Effizient und zukunftsfest mit digitaler Technik

Das Potenzial des Gebäudesektors in der Wärmewende

Die Klimaziele stellen die deutsche Wohnungswirtschaft vor komplexe Herausforderungen und schier unlösbare Zielkonflikte. Nicht zuletzt daher verfehlte der Gebäudesektor die gesteckten Klimaziele wiederholt – 2021 etwa überschritt er die zulässige CO2-Emissionsmenge um zwei Millionen Tonnen. Im Klimaschutz besteht demnach ein signifikanter Nachholbedarf – verbunden mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten.

Gleichzeitig ist der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum angesichts hoher Mieten in den Metropolregionen laut und deutlich. Angesichts dieser schwierig zu vereinbarenden Forderungen bietet die Digitalisierung des Gebäudebestands einen Ausweg mit weitreichendem Potenzial. Denn bei vergleichsweise geringen Investitionskosten lassen sich zugleich deutliche Energie- und Kosteneinsparungen erzielen.

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Von Thomas Ahlborn

Insbesondere für die Wohnraumerwärmung, und damit für den Erfolg der Wärmewende, kann die Digitalisierung schnell Wirkung entfalten. Denn die Aufgabe ist gewaltig: Die Wohnungswirtschaft muss jeden Hebel nutzen, der CO2e einspart, um die Emissionen bis 2045 im geforderten Umfang zu reduzieren. Das erfordert aufwändige (und kostspielige) energetische Sanierungen des Gebäudebestandes sowie dem Umbau der Energietechnik.

Denn insbesondere die Heizanlagen im Bestand werden noch lange laufen und entsprechende Mengen an THG-Emissionen freisetzen. Die Digitalisierung eben dieser Zentralheizungen – quasi im Retro-fit – kann helfen, unverzüglich ein Einsparpotenzial zu heben. Damit ist für den baulichen und infrastrukturellen Umbau des Gebäudesektors kritische Zeit gewonnen.

Smarte Thermostate sind in diesem Zusammenhang ein erfolgversprechendes Beispiel – auch für die Wohnungswirtschaft. Auf die spezifischen Anforderungen von vermieteten Mehrparteienhäusern angepasst, können sie im Durchschnitt 15 Prozent Heizenergie einsparen – unabhängig von weiteren messdatengetriebenen Zentralheizungssteuerungen. Ein unmittelbares Plus für die Klimabilanz einer Immobilie – Liegenschaften können so in bessere Energieklassen gehoben werden, was sich in der CO2-Umlage prompt für Bestandshalter auszahlt.

Wohnungswirtschaftliche Gesamtlösung notwendig

Die Voraussetzung: die Lösung muss Hand in Hand mit Verwaltungsprozessen, beispielsweise einem rechtssicheren und prozessual reibungslosen Mieterwechsel, funktionieren. Dann kann die Digitalisierung weitere Vorteile für die Verwaltung schaffen: Das Leerstandsmanagement kann mit Hilfe einer wohnungswirtschaftlichen Gesamtlösung beispielsweise mit deutlich verringertem Aufwand durchgeführt werden, sei es die Kontrolle der Luftfeuchte in leer stehenden Wohnungen über ein Portal oder das remote Aufheizen vor Begehungen. Auch die Mieter profitieren prompt: Finanziell von geringeren Heizenergieverbräuchen und in der Wohnqualität von verbessertem Komfort.

Digitale Assistenzfunktionen wie die automatische Fenster-offen-Erkennung oder raumspezifische Zeitpläne unterstützen beim Energiesparen. Eine zentral gesteuerte, moderate Absenkung der Temperatur in der Nacht kann sich spürbar auf Verbrauch und Emissionen der ganzen Liegenschaft auswirken. Allerdings dürfen die Bedürfnisse der Mieter nicht außer Acht gelassen werden. Zeitgemäße intelligente Lösungen sind hier einen Schritt weiter. Sie berücksichtigen die individuellen Lebensumstände der Menschen, wie z.B. andere Tages- und damit auch Heizrhythmen von Schichtarbeitern.

Verbrauchs- und Kostentransparenz

Gleichzeitig erhalten die Nutzer, die Mieterhaushalte, Verbrauchs- und Kostentransparenz – die einen weiteren zentralen Schlüssel darstellt. So wie Autofahrer vielleicht vom Gas gehen, wenn ihnen ein hoher Verbrauch bei entsprechendem Fahrverhalten angezeigt wird, dürften auch Mieter ihr Heizverhalten anpassen, wenn ihnen ihre individuellen Verbrauchsdaten verständlich zur Verfügung gestellt werden. Digitale Lösungen machen dies möglich und bieten bestenfalls leicht nachvollziehbare Vergleichswerte für eine bessere Einschätzung des eigenen Verbrauchs. Voraussetzung ist eine niedrigschwellige, intuitive Bedienbarkeit, um die Nutzerfreundlichkeit für alle Mietergruppen sicherzustellen – nicht nur für die Digital Natives und Käufer von Smart-Home-Produkten.

