Wo sind die 160 Millionen Euro?

VWBF-Obmann Michael Gehbauer und SPÖ-Chef Andreas Babler fordern eine Kompensation des Schadens, der dem gemeinnützigen Wohnungssektor durch die Pläne der Bundesregierung entstehen, sowie eine generelle Anhebung der Wohnbaufördermittel.
WOJCIECH CZAJA

Ende August hatte sich die türkisgrüne Koalition auf die Einführung eines Mietpreisdeckels von fünf Prozent pro Jahr geeinigt. Diese betrifft zwar Haushalte mit einer gesetzlich geregelten Miete, nicht aber jene rund 425.000 Wohnungen in Österreich, die derzeit am freien, ungeregelten Markt vermietet sind. Der Deckel soll während der kommenden drei Jahre aufrecht bleiben. Die türkis-grünen Pläne stoßen auf rote Gegenwehr.

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„Die Regierung hat in ihren Maßnahmen ganz nebenbei eine Riesenfrechheit vorgesehen, sie will den gemeinnützigen Wohnbau mitbestrafen“, meinte der neue SPÖ-Chef Andreas Babler in einer Pressekonferenz, die in Kooperation mit dem Verein für Wohnbauförderung, VWBF, einberufen wurde – und verurteilte den geplanten Mietpreisdeckel (nicht zum ersten Mal) aufs Schärfste. Durch diese „erbärmliche Politik-Show der Bundesregierung“ kämen der Gemeinnützigkeit rund 160 Millionen Euro abhanden. Diese Lücke müsse mit einem Kostenersatz dringend geschlossen werden.

Auch Michael Gehbauer, Vereinsobmann des VWBF, zeigte sich konsterniert und führte im Detail aus: „Diese fehlenden 160 Millionen Euro sind Gelder, die wir dringend für den Erhalt unserer Wohnungen sowie für unsere Neubauleistungen benötigen. Schließlich sind die Gemeinnützigen die einzigen, die einen Versorgungsauftrag haben, und diesem Auftrag müssen wir nachkommen.“ Notwendig, so Gehbauer, sei die Errichtung von 17.500 leistbaren, geförderten Wohnungen pro Jahr. Zum Vergleich: 2022 stellten die 182 gemeinnützigen Bauvereinigungen bundesweit rund 16.700 Wohnungen fertig – also sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor, immerhin vier Prozent über dem aktuellen Zehnjahresdurchschnitt.

Einfrieren der Mieten

Der SPÖ-Obmann forderte darüber hinaus das Einfrieren der Mieten bis Ende 2025, also eine Mietpreisbremse auf null. Und erklärt: „Viele Menschen müssen bereits 40 bis 45 Prozent ihres Haushaltseinkommens zur Bewältigung der Wohnkosten aufwenden. In meiner eigenen Stadt (Traiskirchen, Anm.) habe ich die Mieten, um in diesen Krisenzeiten eine soziale Ausgewohnheit zu schaffen, schon dreimal ausgesetzt. Doch es braucht dringend gesetzliche Regelungen.“ Er will den jährlich Mietanstieg auf maximal zwei Prozent begrenzen. Zudem, so Babler, sollten bei Neuwidmungen von Bauflächen in Ballungsräumen zumindest 50 Prozent für den sozialen Wohnbau garantiert werden.

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Doch nicht nur das. Babler und Gehbauer appellierten – inhaltlich quasi unisono mit den Forderungen von GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer – für eine generelle Anhebung der Wohnbaufördermittel, und zwar von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf ein Prozent. In absoluten Zahlen würden es sich dabei um eine Erhöhung von 1,8 Milliarden Euro (Stand 2022) um weitere zumindest 3 Milliarden Euro handeln. Gerne erinnert man sich in der Gemeinnützigen an die Zeiten vor einem Vierteljahrhundert zurück, als die Wohnbauförderung noch 1,4 Prozent des BIP ausmachte.

Gedeckelte Preise

VWBF-Obmann Gehbauer sprach sich zudem dafür aus, die Wohnbauförderung künftig auf den gemeinnützigen Sektor zu beschränken – und Private und Gewerbliche davon auszuschließen. „Wir sind nicht nur ein wirtschaftlich wichtiges Segment, sondern auch eine soziale Manövriermasse, die die Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum versorgt. Daher sollte die Wohnbauförderung primär uns zur Verfügung gestellt werden.“ Ob und inwiefern dies auch ein kritisches Signal in Richtung Einfamilienhaus war, das in Österreich ein Drittel aller Privathaushalte ausmacht, blieb unklar. SPÖ-Chef Babler hielt sich im Gespräch mit den Journalisten zurück.

Sepp Wall-Strasser, Bürgermeister von Gallneukirchen im Mühlviertel, der sich der Presseveranstaltung ebenfalls anschloss, präsentierte ein mögliches Best-Practice-Beispiel für leistbares Wohnen, und zwar eine eigens entwickelte Strategie für Bodenbereitstellung. Grundstücke, die einen von der Gemeinde entwickelten Kriterienkatalog mit insgesamt acht darin aufgelisteten Qualitäten erfüllen, werden primär der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bereitgestellt. Die Grundstücke sind in diesem Fall mit 190 Euro pro Quadratmeter preislich gedeckelt. Davon kann man in der Großstadt vorerst nur träumen.

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