Die hohen Energiepreise und ihre Auswirkungen auf die Wohnkosten werden in den kommenden Jahren eine große Herausforderung für viele Mieterhaushalte in Deutschland bleiben. Das betrifft insbesondere Familien. Viele Mieterinnen und Mieter wollen künftig sparsamer und nachhaltiger wohnen und dabei zunehmend digitale Technik im Gebäude nutzen.
Das zeigt die Studie „Wohntrends 2040“, die der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW in Berlin vorgestellt hat. GdW-Präsident Axel Gedaschko fordert angesichts der großen Zukunftsaufgaben von der Regierung eine verlässliche wohnungspolitische Gesamtstrategie.
Die Beratungsunternehmen Analyse & Konzepte immo.consult und InWIS führen die Wohntrendstudie alle fünf Jahre im Auftrag des GdW durch. 2022 wurden dafür mehr als 2.200 Mieterinnen und Mieter in Deutschland befragt. Demnach wohnt ein Haushalt im Durchschnitt 11,8 Jahre in derselben Wohnung. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den für die Studie bundesweit befragten Mietern lag im Befragungszeitraum 2022 bei 7,90 Euro pro Quadratmeter im Monat, die durchschnittliche Warmmiete bei 10,46 Euro.
Zum Vergleich: Bei den GdW-Wohnungsunternehmen lag die durchschnittliche Nettokaltmiete mit 6,09 Euro pro Quadratmeter und Monat sowie die durchschnittliche Warmmiete mit 8,79 Euro zuletzt (2021) deutlich unter dem bundesweiten Schnitt, den die Befragungsergebnisse widerspiegeln. Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen des GdW sind also weiterhin die Anbieter von bezahlbarem Wohnraum in Deutschland.
„Die Wohnungsunternehmen in Deutschland wollen auch künftig bezahlbares und zukunftsfähiges Wohnen anbieten. Damit wir die großen Herausforderungen von Klimaschutz, gesellschaftlichem und demografischem Wandel sowie der Digitalisierung gemeinsam mit den Mieterinnen und Mietern meistern können, brauchen wir aber von der Regierung eine verlässliche wohnungspolitische Gesamtstrategie“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GdW, zu den Studienergebnissen.
Aktuell ist ein stringentes Wohnungspolitik-Paket noch nicht erkennbar, es muss nachgebessert werden.
Energiekosten sind wesentliche Herausforderung der kommenden Jahre
Eine besondere Herausforderung werden in den kommenden Jahren die Energiekosten bleiben. 29 Prozent der Mieterinnen und Mieter empfinden sie als zu hoch und neun Prozent als viel zu hoch. „Um eine finanzielle Überlastung der Mieterinnen und Mieter bei den Wohnkosten zu verhindern, muss konsequent bei den Energiekosten angesetzt werden. Dazu muss die Energieversorgung klimafreundlicher und günstiger werden.
Die erneuerbare Energiewende vor Ort im Wohnquartier, mit Mieterstrom und kommunaler Wärmeplanung, sind zentral wichtig“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Zudem muss der CO2-Fußabdruck von Wohngebäuden durch ideologiefreie und technologieoffene Klimaschutzmaßnahmen verringert werden. Dazu müssen die günstigsten Sanierungsmaßnahmen mit dem besten Kosten-Nutzenverhältnis zum Standard werden. Zudem sollte preiswerte und leicht zu bedienende Smart-Home-Technologie in den Wohnungen gefördert werden.
„Die Wohnungsunternehmen machen ihre Hausaufgaben bei der energetischen Verbesserung der Gebäude konsequent. Sie würden aber gerne noch viel mehr tun. Dem stehen aber die massive Verschlechterung der Förderbedingungen, stark gestiegene Kosten und Zinsen im Weg. Viel Wünschenswertes und Geplantes kann so nicht umgesetzt werden“, sagt Gedaschko.
