Serielles Sanieren bedeutet nachhaltiges Sanieren

Schnelle Dekarbonisierung und bezahlbarer Klimaschutz im Wohnungsbestand

Klimaschutz ist eine der wichtigsten Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Die Bundesregierung wird bis 2026 rund 200 Milliarden Euro in diese historische Aufgabe investieren. In der Immobilienwirtschaft stehen dabei vor allem nachhaltiges Bauen und Sanieren mit CO2-Reduktion im Fokus – und auch die Branche hat sich verpflichtet und will bis 2045 Klimaneutralität im Gebäudesektor erreichen.

Allein der LEG, der Eigentümerin von rund 167.000 Wohnungen, kommt dabei ein großer Teil dieser Verantwortung zu. Dabei müssen wir insbesondere die Bezahlbarkeit der Wohnungen für unsere Mieterinnen und Mieter gewährleisten und gleichzeitig dem anhaltenden Fachkräftemangel erfolgreich begegnen können. Um die bestehenden Zielkonflikte erfolgreich auflösen zu können, hat die LEG Anfang 2022 zusammen mit dem österreichischen Bauunternehmen Rhomberg die RENOWATE GmbH gegründet.

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Von Andreas Kipp und Andreas Miltz

Herkömmliche energetische Sanierungen helfen, den Energieverbrauch zu reduzieren, gehen aber gleichzeitig mit Kosten einher, die zumeist dreifach so hoch sind wie die dadurch erzielte Energieeinsparung. Sprich: Energieeinsparung muss man sich leisten können. Doch das Hauptklientel der LEG sind Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen – die Durchschnittsmiete liegt Anfang 2023 bei erschwinglichen 6,30 Euro pro Quadratmeter: Auch dadurch steht das Unternehmen in einer besonderen Verpflichtung, die verschiedenen Interessen auszutarieren und den Zielkonflikt zwischen teurer Nachhaltigkeit und bezahlbarem Wohnraum aufzulösen.

Dabei ist das Problem in der Wohnungswirtschaft altbekannt als „Vermieter-Mieter-Dilemma“. Das bedeutet, dass der Mieter durch die resultierende Energieeinsparung in einem höheren Maße von der Sanierung profitiert als der Vermieter. Denn Letzterer muss die Investitionskosten refinanzieren und hat dafür keinen Zugriff auf die Energiekostenersparnis seines Mieters, sondern ist rein auf die gesetzlichen Mieterhöhungsspielräume angewiesen. Eine Investition erscheint daher allzu oft unattraktiv.

Auch Neubau ist im direkten Vergleich kein geeigneter Heilsbringer. Zwar sind die Neubaustandards klimaschonend und nachhaltig, doch haben in Zeiten von Inflation, Zinswende und steigenden Baukosten viele deutsche Immobilien-Platzhirsche ihre Neubauziele einkassiert und für die Zukunft geplante Projekte vertagt, teils auf unbestimmte Zeit. Die Studie „Energetische Sanierung von Bestandsgebäuden oder Neubau“ des renommierten Wuppertal Instituts aus dem Frühjahr 2022, die im Auftrag der LEG durchgeführt wurde, gelangte im direkten Vergleich beider Ansätze zu dem Schluss, dass energetische Sanierung nachhaltiger ist als Neubau.

Gerade auch vor dem Hintergrund der vielen Millionen bislang unsanierten Bestandsgebäude sei dieser Hebel unlängst größer als der des Neubaus. Ziel der Untersuchung war es, energetische Gebäudesanierungen sowie Neubauprojekte ökologisch zu bewerten. Im Fokus der Untersuchung standen dabei Materialbedarf, Primärenergieverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgas-Emissionen. Das eindeutige Ergebnis: Auch wenn die CO2-Kosten für den Bau neuer Gebäude Berücksichtigung finden, verursacht der Ansatz der energetischen Sanierung nur die Hälfte des CO2-Fußabdrucks eines Neubaus.

Alte Problemstellung – neue Lösungsansätze

Seit vielen Jahren versuchen Fachleute, den gordischen Knoten zu durchtrennen und energetische Sanierung – gerade auch angesichts der Klimakrise – im Sinne aller Beteiligten kostengünstig und nachhaltig zu ermöglichen: bislang ohne nennenswerte Erfolge. Dabei waren die fortschreitende Digitalisierung, neue Akteure am Markt und innovative technische Möglichkeiten durchaus geeignete Gamechanger und das Zielbild bereits klar definiert: Weg von der aufwendigen und kostspieligen Individualbetrachtung hin zu einem digitalen Baukasten mit automatisierten Prozessen, wo Gebäude viel schneller gewerkeübergreifend energetisch umfassend modernisiert und dekarbonisiert werden. Zudem sollten die Mieter von kurzen Bauzeiten, minimalen Einschränkungen und maximalen Einsparungen profitieren können.