Das volle Potenzial einer intelligenten, datenbasierten Optimierung des Heizungssystems kann in Mehrparteienhäusern also nur dann funktionieren, wenn bestenfalls alle Bewohner mitgenommen werden. Auch, wenn hier ab und an Skepsis vorherrscht – eine groß angelegte Studie von Prof. Pfnür der TU Darmstadt hat gezeigt, dass Mieter in ihrer Mehrzahl durchaus bereit sind, sich am wohnungswirtschaftlichen Klimaschutz aktiv zu beteiligen [Quelle: https://wohnungswirtschaft-heute.de/rolle-des-mieters-im-wohnungswirtschaftlichen-klimaschutz/ ]. Die Offenheit gegenüber digitalen Lösungen ist oft größer als man vermuten mag.

Bei der Umsetzung in Liegenschaften sind eine frühzeitige, aktive Kommunikation gegenüber den Mietern jedoch besonders wichtig. Eine niederschwellige Begleitung in die Nutzung, beispielsweise direkt bei der Montage und Installation, kann die Akzeptanz digitaler Technik deutlich steigern – selbst, wenn die Lösung eigentlich selbsterklärend und intuitiv ist oder der liegenschaftsweite Erfolg nicht von einer App-Nutzung abhängt. Das haben die Leuchtturmprojekt der noventic group-Unternehmen KALO und tado° während der Heizperiode 2022/2023 klar gezeigt.

In rund 100 ausgestatteten Mieterhaushalten fiel auch den Nutzern mit wenig Digital-Erfahrung der Umgang mit den smarten Thermostaten nach einer kurzen Begleitung während der Erstinstallation sehr leicht: durchschnittlich über alle teilnehmenden Haushalte hinweg wurde die App an jedem zweiten Tag genutzt. Die Mieterhaushalte hatten zu fast 50 Prozent noch nie von smarten Thermostaten gehört und sich nicht aktiv um eine Teilnahme an den Leuchtturmprojekten oder smarte Technik bemüht, sondern bekamen die smarten Heizkörperthermostate von den Wohnungsunternehmen gestellt und durch den Dienstleister installiert.

Thomas Ahlborn ist Head of Corporate Marketing bei der noventic group. Die noventic group bietet ihren Kunden aus der Wohnungswirtschaft, Energiewirtschaft und Messdienstleistung vernetzte Lösungen und digitale Anwendungen für die klimaintelligente Steuerung von Gebäude. Zur Gruppe gehören eigenständig agierende Marken aus den Bereichen Produktentwicklung und -herstellung, Dienstleistung und Plattformangegbote/Anwendungen.

Ein Erfahrungsbericht aus den Leuchttürmen: Ein Mieterehepaar im Rentenalter, wohnhaft in einer denkmalgeschützten Altbauwohnung, freute sich dabei zum Beispiel, die Temperatur des Badezimmers ihrem üblichen Tagesablauf entsprechend einzustellen. Fortan wurde der Raum bedarfsgerecht nur morgens und abends für jeweils zwei Stunden beheizt. Auch auf Reisen nutzte das Paar das digitale Angebot und reduzierte per App die Wärme in der Wohnung während der Abwesenheit. Noch auf der Heimfahrt regulierten die Eheleute dann ihre Heizkörper in der App wieder hoch und hatten es bei ihrer Ankunft angenehm warm. (Einen ausführlicheren Bericht der Mieter finden Sie in der Wohnungswirtschaft.Technik).

Bestandshalter und Verwalter können von der klimaintelligenten Digitalisierung durch branchenspezifische Anwendungen profitieren: über Installation und Betrieb von smarten Thermostaten sowie eine vernetzte Funkinfrastruktur auf Gebäudeebene im Full-Service, über die Integration der Mieterhaushalte in den wohnungswirtschaftlichen Klimaschutz und über schnelle Effizienzgewinne jenseits kostenintensiver Sanierungen. Zudem werden hiermit schon heute quasi nebenbei die Grundlagen für die kommenden ESG-Reporting-Pflichten gelegt.

Wichtige Voraussetzungen für die Zukunftssicherheit der digitalen Transformation sind dabei auch im Immobilienbereich Technologieoffenheit und Interoperabilität. So wird sichergestellt, dass auch zukünftige Hardware- und Softwarekomponenten integriert werden können und Infrastrukturbausteine, wie beispielsweise ein Gateway, von mehr als einem Prozess genutzt werden können. Damit steht Bestandshaltern und Verwaltern die Tür zur zukunftssicheren, klimaintelligenten Immobilie weit offen.

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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