Eine große Enttäuschung

Kommentar von VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner

Der Deutsche Bundestag hat am 8. September 2023 das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschlossen. Es zielt darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen in Deutschland klimafreundlich zu machen.

Im Kern sieht das Gesetz vor, dass künftig jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Das Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten. Zunächst wird es aber nur für Neubaugebiete gelten.

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Der Bundestag hat das überarbeitete Gebäudeenergiegesetz verabschiedet. Ein paar Tage später bessert die Bundesregierung in Teilen nach. Die grundsätzlichen Fehler aber werden nicht beseitigt. Zusätzlich droht Ärger aus Brüssel.

Für Bestandsbauten wird eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein. Die Kommunen haben allerdings noch einige Jahre Zeit, eine Wärmeplanung zu erarbeiten.

Das Gesetz ist eine einzige große und andauernde Enttäuschung für die sozialen Vermieter. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde durch ein Gesetz so viel Vertrauen in die Politik und in die Demokratie verspielt.

Auch wenn vor Verabschiedung des Gesetzes noch einigen Änderungen eingearbeitet wurden, so verursacht die letztlich gefundene Lösung für die am Gemeinwohl orientierten Vermieter hohe finanzielle Lasten.

Milliarden Euro allein für den Heizungskeller

Die im VNW organisierten Unternehmen werden in den kommenden Jahren Hunderte Millionen Euro, wenn nicht gar Milliarden Euro im Heizungskeller investieren müssen. Das ist Geld, das für die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen fehlt – sowohl im Bestand als auch im Neubau.

Wir sozialen Vermieter unterstützen das Ziel, bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Aber wer Klimaschutz erfolgreich gestalten will, der benötigt dazu die Unterstützung der Menschen. Mit dem GEG wird diese Bereitschaft verspielt, weil es zu Lasten der Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen geht.

Klimaschutz ist immer auch eine soziale Frage. Wer das vergisst, wird am Ende scheitern. Dabei geht es nicht darum, bezahlbares Wohnen und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. Aber das eine ist ohne das andere nicht möglich.

Zwar hat die Bundesregierung aus Anlass des Wohngipfels am 25. September das GEG in einigen Teilen nachgebessert. So haben jetzt auch die sozialen Vermieter die Möglichkeit, den sogenannten Speed-Bonus zu bekommen. Außerdem verzichtet die Regierung vorerst, den Effizienzstandards EH 40 verpflichtend zu machen.

Am Ende wirkt das Ganze eher wie „weiße Salbe“. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie sind zwar der Beginn eines Umdenkens. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wirklich schon jeder Minister den Ernst der Lage verstanden hat. Von einem ‚Ruck‘ ist jedenfalls nicht viel zu erkennen.

Pläne der EU sind nicht umsetzbar

Wie ernst die Lage für die sozialen Vermieter ist, belegen die Pläne der Europäischen Union zur energetischen Sanierung der Wohngebäude mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen – den sogenannten „worst performing buildings“. Diese sollen bis zum Jahr 2033 umgesetzt werden und sind aus unserer Sicht wirtschaftlich nicht umsetzbar.

Dazu hat der VNW seine Mitgliedsunternehmen Ende August/Anfang September befragt. Danach gehören rund 15 Prozent der etwa 750.000 Wohnungen den Energieeffizienzklassen der „worst performing buildings“ an und müss(t)en bis 2033 energetisch saniert werden, sollten die EU-Pläne Wirklichkeit werden.

Grundlage für diese Verpflichtung sind die geplanten Regelungen in der Europäischen Gebäuderichtlinie, die voraussichtlich im Jahr 2025 mit der nächsten Novelle des deutschen Gebäudeenergiegesetzes in nationales Recht überführt werden.

Die energetischen Sanierungskosten für die „worst performing buildings“ würden für jede Wohnung im Durchschnitt rund 60.000 Euro betragen. Damit summieren sich die Gesamtkosten allein für die norddeutschen VNW-Unternehmen auf rund 6,75 Milliarden Euro.

Refinanzierung ist nicht möglich

Das Problem für die sozialen Vermieter liegt in der aktuellen Gesetzeslage. Danach darf die monatliche Mieterhöhung durch Modernisierungsumlagen innerhalb von sechs Jahren lediglich zwei Euro pro Quadratmeter betragen, wenn die Miete vor der Modernisierung unter sieben Euro liegt.

Das bedeutet, dass sich ohne staatliche Förderung die Sanierungsinvestition erst nach 41 Jahren amortisiert. Das Ausmaß dieser EU-Pläne wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass in früheren Zeiten eine Amortisationsdauer von rund zehn Jahren für tragbar gehalten wurde.

Grundlage dieser Ergebnisse sind Berechnungen von Experten, wonach in die energetische Sanierung von „besonders schlechten Wohnungen“ rund 2000 Euro pro Quadratmeter investiert werden müssen, um sie in einen Zustand zu versetzen, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Als umlagefähiger Anteil dieser Kosten wurden 50 Prozent angenommen, also 1000 Euro pro Quadratmeter.

Anforderungen sind sozialer Sprengstoff

Die monatliche Nettokaltmiete der VNW-Unternehmen liegt gegenwärtig im Durchschnitt bei 6,41 Euro pro Quadratmeter. Mit anderen Worten: Unsere Unternehmen müssten bei den worst performing buildings die Mieten deutlich erhöhen, damit zumindest ein Teil der Kosten der Sanierungen ausgeglichen werden können.

Innerhalb der gesetzlich erlaubten Höhe von Umlagen sind unsere Unternehmen nicht einmal im Ansatz in der Lage, die geforderte Sanierung der am meisten sanierungsbedürftigen Wohngebäude umzusetzen.

VNW-Unternehmen haben wegen ihrer günstigen Mieten keine Rücklagen, aus denen sie über mehrere Jahre derart hohe Fehlbeträge finanzieren könnten. Ihnen droht eine gefährliche wirtschaftliche Schieflage, sollten die EU-Richtlinien Gesetz werden.

Die Bundesregierung hat nun aus Anlass des Wohngipfels erklärt, sie lehne den auf EU-Ebene diskutierten Sanierungszwang ab. Allerdings müssen diesen markigen Worten jetzt auch Taten folgen. Die sozialen Vermieter erwarten von der Bundesregierung ein Veto gegen die EU-Pläne. Diese müsse umgehend vom Tisch – ohne Wenn und Aber.

Werden die EU-Pläne hingegen Wirklichkeit, werden die sozialen Vermieter in ihrer Existenz gefährdet. Das ist sozialer Sprengstoff, der radikalen politischen Kräften Zulauf ohne Ende bescheren wird.

Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)

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