Bezahlbares Wohnen

Kleinstwohnungen als attraktive und nachhaltige Alternative

Der Bestand an sozial geförderten Wohnungen geht in Deutschland seit Jahrzehnten zurück, während die Zahl der Menschen steigt, die sich die üblichen Mieten nicht mehr leisten können. Diese Entwicklung können selbst so ambitionierte politische Beschlüsse (wie in Norderstedt) nicht stoppen, wonach 50 Prozent der Wohnfläche im Geschosswohnungsbau als Sozialwohnungen realisiert werden muss. So wird der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum in vielen Ballungsräumen und Wachstumsregionen zum Problem.

Gleichzeitig steigt die durchschnittliche Wohnfläche pro Person kontinuierlich weiter an: Waren 1965 in Deutschland 22,3 m² pro Person völlig normal, lag der Durchschnitt 2021 laut Umweltbundesamt bei 47,7 m² pro Person. Das ruft zahlreiche ökologische Probleme hervor (Flächenversiegelung, Ressourcenverbrauch, Beitrag zum Klimawandel, induzierter Verkehr usw.) und steht im Widerspruch zu etlichen Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung. Es ist also aus mehreren Gründen nötig, nach Alternativen zu suchen.

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Von Herbert Brüning

Sanierungen zumindest des qualitativ erhaltenswerten Gebäudebestands1, Wohnungstausch, Umzugsketten, gemeinschaftliche Wohnformen und die Teilung großer Wohnungen sind aus Nachhaltigkeitssicht erste Wahl. Sie sind ressourcenschonend und stärken vorhandene Strukturen, folgen so einem strikten und unverzichtbaren Suffizienzansatz2. In Wachstumsregionen wird dennoch kaum ein Weg am Neubau vorbeigehen. Welche Einsparpotenziale hierbei bestehen und akzeptiert werden, hat die Stadt Norderstedt im Rahmen des Wettbewerbs Zukunftsstadt erforscht. Demnach gibt es interessante Alternativen für den Wohnungsmarkt.

Akzeptanz von Kleinstwohnungen

Nach einer vorbereitenden Bestandserhebung in der Wohnungswirtschaft (mit Schwerpunkt auf Norderstedt und dem benachbarten Hamburg)3 wurde zusammen mit e-fect dialog evaluation consulting eG und infas, Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, eine Befragung der Norderstedter Bevölkerung durchgeführt. Von 10.000 zufällig ausgewählten Personen haben sich 1.729 an der Umfrage beteiligt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung Norderstedts4.
Anhand der Befragung sollte herausgefunden werden, …

  • … ob – für heutige Verhältnisse – sehr kleine Wohnungen einen akzeptierten Ausweg aus der beschriebenen Problematik bieten können,
  • … wie groß und teuer solche Kleinstwohnungen sein sollen,
  • … welche Anforderungen aus Sicht der Interessierten erfüllt sein müssen, um damit ein attraktives Angebot darstellen zu können und
  • … wie viele Menschen an dieser Lösung interessiert sind.

Kleinstwohnungen sollen im Unterschied zu Tiny Houses, Micro-Apartments oder Wohnheim-Unterkünften eine Alternative zum etablierten Wohnungsangebot für die breite Bevölkerung und alle Altersgruppen darstellen. Deshalb wurde die Wohnungsgröße – und damit auch die inhaltliche Füllung des verwendeten Begriffs der Kleinstwohnung – nicht vorgegeben, sondern über zwei Fragen ermittelt. Zum einen wurde die maximale Ausgabebereitschaft für Wohnen erfragt: Demnach wollen oder können 23 Prozent der Befragten nicht mehr als 525 Euro monatlich für Wohnen ausgeben. Ein entsprechendes Angebot ist in Norderstedt – und vielen anderen deutschen Wachstumsregionen – kaum zu finden. Zum anderen wurde nach der gewünschten Wohnungsgröße bei einer für neuere Wohnungen sogar günstigen Warmmiete von 15 €/m² gefragt5: 13 Prozent würden sich dann für eine Wohnung mit maximal 35 m² entscheiden. Wenn es sie denn gäbe …

