Der Mehrwert der Mühe

Früher eine Angelegenheit für Freaks und Nonkonformisten, heute en vogue: das gemeinschaftliche Planen, Bauen und Wohnen ist zu einem nachgefragten Modell geworden.
FRANZISKA LEEB

Noch jedes Partizipationsmodell erwies sich in der Baupraxis als ein mühevoller Lernprozess: Die Beplanten müssen in grundsätzlichen Fragen des Wohnens ausgebildet und zur Artikulation ihrer Bedürfnisse befähigt werden. Die Planer hingegen müssen lernen, sich als Advokaten der beplanten Personen zu verstehen.“ Diese Feststellung ist über 40 Jahre alt.

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Wohnen Plus-Herausgeber Robert Koch traf sie 1978 in einem Beitrag über Mitbestimmung im Wohnbau in der Arbeiterkammerzeitung Arbeit & Wirtschaft. In den 1970er-Jahren wurde eine Reihe an Modellversuchen im partizipativen Wohnbau in Angriff genommen: die Eschensiedlung in Deutschlandsberg von Eilfried Huth, „Les Paletuviers“ – die kooperativen Siedlungen von Fritz Matzinger, die über 600 Wohnungen der VLW in Linz-Biesenfeld der Architekten Perotti, Greifeneder & Partner, die Wohnhausanlage Hildgasse in Purkersdorf von Prader, Fehringer, Ott oder „Wohnen Morgen“ in Hollabrunn von Ottokar Uhl, um nur einige zu nennen.

Schon damals war das Spektrum der Typologien ebenso breit wie das der Finanzierungsmodelle und Trägerschaften. Und dass Partizipation harte Arbeit ist, gilt heute ebenso wie damals.

Werfen wir einen Blick in die aktuelle Szene des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens: War sie um die Jahrtausendwende noch recht übersichtlich, so ist seit etwa einem Jahrzehnt ein veritabler Boom an gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekten festzustellen.

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Vor allem in Wien erkannte die Stadt das Potenzial von Baugruppen für die Stadtentwicklung. So waren in der Seestadt Aspern und im Sonnwendviertel Baugruppen dezidiert eingeladen, sich um Grundstücke zu bewerben. Sie wurden dort zu Pionieren der Stadtentwicklung und Impulsgebern für die Nachbarschaft.

In Wien sind es laut einer Liste, die Baugruppen-Experte Robert Temel parat hat, 1063 Wohneinheiten in 43 gemeinschaftlich entwickelten Wohnprojekten – und es werden laufend mehr. Knapp mehr als die Hälfte der Projekte wurde nach 2010 fertiggestellt.

Kurz davor kam auf zivilgesellschaftlicher Ebene – zum Beispiel mit der 2009 in Wien gegründeten „Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ – das Thema in Fahrt. Parallel dazu bewegte sich auch wohnpolitisch etwas und es wurden die ersten Ausschreibungen für Baugemeinschaften lanciert.

Die Rechts- und Eigentumsformen der seither entstandenen Baugruppenprojekte sind ebenso unterschiedlich wie die jeweiligen Organisationsformen innerhalb der Gruppen, die sich häufig als Verein formieren. In vielen Fällen ist ein (gemeinnütziger) Bauträger an Bord, der Grundstückskauf sowie Errichtung finanziert und das Haus an den Verein verkauft.

Werden öffentliche Förderungsgelder bezogen, dann üblicher Weise aus der Heimförderung, weil sowohl in Wien als auch in den meisten anderen Bundesländern das Wohnbauförderungsgesetz keine eigene Förderschiene für Baugruppen oder private Wohngemeinschaften vorsieht. In Wohnheimen bestehen allerdings weder Mieterschutz noch Anspruch auf Wohnbeihilfe.

Deshalb und um Rechtssicherheit zu schaffen, fordert die Baugemeinschaftsszene klarere gesetzliche Definitionen für gemeinschaftliche Wohnhäuser. In Salzburg ist das mit der diesjährigen Novellierung des Wohnbauförderungsgesetz geschehen. In Wien werden Diskussionen geführt und es ist zu erwarten, dass auch hier klarere gesetzlichen Regelungen auf Schiene gebracht werden.

Genossenschaftliche Unterstützung

Um Menschen, die in Gemeinschaft leben wollen, ebendies zu erleichtern, formierte sich 2015 die „Die WoGen Wohnprojekte-Genossenschaft“, Österreichs erste und einzige Bauträgerin, die ausschließlich gemeinschaftliche Wohnprojekte verwirklicht…

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