„Die Politik muss auf hohe energetische Anforderungen mit einer auskömmlichen und verlässlichen Fördersystematik reagieren. Nur so lässt sich die soziale Spaltung bei den Energie- und Wohnkosten verhindern.“
Weniger Geld im Portemonnaie – bescheidenere Wohnwünsche
Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten relativieren die Mieterinnen und Mieter ihre Anforderungen an das Wohnen. Der Anteil der Haushalte, die eine moderne Wohnungsausstattung als Standard voraussetzen oder dafür sogar mehr Geld bezahlen würden, ist von 71 auf 63 Prozent zurückgegangen. Unverzichtbar scheint allerdings eine schnelle Internetverbindung. Diese gehört für 63 Prozent der Mieterinnen und Mieter zum Standard.
Der Wunsch, Geld zu sparen, führt unter den Mieterinnen und Mietern in Deutschland zu einer signifikant höheren Umzugsbereitschaft. 37 Prozent von ihnen beabsichtigen wahrscheinlich oder auf jeden Fall, in eine neue Wohnung umzuziehen. 2018 hatte der Anteil noch 15 Prozentpunkte darunter gelegen. Ursächlich für diesen massiven Anstieg sind vor allem die Wohnkosten: Diesen Grund gaben mehr als 15 Prozent der Mieterinnen und Mieter an (2018: 5 Prozent).
Familiengerechter Wohnraum
Besonders ausgeprägt ist der Umzugswunsch bei Familien: Jede zweite möchte wahrscheinlich umziehen, 22 Prozent auf jeden Fall. Unzufrieden sind die Familien vor allem mit der Größe oder dem Schnitt ihrer Wohnung (16,9 Prozent), den Wohnkosten (16,1 Prozent), dem Zustand der Wohnung (13,7 Prozent) und dem sozialen Umfeld (13,3 Prozent).
„Wohnungsunternehmen können gute Rahmenbedingungen für Familien und das Aufwachsen von Kindern schaffen. Besser als große, teure Wohnungen sind gut geschnittene Wohnungen, die flexible Nutzungen ermöglichen“, erklärt Bettina Harms, Geschäftsführerin von Analyse & Konzepte immo.consult. „Kinder brauchen außerdem Quartiere, die Bewegung und Spiel im Freien unterstützen.“
Klimabewusstsein steigt
Nachhaltigkeit gewinnt auch unter Mieterinnen und Mietern immer mehr an Bedeutung: 58 Prozent halten Klimaneutralität für die größte Herausforderung der Menschheit in den nächsten Jahren. 61 Prozent geben an, dass ihnen klimabewusstes Verhalten sehr wichtig sei. Ebenfalls 61 Prozent legen Wert darauf, dass sich ihr Vermieter der Nachhaltigkeit widmet.
Entsprechend offen sind die Mieterinnen und Mieter für neue Mobilitätsformen: 14 Prozent haben schon ein E-Bike, 27 Prozent planen die Anschaffung innerhalb der nächsten zwei Jahre. Fast jeder Fünfte hätte Interesse an einem Sharing-Angebot für E-Lastenräder.
„Beim nachhaltigen Wohnen klafft eine große Lücke: wachsendes Klimabewusstsein der Mieterinnen und Mieter auf der einen, aber weniger Geld im Portemonnaie auf der anderen Seite. Viele sinnvolle und gewünschte Maßnahmen können angesichts ungenügender Förderung in der Praxis nicht umgesetzt werden. Die Politik muss sich hier zudem ehrlich machen und den Menschen ganz klar sagen, dass es Klimaschutz nicht zum Nulltarif gibt. Die Kosten werden hier weiter steigen“, sagt Gedaschko.
Das Engagement der Wohnungsunternehmen wird beim Thema Nachhaltigkeit künftig deutlich stärker in die Breite wachsen. Der GdW unterstützt sie dabei und hat beispielsweise mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und der Arbeitsgemeinschaft Großer Wohnungsunternehmen den Deutschen Nachhaltigkeitskodex speziell für die Wohnungswirtschaft ergänzt und weiterentwickelt. Zugunsten einer vernetzten Energiewende müssen das Thema E-Mobilität stets mitgedacht und langfristige Mobilitätskonzepte mit den Kommunen verfolgt werden.
