Die Bauwende ist das Ziel

Die Bundesregierung möchte die Sanierungsrate auf drei Prozent verdoppeln. Zugleich fehlen auf Bundesebene Daten und rechtliche Anpassungen. Kein Wunder, dass die Sanierungsmoral durchwachsen ist. Doch es gibt sie, die ambitionierten Projekte, bei denen es um den Bestand und nicht um dessen Vernichtung geht.
FRANZISKA LEEB

Klare regulatorische Rahmenbedingungen für ein Abriss-Moratorium, wonach jeder Abriss einer Genehmigung unter der Maßgabe der Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltauswirkungen bedarf, verlangten 170 Fachleute im Herbst 2022 von der deutschen Bundesbauministerin Klara Geywitz. In der Schweiz lancierte schon 2019 der von Architekturschaffenden gegründete „Verein Countdown 2030“ den digitalen Abriss-Atlas und die Petition „Fertig mit dem Abrisswahn!“, die ähnliche Forderungen stellte.

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Hierzulande formierte sich nach diesen Vorbildern die von Architekturinstitutionen, Umwelt- und Wissenschaftsinitiativen unterstützte „Allianz für Substanz“. Von Bundesministerin Leonore Gewessler fordert sie einen Paradigmenwechsel im Bauwesen. Ein verbindlicher Substanzschutz, Herstellung von Kostenwahrheit durch zweckgebundene Besteuerung von Treibhausgasemissionen, finanzielle Anreize für die Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden, die Abschaffung von Regelungen, die den Abriss begünstigen sowie von Förderungen für Ersatzneubauten seien wesentliche Hebel, mit denen ein neuer Kurs eingeleitet werden kann.

Initiativen gegen Abriss 
abrissmoratorium.de 
www.abriss-atlas.ch 
abriss-atlas.de 
www.allianzfuersubstanz.net 
www.architects4future.de 
www.bauhauserde.org 
countdown2030.ch

Zwar hat sich die österreichische Bundesregierung die „Erhöhung der Sanierungsrate in Richtung des Zielwerts von drei Prozent“ vorgenommen. Wie sich diese Sanierungsrate zusammensetzt, war indes nirgends definiert. Daher hat bereits Anfang 2020 die Forschungsplattform IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen gemeinsam mit dem Umweltbundesamt eine Definition und Messmethode der Sanierungsrate vorgestellt. Die Studie und das seither jährlich publizierte Monitoring- System zu Sanierungsmaßnahmen wurden von Verbänden der Bauprodukteindustrie beauftragt. Diese wünschten, so Wohnbauforscher Wolfgang Amann vom IIBW, eine sachliche Grundlage, damit nicht länger über Daten, sondern über Maßnahmen debattiert wird.

„Der Bund tut sich nach wie vor schwer mit unserem Zugang, weil er von den Ländern nur zähneknirschend mitgetragen wird. Und auch deshalb, weil es noch immer keine bindende Methodik von EU-Seite gibt.“ Nun ist die Legislaturperiode bald zu Ende, nach wie vor ist in keinem Regierungsdokument die Sanierungsrate definiert und jene, die es gibt, hat nicht den Sanctus als „offizielle“ Sanierungsrate Österreichs.

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Mühsames Daten sammeln

Das Datensammeln ist mühsam. Als großes Manko benennt Amann den Umstand, dass keine bundesweiten Energieausweisdaten vorhanden sind. Es existiert zwar die Energieausweisdatenbank (EADB), die von der Statistik auf Basis des Gebäude- und Wohnungsregister- Gesetzes zur Verfügung gestellt wird. Dorthin sollten die Länder ihre Daten hochladen. Dennoch liegen aus unterschiedlichen Gründen aus keinem einzigen Bundesland umfassend Energieausweise vor.

