Die Sharing-Economy verspricht, dass die Menschen durch das Teilen gemeinsam mehr haben werden: mehr Wohlstand, mehr Komfort, mehr Lebensraum. Auch in der Wohnungswirtschaft ist der Trend angekommen und erzeugt neue Wohnkonzepte – und das bedeutet Veränderung. Geteilter, öffentlicher Wohnraum wird deutlich stärker beansprucht als private Wohnungen oder Wohneigentum und bei Schadensfällen den Verursacher zu finden, fällt schwer. Um unüberschaubare Folgekosten zu vermeiden, müssen Wohnraum und Ausstattung deshalb durch besonders hohe Produktqualität und Haltbarkeit überzeugen.
Eine Studenten-WG in Deutschland, neun Uhr morgens: Ein Mitbewohner stürmt in die Küche und reißt das Fenster auf, denn bevor es ans Lernen geht, will er noch eine Zigarette rauchen. Zehn Minuten später kommt eine Mitbewohnerin herein, um zu frühstücken. Ihr ist kalt, sie knallt das Fenster wieder zu, dass es scheppert. Eine Szene, die vielen Menschen bekannt vorkommen dürfte – und die zukünftig in ähnlicher Form noch häufiger stattfinden wird. Denn die Sharing-Economy, die Wirtschaft des Teilens, gilt als einer der großen Trends der Gegenwart. In einer westlichen Welt, in der alle Grundbedürfnisse der Menschen mehr als gedeckt sind, verspricht sie, hohen Lebensstandard und -komfort mit verhältnismäßig geringem Aufwand allen Menschen zugänglich zu machen. Von Car-Sharing über Co-Working bis Food-Sharing: Alles kann heute geteilt werden. Das spart Geld, schont die Umwelt und fördert Begegnung in einer digitalisierten Welt.
Sharing in der Wohnungswirtschaft – ein alter Hut?
Auch vor der Wohnungsbranche machen diese Entwicklungen nicht halt. Die Prognose: Das Leben wird sich aus den eigenen vier Wänden hinausverlagern – in die gemeinsame Küche, den Gemeinschaftsraum oder den Garten. Für einen selbst bleibt lediglich der Raum für die ganz privaten Bedürfnisse, wie schlafen oder duschen. In den enorm verdichteten deutschen Großstädten kann so viel Platz gespart werden, während trotzdem alle Bedürfnisse der Menschen gedeckt und vielfältige Angebote verfügbar sind.
Ganz neu ist dieser Gedanke bei allem modernen Anstrich in der Wohnungswirtschaft nicht. Seit Jahrzehnten schließen sich Studierende in Wohngemeinschaften zusammen, um durch die gemeinsame Nutzung von Küche oder Badezimmer Geld zu sparen und nach dem Auszug von Zuhause ein soziales Gefüge zu finden. Auch Wohnungsgenossenschaften verkörpern den Sharing-Gedanken seit jeher, schließlich wurden sie einst gegründet, um gemeinsam günstigen Wohnraum zu schaffen. In dieser Tradition sind sie und ihre Mitglieder Vorreiter des Sharings, denn viele teilen bereits seit Jahren Gemeinschaftsräume, Werkräume, Gärten oder Haushaltsgeräte.
Die Zukunft ist jetzt
Doch die bekannten Prinzipien entwickeln sich ständig weiter. Unter dem Begriff „Quartier“ wird die Planung von Baumaßnahmen in größeren Bedeutungszusammenhängen verstanden. Wohn- und Lebensräume werden gemeinsam gedacht: Mehrere Häuser können durch ein großes Wärmenetz sparsamer versorgt werden, als allein. Spielplätze für mehr Häuser machen mehr Kinder glücklich. Ein Sportplatz, der von vielen Menschen genutzt wird, ist preiswerter. Modernste Entwicklungen, wie das Co-Living, treiben diese Entwicklungen auf die Spitze und verkünden, dass es in der Zukunft gar kein Wohneigentum mehr geben werde. Bereits heute vermieten kommerzielle Anbieter vollmöblierte WG-Zimmer ohne Mindestmietdauer für wenige Wochen oder Monate an digitale Nomaden. Junge Menschen leben ohne festes eigenes Zimmer in einer gemeinsam möblierten Wohnung, in der sie sowohl arbeiten als auch ihre Freizeit verbringen. Wer weiß, welche Möglichkeiten des Teilens noch ergründet werden?
Geteilter Raum ist beanspruchter Raum
Bei all diesen unterschiedlichen Konzepten gilt: Teilen bedeutet immer, dass mehr Menschen den selben Raum und die selben Gegenstände nutzen. Das kann problematisch sein, denn erfahrungsgemäß behandeln Menschen Dinge, die ihnen nicht selbst gehören, häufig weniger pfleglich. In Kombination mit dem gewissen Grad an Anonymität und Nicht-Nachweisbarkeit, der in geteilten Wohnräumen vorherrscht, hat das zur Konsequenz, dass Wohnungen, Ausstattung, Gerätschaften und Mobiliar deutlicher stärker strapaziert werden, als bei klassischen Wohnkonzepten. Darauf müssen Anbieter von geteiltem Wohnraum reagiere…