Wie gelingt die Wärmewende in der Wohnungswirtschaft? Energie-Experte Heinrich Tissen gibt einen Ausblick

Was bedeutet die Wärmewende für die Wohnungswirtschaft und wie kann sie sich bereits jetzt auf eine klimaneutrale Zukunft vorbereiten? Eins ist klar: Es ist höchste Zeit für einen Masterplan Wärme in jeder Kommune, damit die Transformation gelingen kann

Der Klimawandel ist zwar seit vielen Jahrzehnten bekannt, mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 und der Fridays-for-Future Bewegung hat sich eine breite gesellschaftliche Debatte entwickelt und das Denken der Bürger*innen, sowie der Politik verändert. Der Kampf gegen den Klimawandel fordert alle Wirtschaftsbereiche heraus. Doch was bedeutet dies für die Wohnungswirtschaft? Sie muss in Zukunft nicht nur eine ressourcenschonende Wohnarchitektur und den Einsatz von nachhaltigen Materialien gewährleisten, sondern vor allem die effiziente und klimaneutrale Nutzung von Energie.

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Private Haushalte machen etwa 29 %1 des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland aus und sind damit nach der Industrie der wichtigste Sektor der Energiewirtschaft. Laut Umweltbundesamt ist der Gebäudesektor für etwa 16%2 aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Der wesentliche Treiber im Gebäudesektor ist die Erzeugung von Wärme mit über 75 %, wovon 63 % sich allein auf Raumwärme beziehen. Selbst nach Jahren der CO2-Einsparung ist der Gebäudesektor der einzige Sektor gewesen, der im Jahr 2020 die Minderungsziele des Klimaschutzgesetzes verpasst hat. Deshalb braucht es für die Klimaneutralität in der Wohnungswirtschaft, insbesondere Lösungen für die klimafreundliche Transformation der Wärme.

Jedoch müssen zahlreiche Hindernisse beseitigt werden, damit die Klimaneutralität und somit die Wärmewende gelingen kann:

  • Geringes Bewusstsein und unklare Strategie der Wärmewende: Grundsätzlich gibt es für die Wärmewende ein geringeres Bewusstsein als für die Energiewende, diese bezieht sich vor allem auf die Transformation des Stromsektors. Es fehlt häufig auf kommunaler Ebene eine klare Strategie für die Umstellung der Wärmeversorgung hin zur Klimaneutralität. Aufgrund der Fragmentierung der Wärmeversorgung ist jedoch eine klare Strategie unverzichtbar, damit die einzelnen Akteure / Investitionsentscheider verlässlich die Wärme der Zukunft planen können.
  • Partikularinteressen der Investitionsentscheider: In Deutschland sind ca. zwei Drittel aller Wohnungen in privatem Besitz, d.h. es gibt Millionen verschiedener Eigentümer mit sehr unterschiedlichen Interessen in der Wohnungswirtschaft. So hat beispielswiese ein Eigentümer, der in seiner Wohnung lebt ein größeres Interesse die Wärmeversorgung klimaschonend zu modernisieren, als ein Eigentümer, der die Wohnungen vermietet und die zusätzlichen Energiekosten auf den Mieter umlegen kann.
  • Ungenügende regulatorische und wirtschaftliche Anreize: Trotz diverser Förderprogramme in die energetische Modernisierung und den klimaschonenden Neubau, wurden 2020 knapp 75% des Gebäudebestandes mit Öl oder Gas beheizt. Im Neubau ist zwar der Trend zur Wärmepumpe und Fernwärme mit insgesamt 66% dominierend, allerdings entscheiden sich weiterhin fast 27% für eine fossilbefeuerte Wärmeerzeugung (meist ein Gas-Brennwertkessel) und binden sich so für etwa 15 Jahre und mehr an Erdgas. Die Ausgestaltung des Anreizsystems muss deshalb die bestehenden ungenutzten Potentiale heben, um weitere Eigentümer zu überzeugen.
  • Komplexität in der Umsetzung von Klimaschutz in der Wärme: Die Wärmewende ist aufgrund ihrer Kleinteiligkeit mit einer hohen Komplexität verbunden, es gibt nicht die eine technische Lösung für die Wärmewende. So braucht es beispielsweise für die unterschiedlichen Bestandsgebäude verschiedene Lösungsansätze: Die Einführung von Wärmepumpen macht vor allem in gut gedämmten Gebäuden Sinn, im Altbau gilt dies nicht pauschal. Hier sollte vorab auch über geeignete Maßnahmen – etwa zur Dämmung – nachgedacht werden. Gleichzeitig muss auf der bestehenden Infrastruktur aufgebaut werden z.B. kann gezielt das Fernwärmenetz ausgebaut werden.
  • Langfristigkeit der Investitionen in die Wärmetechnik und die damit einhergehende Trägheit der Transformation: Investitionen in die Wärmetechnik sind immer langfristig angelegt, deshalb müssen sie wohl überlegt und zukunftsfähig sein. Wer sich heute für den Einsatz einer neuen Technologie entscheidet, möchte die Sicherheit haben das diese in 20 Jahren auch noch betrieben werden kann. So kann eine gewisse Trägheit entstehen, wenn der regulatorische Rahmen noch nicht ausgearbeitet ist. Die bewährte Technik wird meist ersetzt, wenn der Betrieb nicht mehr möglich ist…

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