Derartige Konzepte für ein suffizientes Wohnen gelten durchaus nicht als exotisch. 54 Prozent aller Befragten können sich vorstellen, dass Kleinstwohnungen für sie in Zukunft interessant wären, 32 Prozent der Befragten interessieren sich bereits jetzt für Kleinstwohnungen, 16 Prozent finden sie sogar attraktiv und 12 Prozent würden dort sehr gerne sofort einziehen.
Interesse zeigen vor allem sehr junge Menschen (18 bis 24 Jahre) und die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen. 48 Prozent der Interessierten gaben an, dort allein einziehen zu wollen, 47 Prozent sogar zu zweit. Begründet wurde das Interesse an Kleinstwohnungen keineswegs nur mit einer Reduzierung der Wohnkosten. Noch wichtiger war den Interessierten eine nachhaltige Bauweise. Als Gewinn wird außerdem die Aussicht auf mehr soziale Kontakte betrachtet und gewünscht.

Für die meisten Menschen müssten zunächst einige Voraussetzungen geklärt bzw. erfüllt sein. Im Haus sind es bestimmte Angebote für gemeinschaftliche Nutzungen und Begegnungen (Lagerflächen, Waschküche und Trockenraum, Garten / Terrasse etc.). Attraktive Freiflächen haben zur Kompensation der kleinen Wohnung eine sehr hohe Bedeutung. Gleichzeitig ist es für die große Mehrheit jedoch wichtig, genug private Rückzugsmöglichkeiten zu behalten. Innerhalb der Stadt erhöht eine zentrale Lage der Wohnung deren Attraktivität.

Während bei den Kostentreibern Toilette und Dusche keine, bei der Küche nur zum Teil Einsparungen über Gemeinschaftsnutzungen akzeptiert sind, besteht ein großer Wunsch danach, ohne das (teure) eigene Auto leben zu können. Das wünschen sich 56 Prozent aller Befragten und 71 Prozent der an Kleinstwohnungen Interessierten. Die Voraussetzung dafür ist lange bekannt: bessere Bedingungen für ÖPNV- und Radnutzung.

Musterlösungen

Wie können Kleinstwohnungen aussehen, die von den Zielgruppen akzeptiert werden? Dieser Frage hat sich ein hochbaulicher, vom büro luchterhandt & partner koordinierter Ideen-Wettbewerb mit vier Aufgaben gewidmet. Neben Lösungen, die ein möglichst nachhaltiges Wohnen aufzeigen sollen, und einer Aufgabe für sehr kleine Einfamilienhäuser gab es für zwei Aufgaben überaus ambitionierte Vorgaben zur maximalen Warmmiete:

Wie kann sehr günstig – für maximal 350 Euro warm – im Geschosswohnungsbau gewohnt werden?
Wie kann günstig und barrierefrei – für maximal 460 Euro warm – im Geschosswohnungsbau gewohnt werden?

Kostengünstige Angebote werden immer wichtiger, denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente. Dadurch entstehen bedeutsame Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur: Bis 2030 werden ca. 5 Mio. Menschen mehr in den Ruhestand gehen als in den Arbeitsmarkt eintreten. Die Hälfte aller Rentner:innen mussten im Wettbewerbsjahr 2021 (in den alten Bundesländern) mit maximal 944 Euro an gesetzlicher Rente auskommen6. Die anderen 50 Prozent, deren Rente unter diesem Durchschnitt liegt, hatten kaum weitere Einnahmequellen. Innerhalb eines Jahres ist die Durchschnittsrente um 4 Euro gestiegen, der Baupreisindex um 17 Prozent. Das Problem verschärft sich also gleich mehrfach.

Die Erhöhung des Wohngelds ab 2023 kann dies kurzfristig abfedern – derartige staatliche Leistungen werden künftig jedoch schwerer zu finanzieren sein, weil der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung weiter sinkt. Die gute Nachricht: Im Ideen-Wettbewerb wurden verschiedene architektonische Lösungen entwickelt, die sowohl Vertreter:innen der Zielgruppen als auch die Fachjury überzeugen konnten. Allerdings kam keiner der sechs Endrundenbeiträge in die Nähe der Preisvorgaben: Anstelle der geforderten Warmmiete von maximal 350 Euro im Monat wurden durch die Vorprüfung Monatsmieten in der Spannbreite von 428 Euro (für ein WG-Zimmer) bis 1.733 Euro ermittelt. Für ein barrierefreies Wohnen ergaben sich Mietbelastungen zwischen 592 Euro und 1.161 Euro im Monat. Daher wurde im Wettbewerb kein erster Preis vergeben.

