Asbest ist ein Sammelbegriff für bestimmte Silikatmineralien. Dieses Material wurde in Deutschland aufgrund der Hitzebeständigkeit und der guten Isolierfähigkeit insbesondere in den Sechziger und Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Bauwirtschaft in breitem Umfang verwendet.
Gesundheitliche Gefahren bei der Verwendung von Asbest als Baustoff waren allerdings schon vor 1960 in gewissem Umfang bekannt. Aufgrund weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse wurde auf die Nutzung von Asbest beim Wohnungsbau sukzessive verzichtet. Jedoch wurde erst im Jahr 1993 die Nutzung und Verwendung von Asbest gesetzlich verboten (vgl. dazu die Gefahrstoffverordnung).
Asbest findet sich demgemäß auch heute noch in älteren Wohnungsbeständen wie z. B. in dort verbauten Fußbodenbelägen aus Kunststoff, Dacheindeckungen oder Nachtspeicheröfen. Asbest kann bei entsprechender Exposition schwerwiegende Krankheiten wie Asbestose, Bronchialkarzinome und Tumore des Rippen- und Bauchfells verursachen. Krankheitssymptome können auch Jahrzehnte nach der Exposition auftreten.
Aufgrund der in Betracht kommenden schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahren sind Mieter heutzutage sehr sensibilisiert, wenn die Verwendung von Asbest für die von ihnen bewohnten älteren Bestandsgebäude in Betracht kommt bzw. im Raum steht. Vorstellbar sind massenweise Kündigungen der Mietverhältnisse der betreffenden Gebäude oder umfangreiche Mietminderungen, auch wenn die Verwendung von Asbest in dem konkreten Gebäude für den jeweiligen Mieter mangels Expositionsgefahr medizinisch gesehen ungefährlich sein sollte.
Ein Vermieter sollte daher sehr genau prüfen, zu welchem Zeitpunkt und vor allem in welcher Form er in der Öffentlichkeit oder gegenüber der Mieterschaft Stellung nimmt zu einer möglichen Asbestbelastung eines Gebäudes.
Wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sein sollten, dass ein bestimmtes Gebäude beim Bau unter Verwendung von Asbest erstellt worden ist, stellt sich damit für jeden Vermieter und für jedes Wohnungsunternehmen die Frage, wie mit dieser Information umzugehen ist. Fraglich ist, welche Informationspflichten den Vermieter gegenüber dem Mieter treffen, welche Untersuchungspflichten er hat (z. B. Begutachtung durch Sachverständige), ob er zur Durchführung baulicher Maßnahmen verpflichtet ist und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter mit Schadensersatzforderungen oder (rechtlich begründeten) Mietminderungen zu rechnen hat.
Mit dieser Stellungnahme sollen unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung Leitlinien im Umgang mit der Problematik der Asbestbelastung von Bestandsgebäuden in rechtlicher Hinsicht dargestellt und entwickelt werden. Dieses kurze Skript und die darin erwähnte Rechtsprechung sollen Vermietern ein generelles Bild von den Rechtsfolgen und Pflichten bei erkannter Asbestbelastung sowie eine grundsätzliche erste Orientierung vermitteln. Das Skript kann eine rechtliche (und technische) Einzelfallberatung nicht ersetzen und beansprucht auch keine Gültigkeit für jeden Einzelfall, zumal die Rechtsprechung zu dieser Thematik sehr uneinheitlich ist.
I. Der Begriff „Asbestbelastung“ – Belastungsgrenze und Mangel der Mietsache
Zu untersuchen ist zunächst, unter welchen Voraussetzungen überhaupt von einer „Asbestbelastung“ und einem darauf fußenden „Mangel der Mietsache“ die Rede sein kann. Bei vielen gesundheitsschädlichen Stoffen wie Blei gibt es bestimmte Grenzwerte, bei deren Überschreiten der Vermieter zum Austausch und zur Beseitigung der Gefahrenquellen verpflichtet ist, wie z. B. durch Austausch der alten (bleibelasteten) Hausinstallation. Bei Asbest gibt es jedoch keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte…