Das bezahlbare Wohnen muss überragendes öffentliches Interesse werden

Von VNW-Direktor Andreas Breitner

Die Situation ist dramatisch. Sowohl die Zahlen der Baugenehmigungen als auch die der Fertigstellungen befinden sich im Sinkflug. Die Politik auf Bundes- und auf Länderebene hat inzwischen verstanden, dass diese Entwicklung kein Ausrutscher, sondern kraftvolles Gegensteuern notwendig ist, wenn in den kommenden Jahren das Angebot (bezahlbarer) Wohnungen nicht weiter sinken soll.

In Schleswig-Holstein und Hamburg geht man beherzt mit dem Ziel der Entschlackung an die jeweilige Landesbauordnung. Der Standard E (für einfaches Bauen) oder ein spezieller „Hamburg-Standard“ sollen am Ende herauskommen. Am 1. Oktober startete ein mit zwei Milliarden Euro ausgestattetes Förderprogramm der Bundesregierung, das Bauherren zinsgünstige Kredite anbietet, die kleine, preisgünstige und klimafreundliche Wohnungen errichten wollen.

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Vorrang für den Bau bezahlbarer Wohnungen

Das alles ist löblich, doch fürchte ich: es wird nicht reichen. Deshalb fordern die sozialen Vermieter Norddeutschlands, den Bau bezahlbarer Wohnungen zum „überragenden öffentlichen Interesse“ zu erklären. Wir brauchen im Baurecht eine Generalklausel, die der Errichtung von bezahlbaren Wohnungen – zumindest in den Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt – Vorrang einräumen.

Vorbild sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetz sein. Dort bestimmt eine Generalklausel beispielsweise, dass die Errichtung von Windrädern bei der Abwägung mit anderen Interessen bevorzugt wird. Genau das brauchen wir jetzt für den Bau von bezahlbaren Wohnungen. Der soziale Wohnungsbau muss Vorfahrt haben.

Unterstützung für Kiels Regierungschef Daniel Günther

Zugleich werden wir Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther bei seinem Werben auf Bundesebene in Berlin unterstützen, im Streben nach Klimaneutralität die Kosten nicht zu vergessen. Der CDU-Politiker hatte auf der diesjährigen VNW-Arbeitstagung in Lübeck angeregt, bei der Energieeffizienz eines Gebäudes „etwas abzurüsten“ und stattdessen mehr auf die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen zu achten.

Damit übernahm der Ministerpräsident unsere Forderung, bei den Wohngebäuden nicht allein auf überbordende Effizienzstandards zu setzen, sondern das Augenmerk verstärkt auf eine Versorgung mit regenerativ erzeugter Energie zu richten. Wenn „grüne“ Fernwärme oder Wärmepumpen genutzt werden, spielt am Ende der Energieverbrauch eine untergeordnete Rolle. Im Kern geht es darum, klimaschädliche Emissionen zu reduzieren.

Den Menschen die Angst vor der Energiewende nehmen

In den kommenden Monaten und Jahren wird es zudem unumgänglich sein, den Menschen die Angst vor den (zu hohen) Kosten beim Ringen um Klimaneutralität zu nehmen. Wir brauchen deshalb pragmatische und bezahlbare Lösungen beim Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels.

Das bezahlbare Wohnen ist eine zentrale Säule für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ohne soziale Gerechtigkeit wird die Klimawende scheitern. Das haben nicht zuletzt die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und in Brandenburg bewiesen. Um zu verhindern, dass Populisten von links und rechts die Politik in unserem Land nachhaltig bestimmen, müssen die Parteien der Mitte daher schleunigst ihren Kurs ändern.

Andreas Breitner

Vorstand und Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

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