Das finanziell und sozialpolitisch unbefriedigende Ergebnis wurde in einem zusätzlichen Forschungsworkshop mit den Architekturteams aufgearbeitet. Gründe für das deutliche Verfehlen der Aufgabenstellungen waren nach Angaben der Teams ein Fokus aller Teilnehmenden auf architektonische Qualitäten zur Überzeugung der Jury anstatt auf die geforderten niedrigen Mieten, die Abweichungen zwischen allgemeinen Kostenkennwerten (z. B. Baupreisindex) und den in der Wettbewerbsphase 2021 aktuellen Marktpreisen für Baustoffe, eine ungewohnt komplexe Aufgabe, fehlende Erfahrungswerte und Praxis im Studium (insbesondere für eine Mietkalkulation), das erwartete Absenken von Anforderungen und Standards im weiteren Planungsprozess, die Vorgaben der Architektenkammer für Wettbewerbe („in diesem Planungsstadium noch keine detaillierte Kostenbetrachtung“) sowie die vage Hoffnung auf Subventionen.

Auch die für den Wettbewerb entwickelte Arbeitshilfe zur Mietkalkulation und der in den Wettbewerb integrierte Zielgruppendialog haben nicht zur Einhaltung der Kostenvorgaben geführt. Neben expliziten Hinweisen, dass aus Kostengründen auch noch kleinere Wohnungen akzeptabel wären, hatten die Zielgruppen nämlich auch Vorstellungen geäußert, welche Qualitäten sie sich zusätzlich vorstellen könnten. Die teilnehmenden Teams entschieden sich bei der weiteren Bearbeitung trotz klarer Aufgabenstellung für die teuren Zusatzwünsche. Für kostenbewusstes Bauen ist das ein unerwartetes, aber praxisrelevantes Ergebnis.

Zielkonflikt zwischen Qualität und Bezahlbarkeit

Abb. 1: Grundriss im Längsschnitt durch eine Wohneinheit für sehr günstiges Wohnen (studio blau sieben)

Stellvertretend soll am Beispiel des Preisträgers studio blau sieben aufgezeigt werden, wie eine Kleinstwohnung aussehen kann, die sowohl die Zielgruppen-Jury als auch die Fachjury überzeugen konnte.

Der Entwurf verwendet einheitliche, stapelbare Module in Holzrahmenbauweise, die einen hohen Grad an Vorfertigung erlauben. So sollen Zeit- und Kostenvorteile bei einer hohen Ausführungsqualität entstehen. Auf einen Keller wird bei dem viergeschossigen Gebäude verzichtet.

Für sehr günstiges Wohnen (Aufgabe 1) ist jedes der 56 Apartments 30,2 m² groß (Abb. 1) und wird über einen selbsttragenden Laubengang erschlossen, der zugleich als Begegnungsfläche dient. Ein kleiner dort angeordneter Freisitz mit zusätzlichem Stauraum vor der Wohnung soll zwanglose nachbarschaftliche Kontakte fördern. Der rechteckige Wohnraum des Apartments wird von zwei Seiten natürlich belichtet und erlaubt das Durchlüften. Er ist 3 m hoch und wird durch eine eingestellte Box unterteilt, die Küche und Bad beherbergt; über der Box ist ein großzügiger Stauraum vorgesehen. Innerhalb der Wohnung ist weiterer Stauraum in Flur, Küche und dem Schlafbereich ausgewiesen sowie im Wohnbereich möglich. Die Zuordnung von Wohn- und Schlafbereich kann – wie aus der Zielgruppe im Wettbewerb angeregt – einfach getauscht werden. Multifunktionale Elemente erhöhen die Nutzbarkeit der beschränkten Wohnfläche, etwa eine tiefe Fensterbank, die zugleich als Sitzfläche oder Ablage dienen kann. Bei Bedarf lassen sich zwei Wohnmodule auch zu einer 3-4-Zimmer-Wohnung zusammenschließen.

Die laut Umfrage wichtigsten Gemeinschaftsflächen ergänzen die Wohnungen. In jeder Etage gibt es einen Wasch- und Trockenraum (11,5 m²). Alle Obergeschosse verfügen über einen externen Lagerraum je Wohneinheit von 1,9 m². Im Erdgeschoss ist ein Abstellraum für Lastenrad, Kinderwagen und Rollatoren vorgesehen – neben weiteren, großteils überdachten Fahrradstellplätzen im Außenbereich. Zudem sind zwei Gemeinschaftsräume von 35 m² zur individuellen Aneignung durch die Hausgemeinschaft eingeplant. Kfz-Stellplätze zu reduzieren (vorgesehen sind 0,23 Stellplätze je Wohneinheit), ist für einkommensschwache Zielgruppen sicher angemessen.

