Digitale Lösungen und intelligente Datennutzung

Digitalisierung als Chance für mehr Nachhaltigkeit

von Oliver Luttmann

Nachhaltigkeit gewinnt in Zeiten von steigenden Energiekosten nochmals deutlich an Gewicht. Neben dem Beitrag zum Klimaschutz geht es schlicht auch um die Entlastung der Mieter- und Eigentümerschaft mit Blick auf deren Nebenkosten. Denn die finanziellen Belastungen haben enorm zugenommen und setzen viele Menschen unter Druck. Potenzielle Mietausfälle können sich wiederum auf die gesamte Wohnungswirtschaft auswirken. Aber welche Stellschrauben gibt es, um Nachhaltigkeit in der Wohnungswirtschaft zu gewährleisten?

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Rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen werden im Gebäudebereich verursacht – größtenteils beim Heizen. Damit kommt den Gebäuden im Klimaschutzplan 2050 eine zentrale Bedeutung zu. Bis 2050 soll der Primärenergiebedarf von Gebäuden um 80 Prozent gegenüber 2008 sinken. Darauf baut auch die 2015 beschlossene „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ (ESG) auf, die einen belastbaren Pfad zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 aufzeigt. Der Klimaschutzplan 2050 bestätigt das Langfristziel für 2050 und damit die ESG als zentrale Strategie für die Energiewende im Gebäudebereich. Er legt fest, dass der Gebäudebereich im Jahr 2030 nur noch 70-72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (direkte Emissionen) ausstoßen soll – eine Minderung um 66-67 Prozent gegenüber 1990.

Entsprechend hoch ist auch das Einsparpotenzial durch eine umfassende energetische Sanierung von Gebäuden. Seit dem 1. November 2020 sind die energetischen Vorgaben für alle Gebäude, die beheizt oder klimatisiert werden, im Gebäudeenergiegesetz (GEG) festgelegt. Das Gesetz hat die Energieeinsparverordnung (EnEV) sowie das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) abgelöst und deren Inhalte zu einer Vorschrift verbunden. Im GEG sind sowohl Richtlinien für Bestandgebäude wie auch für den Neubau enthalten. Sie betreffen neben der Wärme, Kühlung und Lüftung von Häusern, auch allgemeine energetische Anforderungen, Berechnungsgrundlagen, Sonderfälle, Übergangsregelungen und die finanzielle Förderung.

Wie effektiv die energetischen Maßnahmen am Gebäude zum Tragen kommen, hängt aber auch vom Verbrauchsverhalten der Gebäudenutzer ab. So gesehen muss das Gebäude ganzheitlich mit allen Stakeholdern durchdacht werden. Die Digitalisierung ist hier ein bedeutender Hebel, um die Energieeffizienz zu steigern. Ergebnisse der Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ des Digitalverbands Bitkom durchgeführt von Accenture in 2022 zeigen, dass digitale Technologien über ein Drittel dazu beitragen können, dass Deutschland seine Klimaziele bis zum Jahr 2030 erfüllt.

Energieeffizient sanieren

Mithilfe einer digitalen Energie- und CO2-Analyse, wie sie zum Beispiel die Software AiBATROS® bietet, können Bestandsimmobilien durch einen automatisierten, energetischen Sanierungsprozess zukunftsorientiert entwickelt werden. Zunächst wird der energetische Ist-Zustand des Gebäudes festgestellt. Das erfolgt mithilfe eines vereinfachten Energiebedarfsverfahrens, bei dem sich Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit im optimalen Verhältnis befinden.

Dazu werden folgende Kenngrößen erfasst: die wichtigsten geometrischen Größen der Gebäude sowie der Zustand der Gebäudebauteile, wie Fenster oder Fassaden, und der Gebäudetechnik. Auf dieser Grundlage generieren Algorithmen einen Sanierungsplan, der dem Wohnungsunternehmen aufzeigt, wo und mit welcher Größenordnung an Investitionen, welche Emissionsreduktionen erzielen können.

