Das Beste aus zwei Welten

Baugruppe oder konventionelle Miete? Während die einen ob vielfältiger Optionen die Qual der Wahl haben, fällt es andern schwer, überhaupt Zugang zum Wohnungsmarkt zu erhalten. Gut, dass es Projekte und Initiativen gibt, die Brücken zwischen verschiedenen Milieus bauen.
FRANZISKA LEEB

Bauplatzsuche, Gruppenbildung, Projektpartnerauswahl, Finanzierung – unzählige Infoabende und Workshops braucht es im Regelfall, bis ein Baugruppenprojekt auf Schiene ist. Wer diese Zeit nicht aufbringen kann, langwierige Diskussionsprozesse scheut oder sich ihnen nicht gewachsen fühlt und die Sicherheit braucht, dass die Wohnung zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig ist, wird sich das nicht antun. In der Oase.inklusiv scheint das Beste aus verschiedenen Welten zusammengefunden zu haben.

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Dabei war der Start der Anlage mit 84 Wohnungen (Bauträger: Neues Leben) an der Adelheid- Popp-Gasse im Stadtentwicklungsgebiet „Neu Stadlau“ auf den ehemaligen Waagner- Biró-Gründen holprig. Im Bauträgerwettbewerb für den Bauplatz waren ausschließlich Baugemeinschaften zugelassen. Der Knackpunkt daran: Nach Veröffentlichung der Auslobung durch den Wohnfonds Wien blieben nur sechs Wochen Zeit bis zur Abgabe. Selbst für erfahrene Baugruppenplaner wie Architekt Markus Zilker von einszueins Architektur „eine extrem kurze Zeit, um ein Konzept zu finden, noch kürzer, um eine Baugruppe zusammenzustellen“.

Die Herausforderung lautete also, wie man mit einem vereinfachten Mitbestimmungsmodell, das Partizipation niederschwelliger anlegt und keine zusätzlichen Kosten auslöst, in kurzer Zeit eine Gruppe zusammenstellt. Von Anfang an mit dabei war die Sozialorganisation Neunerhaus. Das Ziel: auch Menschen in das Wohnprojekt involvieren, die normalerweise weder Zugang zu den oft als elitär kritisierten Baugruppenprojekten noch – wegen der Höhe der Finanzierungsbeiträge und bürokratischer Hürden – zum geförderten Wohnbau finden. Inklusiv, gemeinschaftlich und leistbar – auf diesen drei Fundamenten baut das Projekt auf. 15 vom Neunerhaus betreute Flüchtlingsfamilien mit Asylbescheid, die zuvor in Startwohnungen wohnten, wurden von Anfang an in die Baugruppe miteinbezogen.

Zu hohe Baupreise verzögerten den Baubeginn, sodass es schlussendlich fast vier Jahre dauerte, bis das Haus bezogen werden konnte. Etliche Interessenten waren im Lauf der Zeit abgesprungen, sodass am Schluss das Gros der Wohnungen auf üblichem Wege vergeben wurde, ein Drittel davon über Wiener Wohnen. Jetzt heißt es, die später Hinzugekommenen im Zuge weiterer Workshops, bei denen die Ausstattung der zahlreichen gemeinschaftlichen Räume diskutiert wird, ins Boot zu holen. „Vielleicht wird das ein gutes Beispiel dafür, wie aus einem kleinen Kern die gelebte echte große Baugruppe – eine gute Hausgemeinschaft – entstehen kann“, ist Neues Leben- Vorstand Siegfried Igler, der ein Projekt wie dieses wieder machen würde, zuversichtlich.

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Manuel Hanke von Wohnbund Consult begleitet das Projekt seit dem Wettbewerb im Jahr 2017: „Ich halte die Oase. inklusiv für ein spannendes Modell. Während bei den klassischerweise mit Heimförderung errichteten Baugruppenhäusern das Mietrechtsgesetz nicht gilt, ist hier das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein anderes.“ Zudem entfällt bei Wohnungen mit Heimförderung der Anspruch auf Wohnbeihilfe und die Anbotsverpflichtung von einem Drittel der Wohnungen durch die Stadt Wien.

Hürden für Ärmere

Die 15 Flüchtlingsfamilien fanden in der Adelheid-Popp-Gasse nicht nur ein neues, dauerhaftes Heim, das sie mitgestalten durften. Sie bekamen einen Mietvertrag mit der Genossenschaft Neues Leben. „Ein eigener Mietvertrag ist wichtig auf dem Weg in die Eigenständigkeit und Ausdruck von Wertschätzung“, erklärt neunerimmo-Geschäftsführerin Daniela Unterholzner. Und noch etwas sei zu bedenken: Für Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, umso mehr für jene, die sich erst eine Existenz in Österreich aufbauen müssen, seien die für eine geförderte Wohnung aufzubringenden Eigenmittel nicht leistbar – auch nicht die 60 Euro pro Quadratmeter für eine Smart-Wohnung. In der Oase.inklusiv übernahm die Social Housing Initiative der Erste Bank die Finanzierungsbeiträge der neunerimmo-Wohnungen.

Viele Menschen haben keinen Zugang zum geförderten Wohnbau

Daniela Unterholzner, neunerimmo

Doch es gibt nicht nur Hürden finanzieller Natur, auch die Bürokratie hat für viele ihre Tücken. Dazu komme, so Unterholzner, dass es für Menschen mit dringendem Wohnbedarf einfach nicht drin sei, sich ein Jahr oder länger um eine Wohnung zu bemühen. „Diese Leute haben keine Chance im geförderten Wohnbau.“ Zumindest nicht ohne die Kontingente, die mit NGO vergeben werden. „Mit Unterstützung von sozialen Trägern ist es für diese Menschen leichter, zu einer Wohnung zu kommen“, bestätigt auch Siegfried Igler. „Hätten wir besseren Zugang zu dieser Schicht an Wohnungssuchenden, würden wir sie im Rahmen unserer Wohnberatung und Wohnungsvergabe aber ähnlich gut beraten.“

Eine Baugruppe stellt andere Ansprüche als Menschen, die ein Dach über dem Kopf brauchen.

Siegfried Igler, Neues Leben

Es liegt also nicht nur am Geld. Sind es im geförderten Wohnbau bürokratische Hürden, so sind es bei Baugruppen die fordernden Partizipationsprozesse. Für neunerimmo war es eine Premiere, so früh in eine Baugruppe eingebunden gewesen zu sein. „Das hat gut funktioniert und den Effekt, dass sie sich mit dem Projekt auseinandersetzen mussten.“ Baugruppen seien in kommunikativer Hinsicht hochschwellig und zeitaufwendig – schwierig für Menschen, die keine Sicherheit haben, sich voller Freude darauf einzulassen…

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