Der durch Gebäudeform und Nutzungsstrukturen reich gegliederte Gemeinschaftsgarten bietet vielfältige Freiraum-Elemente für die Hausgemeinschaft: von überdachter Terrasse mit angrenzendem Spielplatz, Naschhecken, Streuobstwiese, Gemüsegarten, Sitzecke, Liegewiese bis hin zu und Stauden- / Strauchpflanzungen. Ein 35 m² großes Sonnendeck auf dem Dach ergänzt das Angebot.

Nachhaltigkeit

Ohne dass dieser Aspekt in Aufgabe 1 ausdrücklich gefordert war, ist der Entwurf bereits weitgehend barrierefrei. Gerade für ältere Menschen wird es dadurch möglich, lange in ihrer Wohnung leben zu können. Es wäre lebensfern, wenn etwa einkommensschwache Rentner:innen ihre erschwingliche Wohnung wieder verlassen müssten, sobald sie aufgrund von Bewegungseinschränkungen auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen sind. Beurteilungsmaßstab für die Barrierefreiheit war der ready-plus- Standard7, wonach sich eine barrierefreie Wohnung mit relativ geringem Aufwand in eine behindertengerechte Wohnung umwandeln lässt. Ähnliches gilt für die Beurteilung der Nachhaltigkeit, die bei Aufgabe 3 im Mittelpunkt stand.

Ebenso wie andere Wettbewerbsbeiträge modifiziert auch studio blau sieben ein einheitliches Grundkonzept, um dadurch angepasste Lösungen für die einzelnen Aufgabenstellungen zu bieten. Beurteilt wurde die Nachhaltigkeit der Entwürfe anhand der SNAP-Methode (Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben)8. Norderstedt hat damit bereits in anderen Verfahren gute Erfahrungen gemacht. Trotz eines geringen Fensterflächenanteils punktet die Arbeit mit einer günstigen Fensteranordnung in Verbindung mit einem effektiven Sonnenschutz. Aufgrund der geringen Gebäudetiefe kann eine mittlere Belichtungstiefe und eine günstige natürliche Belüftung erreicht werden. Der Energiebedarf liegt auch wegen der konstruktionsbedingt großen Oberfläche im Verhältnis zum Volumen (A/V-Verhältnis) im Vergleich nur im mittleren Bereich der Arbeiten, wird jedoch zu einem hohen Anteil (80 Prozent) durch Eigenerzeugung gedeckt.

Bei Aufgabe 1 fehlen aus Kostengründen Maßnahmen, die sich förderlich auf das Raumklima auswirken (z. B. die für Aufgabe 3 genutzten thermisch aktivierten Lehmwände). Da nur für die Aufgabenstellung 3 eine vollständige Bewertung nach der SNAP-Methode vorgenommen wurde, werden zur Illustration deren Ergebnisse gezeigt (Abb. 2). Dazu gehören auch Angaben zur Wirtschaftlichkeit (Anpassungsfähigkeit des Gebäudes, Flexibilität der Nutzungseinheiten, Energiekosten) und zur CO2-Ökobilanz über einen Zeitraum von 50 Jahren (graue Energie in den Baustoffen und Energie für den Betrieb).

Kosteneinsparungen

Zur Bereitstellung von neuem erschwinglichem Wohnraum bieten alle Wettbewerbsbeiträge nicht die erhoffte Lösung. Wer von einer Durchschnittsrente leben muss, kann sich keine der Wohnungen (ohne Wohngeld) leisten. Trotz der Baupreisentwicklung war es jedoch auch 2022 noch möglich, neuen Wohnraum fertigzustellen, der für weniger als 350 Euro vermietet wird9.

Abb. 3: Regelgeschoss mit Wohnungen (inkl. Variationen), Lagerräumen, Gemeinschaftsraum und Waschküche mit Trockenraum, erschlossen über Laubengang mit den Freisitzen vor der Wohnungstür als Wettbewerbsbeitrag von studio blau sieben.

