werden zu diskutieren sein.“

Es ist immer wichtig und richtig, sich Ziele zu setzen. Diese können No-na-Vorgaben oder aber durchaus ambitioniert sein. Die Klimaneutralität bis 2040 gehört wohl der letzteren Kategorie an – das wird nicht ohne!

- Anzeige -

Betrachtet man Teilaspekte des Themenbereichs eingeschränkt auf Bauen und Wohnen, so drängt sich einmal eingangs die Energieversorgung an sich auf: Welche Technologie soll es denn sein? Im Neubau (so er denn überhaupt stattfindet, aber das ist eine andere Geschichte) liegen derzeit alle Spielarten der Nah- oder Fernwärme und Wärmepumpen im Rennen, bei ersteren wird sich immer mehr die Frage stellen, was denn da genau verfeuert wird, bei zweiteren wird der Strombedarf, die Effizienzsteigerung und vor allem die Leistung (Stichwort: notwendige Temperatur z. B. für Hygienevorschriften) zu diskutieren sein.

Im (Alt-)Bestand schaut es schon etwas verzwickter aus – noch gibt es die massentaugliche Variante „Thermenkastl raus – neues Kastl rein“ nicht, diese wird jedoch für die Mehrzahl der Wohnungen essenziell werden, vor allem dann, wenn es um Leitungsstärken oder Radiatorengrößen geht – und das während aufrechter Bewohnung. Geht man weiters von der gewagten These aus, dass auch in Zukunft Wohnhäuser gebaut werden, so kann man sich die Frage stellen, womit all die Maschinen, die Lastwägen usw. betrieben werden, fährt der Bagger mit Strom und wo werden die zig Ladepunkte sein? Wie kommen die Materialien her, im Containerfrachter gemeinsam mit dem jährlich notwendigen neuesten Handy?

Allerdings findet zurzeit ein Aufbruch statt, die „Industrie“ hat den Innovationsmotor angeworfen und die ersten Anzeichen geeigneter „Kastln“ (pars pro toto) werden auf technologischer Ebene sichtbar. Die Aufgabe der Bauträger wird sein, diese anzunehmen und umzusetzen, nicht nur als Leuchtturmprojekte, sondern breit ausgerollt.

Mag. Andreas Weikhart 
ist seit 2014 im Vorstand der Bauund Wohnungsgenossenschaft Wien-Süd, seit Juni 2021 Vorstandsvorsitzender.

Daneben müssen aber auch gesellschaftliche Antworten gefunden werden. Das ist die eigentliche, die berechtigte Forderung von „Klimakleber:innen“. Der absurde Ruf nach diesbezüglichen Strafen löst da gar nichts, er lenkt nur von der Aufgabe der nächsten 17 Jahre ab.

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema