Effizienter, grüner, ressourcenschonender

Wie digitale Tools das Bauen von Morgen verändern

Die Digitalisierung beim Gebäudebau schreitet weiter voran: Die Bundesregierung hat angekündigt, verstärkt die umfassende Digitalisierung von Bauanträgen sowie der Bauplanung zu fördern. Aber mit der Planung sind die Grenzen der digitalen Möglichkeiten für die Bau- und Wohnungswirtschaft noch lange nicht ausgeschöpft. Digitale Zwillinge von Gebäuden helfen beispielsweise dabei, den gesamten Gebäudelebenszyklus zu optimieren.

So können Gebäude effizienter geplant, gebaut, verwaltet und zurückgebaut beziehungsweise umgebaut werden. Dabei wird nicht nur Zeit eingespart, auch der Ressourceneinsatz wird dank bedarfsgerechter und integrierter Planung effizienter. Das trägt auch zu einer verbesserten CO2-Bilanz der Baubranche bei. Die Basis dafür bildet die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten.

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Von Viktor Várkonyi

Die Baubranche steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen: Gebäude müssen effizienter und umweltschonender werden. Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen im Gebäudesektor um 65 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Das fordert die Novelle des Klimaschutzgesetzes vom 31. August 2021. Der Bausektor war im Jahr 2021 immerhin für rund 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, der Bauprozess selbst für elf Prozent. Allein in Deutschland muss der Primärenergieverbrauch bei 20 Millionen Wohngebäuden in den kommenden Jahren massiv reduziert werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Kostendrucks in der Bauindustrie bei gleichzeitig akutem Fachkräftemangel wird die Digitalisierung zu einer zwingenden Voraussetzung, um die Klimaziele auf wirtschaftliche Weise zu erfüllen.

Mit intelligenten Planungstools, die weit über die Visualisierung hinausgehen, sowie KI- und Machine-Learning-Applikationen lässt sich der Baulebenszyklus nachhaltiger gestalten und es können von Grund auf nachhaltige Gebäude konzipiert werden. Eine derart vernetzte Bauindustrie ist jedoch auf eine solide gemeinsame Datenbasis angewiesen. Die Basis hierfür bildet der OPEN-BIM-Ansatz (Building Information Modeling) für die interdisziplinäre digitale Kollaboration in der AEC/O-Branche (Architecture, Engineering, Construction/Operations), wie ihn etwa Nemetschek fördert und mit seinen Softwarelösungen unterstützt. Durch den offenen BIM-Datenstandard können unterschiedliche Stakeholder entlang der gesamten Wertschöpfungskette projektbezogene Daten in einem neutralen, vertraglich geregelten Format im- und exportieren, weiterverarbeiten und teilen. Statt Silos entstehen so Synergien zwischen den einzelnen Gewerken und der gesamte Gebäudelebenszyklus wird von Anfang bis Ende konsistent abgebildet.

Moderne Gebäude effizienter Planen

Bereits bei der Planung von Gebäuden zeigen sich die Vorteile von digitalen Tools, die die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. So ist es beispielsweise bereits in frühen Planungsphasen möglich, verschiedene digitale Modelle auf Kollisionen zu prüfen. Durch Datenkompatibilität im Zuge von OPEN BIM ist dies ohne großen Aufwand möglich. Der Einsatz von offenen Planungs- und Datenmanagementlösungen ermöglicht es Projektteams, komplett digital zu planen, die Zusammenarbeit aller Gewerke zu verbessern und wesentlich effizienter zu arbeiten.

Dies führte zu erheblichen Kosten- und Materialeinsparungen, einer besseren Projektkontrolle und besseren Ergebnissen für alle Projektbeteiligten. Durch den Einsatz eines digitalen Zwillings ist es möglich, die Dokumentation bereits vor dem ersten Spatenstich zu liefern sowie die Ergebnisse zu kontrollieren. Bei einem traditionellen, nicht-digitalen Ansatz liegt die Dokumentation erst nach Fertigstellung des Gebäudes vor. Dadurch wird nicht nur die Qualität der Daten verbessert, sondern es sind auch während des gesamten Projektverlaufs alle Daten vollständig und korrekt verfügbar.

Aber nicht nur das Zusammenführen von Plänen wird durch digitale Tools vereinfacht und beschleunigt. Auch die Gebäudeplanung an sich wird durch digitale Planung und künstliche Intelligenz effizienter. So ist es beispielsweise möglich, die komplexe Berechnung zur Heizlast innerhalb weniger Stunden durchzuführen. Ohne digitale Tools werden dafür drei bis vier Arbeitstage benötigt. Dadurch können Planer:innen mehr Projekte in weniger Zeit bearbeiten, ohne dass die Qualität der einzelnen Projekte darunter leidet. Dies ist angesichts des Fachkräftemangels ein wertvoller Beitrag zur Beschleunigung des Wohnungsbaus.

Bestehende Gebäude in Wohnraum umwandeln Aber nicht nur beim Neubau bieten digitale Tools Vorteile, auch beim Umbau im Bestand steigern sie die Effizienz. Ein Projekt, bei dem digitale Tools eine zentrale Rolle spielen, wird derzeit im Zentrum von Paris umgesetzt: Aus einem alten Krankenhaus wird ein modernes Wohngebäude. Der bestehende Gebäudekomplex aus den 1950ern Jahren soll dabei in weiten Teilen erhalten bleiben und um drei, teilweise sogar vier Stockwerke aufgestockt werden. Insgesamt entstehen durch den Umbau und die Erweiterungen 134 neue Wohnungen, darunter 66 Eigentumswohnungen, 35 Mietwohnungen und 33 Sozialmietwohnungen sowie Gewerbe- und Gemeinschaftsflächen.

Die Architekt:innen setzten ihre Ideen und Zeichnungen bei den Planungen zum Umbau dabei vollständig mit Softwarelösungen von Vectorworks, einer der Marken der Nemetschek Group um. So konnten die Abrissarbeiten auf ein Minimum reduziert werden. Dies ist ein umweltfreundlicher Ansatz mit sparsamem Einsatz von Ressourcen und Materialien und einer maximalen Wiederverwendung des bestehenden Gebäudes. Alles unter dem Motto: „Das Vorhandene zu nutzen und zu verwandeln, um etwas Besseres daraus zu machen.“

Die Sanierung und Umwidmung bestehender Gebäude zu bezahlbarem Wohnraum bietet insbesondere in dichtbesiedelten Städten zahlreiche Vorteile – wie bei dem beschriebenen Projekt von Vectorworks in Paris. Zum einen entfällt die aufwändige Suche nach geeigneten Bauplätzen und die oft sehr komplizierten Genehmigungsprozesse – das spart wertvolle Zeit. Zum anderen müssen keine zusätzlichen Flächen versiegelt werden und der Bedarf an neuem Baumaterial wird minimiert. Dies ist nachhaltiger und ressourcenschonender. Mittlerweile gibt es sogar Tools, die die nachträgliche Digitalisierung von bestehenden Gebäuden ermöglichen. Besonders bei älteren Gebäuden, die saniert, renoviert oder umgewidmet werden sollen, sind Pläne und Daten meist Mangelware oder über die Jahre hinweg veraltet. Mithilfe einer Kamera, oft reicht sogar die eines Tablets, und einer entsprechenden Software können die Räumlichkeiten vermessen und die so erhobenen Daten in ein digitales Modell überführt werden. Dank OPEN BIM können diese schließlich problemlos zur Planung genutzt werden.

Denn gerade der Erhalt von Bestandsgebäuden durch Anpassung an neue Bedürfnisse ist ein wertvoller Beitrag zur CO2-Einsparung im Bausektor.

Ressourcenschonend Bauen

Auch das Thema effizienter Materialeinsatz gehört zu den dringenden Thematiken in der Baubranche, insbesondere bei Neubauten. Besonders beliebt, weil schnell und effizient, sind Gebäude in Fertigteilbauweise. Die benötigten Elemente werden in Fabriken gefertigt und anschließend auf der Baustelle zu einem Gebäude zusammengeführt. Diese Bauweise erfreut sich großer Beliebtheit, da sie die Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit erhöht. Auch die Produktivität auf der Baustelle wird dadurch erheblich gesteigert.

Dank der exakten Planung und Optimierung der Materialauswahl kann der entstehende Abfall um 90 Prozent reduziert und direkt im Werk recycelt werden. Dadurch wird auch der CO2-Ausstoß merklich gesenkt. Ein wertvoller Beitrag zu nachhaltigerem Bauen. Um die Fertigbauweise optimal durchführen zu können, sind digitale Planungswerkzeuge eine Grundvoraussetzung.

Gebäude nachhaltig betreiben

Das enorme Potenzial der Digitalisierung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Planung und den Bauprozess, sondern umfasst auch den Betrieb und die Wartung der Gebäude. Anhand eines laufend aktualisierten digitalen Zwillings lassen sich Stellschrauben für mehr Energieeffizienz ermitteln, die in einem statischen Modell verborgen bleiben. Im Gebäudebetrieb können KI-basierte Softwarelösungen zur Kalkulation der Energieeffizienz viel zur Nachhaltigkeit beitragen.

Denkbar ist es auch in Zukunft den digitalen Zwilling eines Gebäudes an das Gebäudeautomatisierungssystem zu koppeln. Gegen Ende des Gebäudelebenszyklus – bei einer Sanierung oder gar beim Rückbau – zahlt sich die lückenlose digitale Dokumentation via OPEN BIM einmal mehr aus. Wenn Transparenz über die verwendeten Rohstoffe herrscht, lässt sich der Rückbau auch viele Jahre später effizient und ressourcenschonend planen. Damit kann ein Gebäude, das heute abgerissen wird, als Rohstofflieferant für neue, effiziente Gebäude dienen und der Kreislauf schließt sich.

Interoperabilität als Basis

Die einzelnen Bereiche des Gebäudelebenszyklus können für sich betrachtet enorm von den Vorteilen digitaler Tools profitieren. Richtig effizient wird es aber erst, wenn alle Bereiche Hand in Hand arbeiten können. Das heißt, dass einmal gesammelte Daten in allen weiteren Schritten genutzt werden können. Ansonsten entstehen Daten- und Informationssilos und es entsteht unnötiger Zusatzaufwand durch die Mehrfacherfassung von Daten durch verschiedene Stakeholder. Zudem sind wichtige Aspekte wie Angaben zu den verwendeten Materialien für die energetische Optimierung ohne detaillierte Dokumentation nach Ende der Bauarbeiten schwer nachvollziehbar. Um einen stringenten Daten- und damit auch Wissenstransfer entlang des gesamten Gebäudelebenszyklus zu gewährleisten, sind offene, interoperable Systeme notwendig.

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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