Der Wettbewerbsteilnehmer studio blau sieben war bereit, nach Abschluss des Verfahrens weitere Einsparmöglichkeiten zu erarbeiten. Neben einer Minimierung der Wohnfläche (auf 22,9 m²), dem Verzicht auf Gemeinschaftsflächen, Kosteneinsparungen beim Baumaterial, wesentlichen Abstrichen bei der Nachhaltigkeit oder Eigenleistungen der Mieterinnen beim Ausbau wurde auch eine Variante mit kompaktem Baukörper angeboten. So entstehen große Einsparungen bei der teuren Fassade und das Konzept kann die einzelnen Wohnmodule in der oben gezeigten Größe und Materialität erhalten. Aufgrund des innenliegenden Flurs werden sie allerdings nur noch einseitig belichtet / belüftet und erhalten dafür jeweils einen eigenen Balkon. Auf die kompensatorisch wichtigen Sozialflächen wird aus Kostengründen ebenfalls verzichtet. Das Ergebnis zeigen die Abbildungen 3 und 4 im Vergleich zueinander.

Abb. 4: Variante einer kompakten Gebäudestruktur mit innenliegender Erschließung, einem neuen Wohnungsgrundriss und einem Balkon für jede Wohnung als Überarbeitung von studio blau sieben.

Durch eine derart kostenoptimierte Gebäudegestaltung können die reinen Baukosten um fast 25 Prozent reduziert werden. Die kalkulierte Warmmiete von 538 Euro je Wohneinheit sinkt hingegen nur um etwa 9 Prozent, da in die Miete noch weitere Kostenkomponenten einfließen. Mit der relativ geringen finanziellen Einsparung sind erhebliche Einbußen von architektonischer und sozialer Qualität verbunden. Damit ist fraglich, ob diese Veränderungen nicht die Akzeptanz der Kleinstwohnungen gefährden. Für die Entwicklung von weitergehenden Veränderungen, etwa einem Zusammenspiel aus etwas weniger Wohnfläche mit einem nur leicht reduzierten Angebot von sozialen Begegnungsflächen, und deren Akzeptanztests fehlte im Forschungsvorhaben Zeit und Geld.

Alternativkonzept

Deutlich andere Vorstellungen zeigt Daniel Schönle, der zweite Preisträger. In einem Gebäude bringt er 54 Wohneinheiten unter, mit denen alle drei Aufgabenstellungen abgedeckt werden. Die kompakten Wohnungen für die Aufgaben 1 und 3 (Abb. 5) weisen eine Höhe von 3,50 m auf und bieten durch zwei Ebenen die Chance, Bett und Arbeitsbereich nicht direkt einsehbar oberhalb des Bads anzuordnen. Eine treppenförmige Möblierung ermöglicht den Zugang. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen 22,5 m² für das als WG-Zimmer dienende Basismodul (ohne eigenen Freisitz) über Zwischengrößen bis hin zu 36,9 m². Die zugehörigen Warmmieten betragen zwischen 428 Euro und 666 Euro.

Abb. 5: Visualisierung einer Wohneinheit für die beiden Aufgaben 1 = sehr günstiges Wohnen und 3 = nachhaltigkeitsoptimiertes Wohnen mit angedeuteten Variationsmöglichkeiten in der Raumtiefe (Daniel Schönle).

Die Heterogenität des Entwurfs mit kompakten, interessanten Wohnungsgrundrissen und großen, gut gestalteten Freiflächen wird von der Jury gelobt. Die vielfältigen Gemeinschaftsflächen (Waschcafé, Veranstaltungsraum, Fitnessräume, Bibliotheken, Küche, Terrassen, Holzdeck auf dem Dach) sind attraktiv positioniert. Die aufwändige (nicht barrierefreie) Treppen-Schrank-Konstruktion und das großzügige Angebot von Gemeinschaftsflächen werden als maßgebliche Gründe für das Überschreiten der Kostenvorgaben gesehen. Durch die einseitige Fensteranordnung, einem dadurch nur mäßigen Raumklima, die zum Teil niedrige Raumhöhe, Einschränkungen bei der Flexibilität, hohe Energiekosten und die im Vergleich schlechteste CO2-Gesamt-Ökobilanz über 50 Jahre ergeben sich einige Nachhaltigkeitsdefizite. Abb. 2 zeigt die Stärken (Kompaktheit, Endenergiebedarf) und Schwächen des Entwurfs im Vergleich zu den anderen ausgezeichneten Arbeiten.