Einen ausschlaggebenden Impuls auf dem Weg zu RENOWATE markierte ein initiales Gespräch der LEG-Verantwortlichen mit der Deutschen Energieagentur (dena) und einer Beteiligung an deren „Volume Deal“ im Jahr 2019. Dieses Ereignis begründete letztlich die Suche nach geeigneten Anbietern im Markt, die das beschriebene Zielbild mit Leben füllen und das benötigte „Volumen“ an zu sanierenden Beständen umsetzen konnten. Eigens dafür initiierte die LEG ein sogenanntes Reallabor am Standort Mönchengladbach. Hier sollten in den kommenden Monaten und Jahren verschiedene technische und inhaltliche Ansätze, effizient energetisch zu sanieren, mit verschiedenen Generalunternehmen in der Praxis getestet werden. Zwar wurden die Piloten unter dem Namen „LEG-Zukunftshaus“ überwiegend erfolgreich abgeschlossen, doch eine Lösung, die auf Masse gehen und industriell skaliert werden könnte, konnte hier noch nicht gefunden werden.

Gründung des Joint-Ventures RENOWATE als zukunftsweisendes Geschäftsmodell

2021 begab sich die LEG daher selbst auf die Suche nach einem Partner aus der Baubranche, um in Eigenregie den gesuchten neuen Planungs- und Bauansatz, eine komplette Sanierung aus einer Hand, zu entwickeln. Die Rahmendaten für eine Unternehmensgründung in dieser Marktnische waren vielversprechend: Mit einem durchdachten seriellen Ansatz könnten rund 2 Millionen Gebäude in Deutschland saniert werden – darüber hinaus gab es bis dato keine Wettbewerber, deren Erfahrungen über einen Pilotstatus hinausreichten.

Zwar verlief die Suche zunächst schleppend, doch schließlich konnte mit der Rhomberg Bau aus Österreich ein exzellenter Partner mit der nötigen Expertise gefunden werden. Anfang 2022 gründeten die beiden Unternehmen das Joint-Venture RENOWATE mit dem Ziel, der Lösungsanbieter für effiziente energetische Erneuerung von Wohngebäuden für die gesamte Branche in der DACH-Region zu werden. Und tatsächlich konnte das Gemeinschaftsunternehmen auf seinem Weg zu einem ganzheitlichen und skalierbaren Prozess zur Dekarbonisierung von Bestandsimmobilien innerhalb weniger Monate erste Erfolge erzielen: Von den insgesamt 14 geplanten Pilotprojekten waren bereits zwei am Standort Mönchengladbach nach nur drei Monaten Kern-Bauzeit umgesetzt.

RENOWATE als Lösungsansatz für schnelle, großflächige Dekarbonisierung

Beim RENOWATE-Ansatz erfasst zunächst ein 3D-Scanner oder eine Drohne alle relevanten Eckdaten des Gebäuderiegels. In einer Simulation wird dargestellt, wie aus einer sogenannten Punktewolke die notwendigen Messwerte entstehen, die für eine digital gesteuerte, serielle Produktion der Fassadenbauteile benötigt werden. Mithilfe dieser Laserscanning-Technologie entsteht ein digitaler Zwilling der betreffenden Bestandsgebäude – die neue Gebäudehülle kann somit ortsunabhängig und industriell vorgefertigt werden.

Die neuen Holz-Fassaden stammen im Fall der Premieren-Gebäude mit insgesamt 47 Wohnungen in Mönchengladbach-Lürrip aus Estland. Die Bauzeit beträgt nur einen Bruchteil gegenüber einer konventionellen Sanierung. So können die Mieterinnen und Mieter ihr eigenes Zuhause während der Bauphase weiternutzen. Auch Baustellenlärm und -staub werden auf ein Mindestmaß reduziert und die Bewohner profitieren am Ende von deutlich geringeren Energieverbräuchen.

