Wohngebäudeversicherung: Versicherungsrechtliche Pflichten von Wohnungsgesellschaften

Wohnungsgesellschaften tragen eine besondere Verantwortung für den Schutz und die Instandhaltung ihrer Immobilien. Hierbei spielt auch die angemessene Versicherung der Gebäude eine große Rolle. Der Schutzgedanke spiegelt sich auch in den von den Wohnungsgesellschaften als Versicherungsnehmer einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften und Obliegenheiten wider.

Aus diesem Grund müssen Wohnungsgesellschaften nach den Standardbedingungen des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) neben den vertraglichen Vereinbarungen zu Obliegenheiten auch gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften einhalten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden.

BGH Urteil vom 25. September 2024

Mit dem Urteil vom 25. September 2024 (Az. IV ZR 350/22) stellt der Bundesgerichtshof (BGH) nun klar, dass Versicherer im Schadenfall Leistungen kürzen oder verweigern können, wenn gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften nicht beachtet wurden. Die entsprechende Regelung (sog. Generalklausel zu Sicherheitsvorschriften und Obliegenheiten) in den GDV-Standardbedingungen zur Wohngebäudeversicherung (VGB) hält nach Ansicht des BGH der rechtlichen Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand und ist wirksam.

Zwar ist es in Einzelfällen durch gezielte Vereinbarung bestimmter Regelungen möglich, die Generalklausel zu entschärfen, verstärkt durch die Wirkung des Urteils wird ein „Herausverhandeln“ der gesamten Generalklausel in der Praxis regelmäßig aber kaum möglich sein. Ausgehend hiervon ist es umso wichtiger, sich mit dem Urteil und seinen Auswirkungen zu befassen.

Abgrenzung: Gesetzliche Vorschriften vs. private Regelungswerke

Ein zentraler Aspekt des BGH-Urteils ist die Frage, wann eine Vorschrift als gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschrift im Sinne des Versicherungsvertragsrechts gilt und wann es sich um private Regelungen handelt, die nicht automatisch versicherungsrechtlich verpflichtend sind.

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Gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften sind verbindliche Regelungen, die sich aus Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Anordnungen ergeben. Sie sind zwingend einzuhalten und können von staatlichen Stellen durchgesetzt werden. Verstöße können nicht nur den Versicherungsschutz gefährden, sondern auch Bußgelder oder behördliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Private Regelungswerke und Normen, wie DIN-Normen oder VDE-Richtlinien, sind grundsätzlich keine gesetzlichen Vorschriften, sondern private technische Standards, die durch Fachgremien entwickelt werden. Sie haben keine unmittelbare Gesetzeskraft, sondern gelten nur dann verbindlich, wenn:       

  • eine gesetzliche Vorschrift explizit auf sie verweist (z. B. DIN 4102 zur Brandschutzklassifizierung von Baustoffen, die in Bauordnungen übernommen wurde).
  • sie in Verträgen oder Versicherungsbedingungen ausdrücklich als Maßstab festgelegt wurden.

Beispielhafte private Regelwerke:

  • DIN-Normen (z. B. DIN 1988 zur Trinkwasserinstallation, DIN 18015 zur Elektroinstallation)
  • VDE-Richtlinien (Verband der Elektrotechnik, z. B. VDE 0100 zur Sicherheitsanforderung elektrischer Anlagen)
  • technische Baubestimmungen (werden nur dann verbindlich, wenn sie in Bauordnungen aufgenommen werden)

Nicht jede rechtlich verbindliche Anordnung wird automatisch zu einer im Rahmen der Wohngebäudeversicherung zu beachtenden Sicherheitsvorschrift. Laut BGH zeige das Wort „Sicherheit“ dem Versicherungsnehmer, dass nur solche Vorschriften hierfür in Frage kommen, die Schutzcharakter haben und im Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehen. Sie sollen dabei darauf ausgerichtet und im Endeffekt auch abstrakt geeignet sein, den Eintritt des Versicherungsfalls zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

Sollte der objektiv vorliegende Verstoß gegen eine verbindlich einzuhaltende Sicherheitsvorschrift weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich geworden sein, steht dem Versicherungsnehmer der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis offen. Gelingt dieser, so bleibt, außer im Falle einer arglistigen Obliegenheitsverletzung, der Versicherer zur Leistung verpflichtet.

Reichweite der zu beachtenden Sicherheitsvorschriften

Es sind nicht nur die bei Vertragsschluss geltenden Vorschriften einzuhalten, sondern auch jene, die später geändert oder neu erlassen werden. Der BGH erkennt in der Generalklausel damit eine sog. dynamische Verweisung, die er als solche aus dem Gesichtspunkt des Schutzes des Versicherers und der Versichertengemeinschaft vor erhöhten Risiken auch für zulässig hält. Zudem ist zu beachten, dass sich die einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften je nach Bundesland unterscheiden können.

Fazit

Das BGH-Urteil IV ZR 350/22 stellt klar, dass der Versicherungsschutz an die Einhaltung gesetzlicher und behördlicher Vorschriften gekoppelt ist. Private Normen (z. B. DIN, VDE) sind nur dann versicherungsvertraglich relevant, wenn sie durch Gesetze oder Verträge verbindlich gemacht wurden.

Wir empfehlen, die jeweils einschlägigen Sicherheitsvorschriften systematisch zu erfassen, um deren Einhaltung sicherzustellen, z. B. durch die Implementierung eines „Obliegenheiten-Management-Systems“. Eine lückenlose Dokumentation der Einhaltung dieser Vorschriften ist essenziell, um im Schadenfall Ansprüche erfolgreich durchzusetzen. Als Makler stehen wir dabei selbstverständlich an der Seite unserer Kunden.

Alexander Haag
Ass. jur., Fachbereich Sachversicherungen bei der AVW-Gruppe

Forum Leitungswasser erscheint in Kooperation mit der Initiative Schadenprävention und  der AVW Gruppe

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