Ausblick

Herbert Brüning ist Bankkaufmann und Diplom-Biologe. Er leitet die Stabsstelle Nachhaltiges Norderstedt in der dortigen Stadtverwaltung sowie das Projekt Zukunftsstadt mit dem Schwerpunkt nachhaltig Wohnen.

Kleinstwohnungen können eine zukunftsweisende Alternative zum sozialen Wohnungsbau darstellen. Suffizienz kann – trotz gegenteiliger Befürchtungen – die Zustimmung eines relativ großen Bevölkerungsanteils finden10. Wichtig sind bedarfsgerechte Konzepte, deren effektive Kostenkontrolle ab Planungsbeginn, die gestalterische Optimierung jenseits etablierter Standardlösungen und die Erlebbarkeit von qualitativ hochwertigen Referenzobjekten für möglichst viele Menschen. Dann versprechen Kleinstwohnungen die Lösung einiger Probleme, die dringend angegangen werden müssen. Einkommensschwache werden dennoch staatliche Zuschüsse benötigen, aktuell in Form von Wohngeld. So sind geeignete Wohnungen auch heute noch realisierbar.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Projekt Nachhaltig Wohnen im Rahmen der Strategie Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung unter dem Förderkennzeichen 13ZS0059A gefördert.

Zum Artikel als PDF

  1. ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR ZEITGEMÄßES BAUEN E. V. – 2022 – Wohnungsbau: Die Zukunft des Bestands. Bauforschungsbericht Nr. 82. – 101 S., Kiel. – Verfügbar unter: https://arge-ev.de/arge-ev/publikationen/studien/?465 ↩︎
  2. FUHRHOP, D. – 2020 – Verbietet das Bauen. Streitschrift gegen Spekulation, Abriss und Flächenfraß – 2. Aufl., 224 S., München. ↩︎
  3. KONSALT – 2020 – Zukunftsstadt Phase III – Orientierende Bestandserhebung zu Kleinstwohnungen. Ergebnisbericht. – 40 S., Hamburg. – Verfügbar unter: https://www.norderstedt.de/media/custom/3224_2918_1.PDF?1621519550 ↩︎
  4. BRÜNING, H.; HOFFMANN, Ch.; WARDZALA, St. – 2022 – Bezahlbares und nachhaltiges Wohnen in Kleinstwohnungen: Beachtliches Interesse an suffizienten Lösungen. – In: Stadtforschung und Statistik. Zeitschrift des Verbandes Deutscher Städtestatistiker. 35. Jahrgang, Heft 2, S. 53-65, Uckerland (https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-81795-9). ↩︎
  5. STADT NORDERSTEDT – 2021 – Norderstedter Mietspiegel 2021. 33. Ausgabe 1980 – 2021. – 24 S., Norderstedt. – Verfügbar unter https://www.norderstedt.de/Soziales-und-Familie/Leben/Mietenspiegel ↩︎
  6. DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG – 2021 – Rentenversicherung in Zahlen 2021. – 89 S., Berlin. ↩︎
  7. BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG (Hrsg.) – 2018 – ready kompakt. Planungsgrundlagen zur Vorbereitung von altengerechten Wohnungen. – In: Zukunft Bauen. Forschung für die Praxis. Band 05, 2. Aufl., 31 S., Bonn. ↩︎
  8. BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG (Hrsg.) – 2021 – SNAP Wettbewerbsverfahren. Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungsverfahren. – In: Zukunft Bauen. Forschung für die Praxis. Band 28, 2. Aufl., 42 S., Bonn. und BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG (Hrsg.) – 2021 – SNAP Planungs- und Arbeitshilfen. – In: Zukunft Bauen. Forschung für die Praxis. Band 29, 67 S., Bonn. ↩︎
  9. ACADEMICUM HEIDELBERG: https://collegiumacademicum.de/ – im 2022 fertiggestellten Neubau wird für Warmmiete, Internet- und Stromkosten monatlich pauschal 339,20 € berechnet (Mailauskunft vom 19.8.2022). ↩︎
  10. BRÜNING, H. – 2020 – Lässt sich Suffizienz mehrheitsfähig kommunizieren? Das Beispiel Norderstedt. S. 215–232. – In: BOSSERT, L.; VOGET-KLESCHIN, L.; MEISCH, S. (Hrsg.) – 2020 – Damit gutes Leben mit der Natur einfacher wird – Suffizienzpolitik für Naturbewahrung. – 280 S., Marburg. ↩︎

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Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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