Um sich als Pilotprojekt zu qualifizieren, waren insbesondere folgende Faktoren ausschlaggebend: schlechte Energieeffizienzklasse, sehr homogen strukturierte Gebäudekörper, keine komplexen Balkone und zudem eine möglichst große Außenfläche, damit während der Bauphase große Arbeitsgeräte, wie Schwerlaster, Kräne etc., dort gut rangieren und agieren können.

Bereits im Winter 2022 konnten, wie bereits erwähnt, die ersten beiden Projekte nach nur drei Monaten Kern-Bauzeit weitestgehend erfolgreich abgeschlossen werden. In deren Verlauf hatte das RENOWATE-Team insgesamt 180 vorgefertigte Fassaden-Elemente verbaut, in die neue Fenster, Rollläden und Lüftungsanlagen bereits integriert sind. Alle Gasetagen-Thermen und Nachtspeicher-Öfen wurden ausgetauscht und auf neueste Wärmepumpen-Technologie umgestellt – der Energiebedarf konnte so um etwa 95 % reduziert und die Gebäude auf den KfW 55-Standard gehoben werden. Zudem gibt es Vorrichtungen für die Installation von Photovoltaik-Anlagen, die bei Umsetzung den Net-Zero-Standard ermöglichen.

Vertrieb: Auf klarem Kurs zum Drittmarktanbieter

Der RENOWATE-Ansatz war von Beginn an als Produkt auch für den Drittmarkt konzipiert. Es ist eine wirtschaftliche Lösung mit pragmatischem Ansatz, die Wissen und Erfahrung aus Bau- und Immobilienwirtschaft wertsteigernd bündelt. Für den Markteinstieg haben wir zunächst den KfW55-Standard als Kernprodukt definiert und uns auf den pragmatischsten und kostengünstigsten Ansatz fokussiert. Aktuell arbeiten wir bereits an der Weiterentwicklung unseres Produkts, wie zum Beispielalternative Fassadenoberflächen. Bei dieser Produktweiterentwicklung setzen wir auf strategische Partnerschaften und suchen uns geeignete etablierte Player am Markt, die uns – in unserem stetigen Ringen um die bestmögliche Lösung – u.a. auch als Sparrings-Partner dienen.

Eine positive Überraschung war die Akquise des ersten externen Kunden bereits nach 12 Monaten Geschäftstätigkeit. Damit haben wir unsere Angebotshypothese bestätigt und übertroffen: Voraussichtlich Ende des Jahres 2023 werden wir für ein Düsseldorfer Unternehmen weitere rund 1.000 Quadratmeter Wohnfläche sanieren.

Die konkreten nächsten Schritte bestehen nun jedoch zunächst in der Durchführung der noch insgesamt 14 Pilotprojekte im eigenen LEG-Bestand mit insgesamt rund 13.000 Quadratmeter Wohnfläche. Während die RENOWATE in ihrem ersten Jahr 47 Wohnungen mit rund 2.500 qm saniert hat, wird sich das Volumen im zweiten Geschäftsjahr bereits vervierfachen und rund 10.000 Quadratmeter betragen – das Produkt ist skalierbar. So wird 2023 regelmäßig ein neues Projekt begonnen werden. Im Zuge der Piloten sammeln wir Erfahrungen und optimieren das Produkt ständig weiter, um es schließlich am Markt für externe Kunden im Baukasten-Prinzip anbieten zu können. Dieses Konzept ermöglicht u.a. auch eine variable Preisgestaltung, je nachdem, ob sich der Kunde für eine Sanierung mit Dach, mit neuer Heizung, mit Fassade, mit Photovoltaik entscheidet oder nur für eine oder einen Teil dieser Komponenten. Es sind somit auch verschiedene energetische Effizienzstandards realisierbar.
Digitale Kundenkommunikation: Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg

Wir haben im Projektverlauf der ersten Monate gelernt, dass wir den wesentlichen Stakeholder, unseren Mieter, unbedingt über die gesamte Projektzeit begleiten müssen. Denn die Erfahrung u.a. aus der traditionellen Modernisierung zeigt, dass Menschen gerade bei Baumaßnahmen über eine transparente Ansprache mitgenommen werden müssen, um die Akzeptanz aufrecht zu erhalten. Das tun wir u.a. durch transparente Kommunikation und haben zu diesem Zweck ein eigenes IT-Portal erstellt. Unser Ziel ist es, den Mietern über diesen Kanal alle relevanten Informationen vor, während und nach der Kern-Bauzeit zur Verfügung zu stellen. Über das Portal sollen die Mieter u.a.:

  • eine permanente Feedback- und direkte Kontaktmöglichkeit zu uns erhalten;
  • den gesamten Sanierungsplan und den aktuellen Baufortschritt tagesaktuell abrufen und prüfen können;
  • kontaktlos sämtliche Termine für Arbeiten in der Wohnung vereinbaren und alle relevanten Informationen zu anstehenden Arbeiten einsehen können;
  • die von ihnen zu erledigenden Aufgaben mitgeteilt bekommen und als erledigt melden können (z.B. das Freiräumen von Arbeitsbereichen in der Wohnung);
  • Dokumente und Briefe digital und jederzeit einsehbar erhalten und die wesentlichen FAQ einsehen können.
Andreas Kipp ist Leiter Vertrieb & Marketing, RENOWATE GmbH Seit Oktober 2023 ist Andreas Kipp im Team der RENOWATE und verantwortet die vertriebliche Ausrichtung für den Drittmarkt. Der gelernte Dipl-Kfm. (FH) hat zuvor 20 Jahre Erfahrungen im Bereich Marketing, Vertriebssteuerung und Vertrieb der Bauindustrie sammeln können. www.renowate.de

Dieser zusätzliche digitale Kommunikationskanal bedeutet auch für den jeweiligen Bestandshalter einen spürbaren Mehrwert, da seinerseits für die ansonsten aufwendige Mieterkommunikation keine personellen Kapazitäten mehr gebunden werden. Gleichzeitig können wir selbst die Plattform – abseits der Mieterkommunikation – dafür nutzen, die Gewerke zu koordinieren, wichtige Informationen zu bündeln und einen optimalen Ablaufprozess sicherzustellen.

Erkenntnisse für noch mehr Effizienz und weitere Wertsteigerung in der Zukunft

Auch über die Kundenkommunikation hinaus haben wir vielfältige Erkenntnisse gewonnen. U.a. wurde bereits eine neue Fassadenaufhängung konzipiert, die 50 Prozent weniger Stahl für die Aufhängung benötigt und damit deutlich weniger kostet. Das bisher verwendete Standardprodukt ist Geschichte. Auch an der Lüftungstechnik arbeiten wir zurzeit und optimieren diese weiter – so wie auch zahlreiche weitere Komponenten.

Andreas Miltz verantwortet seit Oktober 2021 die kaufmännische Geschäftsführung der LEG Wohnen NRW GmbH sowie der RENOWATE GmbH, einem Joint Venture der LEG Immobilien- und der Rhomberg-Gruppe.
Zuvor war der gelernte Betriebswirt und MBA für verschiedene Versicherungsunternehmen in leitenden Funktionen tätig - zuletzt als Vorstandsmitglied und Head of Strategy für die ERGO Insurance Company S.A. in Griechenland. www.leg-wohnen.de

Auch die Abläufe waren generell stark verbesserbar: Beim ersten Projekt hat es noch mehrere Wochen gedauert, bis aus der digital vermessenen Punktwolke tatsächlich die Planung für die Module und die Technik stand – inzwischen konnten wir dies stark optimieren. Die Gewerke so zu kombinieren, dass möglichst viele Bauteile aus einem Guss installiert werden können, ist eine echte Herausforderung, eine Detailarbeit, die wir ständig weiterentwickeln müssen.

Ein echter Lichtblick ist der Fortschritt der Möglichkeiten in Bezug auf die zu sanierenden Baukörper. Konnte RENOWATE anfangs ausschließlich die Kategorie „quadratisch, praktisch, gut“ sanieren, so ist es künftig, durch die bereits erwähnte neue Aufhängung, möglich, auch komplexe Gebäude umzurüsten. Balkone, Spitzdächer, Hochgeschosser etc. sind nun kein Hindernis mehr. Auch ein erstes Projekt in Österreich, der Heimat unseres Joint-Venture-Partners Rhomberg Bau, und damit ein erster Schritt zum Anbieter in der gesamten DACH-Region, wird sicherlich in absehbarer Zeit kommen. Die Zukunft kann beginnen.

NACHHALTIG WOHNEN UND BAUEN

Ein Themenheft von Wohnungswirtschaft heute in Kooperation mit RENN.nord. 192 Seiten, 18,90 €

Nachhaltig Wohnen und Bauen Teil 1 von 3

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