Angesichts der hohen Sanierungskosten überdenken die Wohnungsunternehmen zunehmend die einst geplante Tiefe der Modernisierung, um die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern. „Damit Wohnen gleichzeitig klimaschonend und bezahlbar sein kann, müssen Mieterstromprojekte endlich vollständig und zusätzlich Teilwarm- oder Flatrate-Mieten ermöglicht werden“, sagt Gedaschko.
Unabhängig vom Einkommen verzichten immer mehr Menschen bewusst auf Eigentum. Sie möchten die Dinge nicht mehr selbst besitzen, aber sie dennoch nutzen. Die „Wohntrends 2040“ bestätigen diesen Trend: Fast die Hälfte der Mieterinnen und Mieter (47 Prozent) hat Interesse an einer Bibliothek der Dinge, aus der sie Gegenstände wie Werkzeug, Rasenmäher oder ein Fonduegerät ausleihen könnten.
Der Einsamkeit begegnen – demografische und soziale Probleme angehen
Auf der anderen Seite steigt die Einsamkeit unter den Mieterinnen und Mietern. Mehr als ein Viertel der Befragten gab an, dass sie keine oder nur begrenzt Menschen haben, die ihnen nahestehen. „Wir beobachten eine Korrelation von Einsamkeit und Armut. Zur Förderung der sozialen Integration ist es wichtig, dass sich Menschen in der Nachbarschaft treffen und vernetzen können. Dazu eignen sich Gemeinschaftsräume, entsprechend gestaltete Freiräume, eine niederschwellige Gemeinwesenarbeit und die Anstiftung zur Selbstorganisation im Quartier“, sagt Michael Neitzel, Geschäftsführer von InWIS.
„Die Zahl der Einpersonenhaushalte wird auch künftig weiter zunehmen. Und unsere Gesellschaft wird immer älter. Gleichzeitig konzentrieren sich auch nach der Corona-Pandemie in bestimmten Vierteln soziale Probleme. Bei den Herausforderungen von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Integration sind die Wohnungsunternehmen seit jeher mit sozialer Quartiersarbeit die Experten und Kümmerer vor Ort. Sie dürfen aber mit den vielerorts wachsenden Problemen nicht alleine gelassen werden“ sagt Gedaschko.
„Bereits vor der Coronakrise haben wir die Bundesregierung und den Bundestag ab 2019 mit eigens erstellten Studien auf die stark wachsenden sozialen Herausforderungen in den Wohnquartieren mit Nachdruck hingewiesen. Passiert ist von staatlicher Seite leider nichts. Das muss sich ändern.“ Ein langfristig starkes Engagement der Kommunen beim Quartiersmanagement und ein starkes Programm soziale Stadt sind unabdingbar.
Tipp: Hier finden Sie eine Vorschau auf die Studie "Wohntrends 2040"
Work where you are
Die „Wohntrends 2040“ belegen auch eine veränderte Sicht auf das Verhältnis von Wohnen und Arbeit. 37 Prozent der Befragten sagen, dass sich ihre Anforderungen an die Wohnung geändert haben. 16 Prozent benötigen künftig ein zusätzliches Arbeitszimmer. Für 12,6 Prozent wird eine schnellere und vor allem stabilere Internetverbindung notwendig sein, 29 Prozent würden gern Co-Working-Flächen nutzen.
„Das mobile Arbeiten wird unsere Quartiere nachhaltig wandeln. Zusätzlich entsteht für den ländlichen Raum eine Chance, sich gegenüber den Großstädten zu behaupten und seine Vorteile auszuspielen wie die niedrigeren Wohnkosten, mehr Natur, mehr Ruhe, weniger Verkehr und eine höhere Aufenthaltsqualität“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Andreas Schichel