Energie bewusst nutzen

Letztlich trägt jedoch der Umgang der Gebäudenutzer mit den Ressourcen Energie und Wasser, maßgeblich zur Effizienz und Nachhaltigkeit bei – zumindest solange die Energie nicht bedarfsorientiert mit einem Smart-Home-System automatisch gesteuert wird. Laufen Heizkörper bei dauerhaft gekippten Fenstern, wird Wasser unnötig verschwendet, oder sind wenig genutzte Geräte ständig im Stand-by-Modus, können die Energieziele auch in einem energieeffizientem Gebäude nicht komplett erreicht werden. Die Sensibilisierung der Bewohner bzw. Nutzer des Gebäudes zu ihrem eigenen Energieverbrauch spielt daher eine Schlüsselrolle. Darauf zielt die novellierte Heizkostenverordnung für Deutschland im Rahmen der Energieeffizienz-Richtlinie der EU (EED) ab.

Werden die Mieter und Mieterinnen monatlich über ihre Verbrauchswerte informiert und sehen, wie sich diese auf die Nebenkosten auswirken, kann sie das maßgeblich zu einem bewussteren Energieverbrauch bewegen. Realisieren lässt sich dies am effektivsten via Mieter-App oder -Portal. Hier können die Verbrauchsinformationen auch mit Tipps rund um das Energiesparen ergänzt werden.

Oliver Luttmann ist seit Februar 2023 Vorsitzender der Geschäftsführung der Aareon Deutschland GmbH. Zuvor war er  lange bei SAP tätig, wo er seit 2012 verschiedene Führungspositionen inne hatte, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung der SAP Deutschland SE & Co. KG sowie als Head of Cloud Success Services Sales Germany. Vor seiner Zeit bei SAP war er mehrere Jahre bei Oracle tätig. www.aareon.de

Optimal steuern mit Smart Building

Das optimierte Steuern der Energienutzung mittels Smart-Building-Technologien ist ein weiterer Schritt, um die Energieeffizienz zu steigern. Ein smartes Gebäude ist intelligent und lernt durch das Verarbeiten von Daten unter Nutzung von künstlicher Intelligenz stetig dazu. So kann es Anweisungen folgen und durch den laufenden Informationsaustausch bei den Gebäude-Stakeholdern mehr Transparenz schaffen – zum Beispiel über den Energieverbrauch. Das kann so weit gehen, dass das Gebäude für sich selbst und auch für seine Bewohner denken und handeln kann: Es lernt durch das Nutzerverhalten beispielsweise, wie die Heizung zu steuern ist und wie das Licht geregelt wird. Sensoren erheben dazu kontinuierlich die Echtzeitdaten.

Im Ergebnis kann ein Gebäude auf dieser Datenbasis einfacher, komfortabler und verbrauchsoptimierter gesteuert werden. Moderne Sensortechnik ist in vielen Geräten sowie Gebäudeteilen realisierbar. Dank Narrowband-IoT (Internet of Things) kann sie einfach zur flächendeckenden Vernetzung eingesetzt werden – und das auch in schwierigen Umgebungen wie beispielsweise Kellerbereichen. Dabei gibt es unterschiedliche Arten von Sensoren wie Drucksensoren, akustische Sensoren, 3D-Bildsensoren, Radarsensoren oder Magnetsensoren.

Idealerweise werden die durch die IoT-Sensorik kontinuierlich erhobenen Daten über eine webbasierte Oberfläche – ein sogenanntes Dashboard – visualisiert. Dadurch sind Energieverbrauch und Nutzungszeiten sowie eventuelle Störungen und nötige Wartungsarbeiten für einzelne Gebäudekomponenten jederzeit einsehbar. Das Gebäudemanagement erhält so Transparenz in Echtzeit und die Gebäudesteuerung wird deutlich erleichtert.

Intelligente Gebäude sind eine wichtige Komponente in der Energiewende. Mithilfe modernster IoT-Technik kann das Ziel der Bundesregierung erreicht werden, bis 2050 den Energiebedarf des Gebäudebestands um 80 Prozent gegenüber 2008 zu senken.

Digitale Vernetzung für mehr Nachhaltigkeit

Weitere Ansatzpunkte zum Erhöhen der Energieeffizienz liegen im digitalen Vernetzen aller Stakeholder eines Wohnungsunternehmens. So können beispielsweise bei der Vermarktung einer Immobilie durch virtuelle Besichtigungen unnötige Reisen und der damit verbundene CO2-Ausstoß vermieden werden. Bei Instandhaltungsprozessen lassen sich mittels automatisierter Beauftragungen von Dienstleistern sowie digitaler Übermittlung von Fotos und Daten zum Schadensfall unnötige Handwerker-Anfahrten vermeiden.

Weitere komfortable digitale Kommunikationswege über Mieterportale und -apps mit den Bewohnern helfen den Papierverbrauch zu reduzieren. Darüber hinaus eröffnen sich viele weitere Geschäftsmodelle, die ohne Konnektivität kaum denkbar wären. Beispielsweise können Immobilienunternehmen Smart-Home-Lösungen als zusätzliche Dienstleistung anbieten. Auch das Vermieten von Coworking-Spaces oder das Anbieten von Sharing-Modellen über Plattformen ist möglich.

In einer sich immer weiter vernetzenden Welt trägt ein offenes Ökosystem, das von seinem Austausch mit allen Stakeholdern lebt, wesentlich zum Unternehmenserfolg bei. Ein System, das Mitarbeitende des Immobilienunternehmens, Kundschaft, Geschäftspartner und auch die Gebäude sowie technische Ausstattung digital miteinander verknüpft und in Ende-zu-Ende-Prozessen die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens abdeckt. Dank intelligenter Datennutzung und Technologien wie künstlicher Intelligenz und Business Intelligence lernt das gesamte System stetig dazu und entwickelt sich immer weiter. Ein zukunftsweisendes Ökosystem zeichnet sich auch durch offene standardisierte Schnittstellen zur Anbindung externer Partnerlösungen und Services aus. Unternehmen können so bedarfsindividuell auf ein breites Angebot an Softwarelösungen zurückgreifen und profitieren dabei von deutlich geringeren Integrationskosten durch weniger Zeit- und Ressourceneinsatz.

Idealerweise nutzt das Wohnungsunternehmen die Software als Service (SaaS) aus der Cloud. So profitieren alle Mitarbeitenden von der mobilen, ortsunabhängigen Nutzbarkeit der Anwendungen. Das unterstützt hybride Arbeitswelten mit flexiblen Arbeitsmodellen – und führt zugleich durch weniger Berufspendeln zu weiteren CO2-Einsparungen.

Energieeffizienz im Rechenzentrum

Damit einher geht wiederum die Frage, wie sich die Nutzung von SaaS auf den Energieverbrauch auswirkt. Zum einen kann bereits bei der Entwicklung von Software auf den Energieverbrauch durch die Software selbst Einfluss genommen werden, zum anderen sollte auch die Energieeffizienz des jeweiligen Rechenzentrums mit berücksichtigt werden. Im Aareon Rechenzentrum in Mainz beispielsweise führen mehrere Maßnahmen zu einer hohen Energieeffizienz. Diese schlägt sich in einem sehr guten Wert der Power Usage Effectiveness (PUE) von 1.25 nieder.

Denn je näher der PUE-Wert an 1 liegt, desto effizienter. Werte unter 1.3 gelten als ausgezeichnet. Durch das Design des Aareon Rechenzentrums mit Kaltgängen wird der Energieverbrauch für die Kühlung deutlich gesenkt. Die Leistung der Klimaanlage ist optimal auf die zu kühlende Menge der IT-Hardware abgestimmt. Zudem wird die zu kühlende Hardware durch Virtualisierung optimal ausgenutzt, was einen weiteren energieeinsparenden Effekt hat. Außerdem setzt Aareon die Abwärme des Rechenzentrums im Winter zur Gebäudeheizung ein und im Sommer zum Auffüllen des Geothermiespeichers. Bei der Energieversorgung des Mainzer Hauptsitzes nutzt Aareon ausschließlich Ökostrom.

Fazit

Digitale Lösungen in Kombination mit einer intelligenten Datennutzung können einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit von Unternehmen leisten. Die notwendigen Mittel stehen zur Verfügung: innovative Technologien, eine große Angebotsvielfalt an IT-Lösungen und ein immenser Datenbestand. Nun geht es darum, diese Chancen zu nutzen.

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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