Das Wohnhaus in der Rautenstrauchgasse in Wien – vor und nach der Sanierung

Zudem werde eine Auswertung der gemeldeten Energieausweise dadurch erschwert, dass – Salzburg ausgenommen – nicht zwischen Energieausweisen, die im Rahmen einer Planung (Planungsenergieausweis) und jenen, die dem errichteten Gebäude (Fertigstellungsausweis) ausgestellt wurden, unterschieden wird, ist aus der Statistik Austria zu erfahren. Man bemühe sich um eine Lösung, um den Datenbestand für strategische Planungen nutzbar zu machen.

Bei mietrechtlichen Regelungen zur Dekarbonisierung sieht es düster aus.

Wolfgang Amann, IIBW

Hinderliche Gesetze

Daten hin oder her – wie sieht es mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aus – sind die schon auf Sanierungskurs? Im gemeinnützigen Wohnbau benachteiligt das Kostendeckungsprinzip Sanierungen gegenüber Neubauten, infolgedessen, so Amann, nach umfassenden Sanierungen häufig höhere Mieten als im Neubau herauskämen. Weiters können wegen der fehlenden Duldungspflichten für den Heizungstausch Einzelne nach wie vor Sanierungen verhindern.

Für geglückt hält Amann zum Beispiel Regeln in der Wiener Bauordnung, die zumindest für bestehende fossile Gebäudezentralheizungen die Dekarbonisierung gegenüber den Bewohner:innen durchsetzbar machen aber auch die Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 2022 mit einfacheren Quorumregelungen und dem „Right to Plug“, was den Einbau von E-Ladestationen oder PV-Anlagen erleichtert.

Auf europäischer Ebene zielt die überarbeitete EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) darauf ab, die Renovierungsraten zu beschleunigen, die Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch zu senken sowie die Nutzung erneuerbarer Energien in Gebäuden zu fördern. Wie die Ziele erreicht werden, liegt vorrangig in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Amann bedauert, dass das ursprünglich vorgesehene Verkaufs- und Vermietungsverbot für thermisch besonders schlechte Bestandssegmente deutlich entschärft wurde. Und es dauere leider auch immer Ewigkeiten, bis die EPBD in österreichisches Recht umgesetzt ist.

Wie gut Österreich im EU-Vergleich beim Gebäudesanieren dasteht? Mangels vergleichbarer Daten schwer zu sagen. Wolfgang Amann: „Einiges funktioniert richtig gut. Die Wohnungsgemeinnützigkeit in Verbindung mit der Wohnbauförderung ist eindeutig ein internationales Best Practice.“ Die Gemeinnützigen Bauvereinigungen lägen aufgrund des sehr viel besseren rechtlichen Regimes für Erhaltung und Verbesserung in Sachen Sanierung vor dem gewerblichen und privaten Sektor. „Bei thermischen Maßnahmen haben die Gemeinnützigen ihre Hausaufgaben schon weitgehend erledigt, nicht aber beim Kesseltausch. Düster sieht es demgegenüber bei mietrechtlichen Regelungen zur Dekarbonisierung aus.“

Verdoppelung notwendig

Das jüngste Monitoring zeigt jedenfalls, dass Österreich schon bessere Zeiten sah, was die Wohnhaussanierung anbelangt. Vor 15 Jahren betrug die Sanierungsrate über zwei Prozent. Bis Mitte der 2010er-Jahre ging sie nach unten und seither stagniert sie. Derzeit beträgt sie 1,4 Prozent, eine Verdoppelung ist notwendig, um bis 2040 den Gebäudebestand einigermaßen durchsaniert zu haben. „Österreich ist nicht ganz dicht“ lautet – provokant oder selbstironisch? – der Slogan, mit dem Eigenheimbesitzer:innen der Sanierungsbonus angepriesen wird. Noch nie gab es zusätzlich zu den Landesförderungen so hohe Förderungen vom Bund. Bis zu 42.000 Euro lassen sich hier holen.

Geld ist das eine, eine gute Beratung das andere. In Wien gibt es mit der „Hauskunft“ eine kostenlose Servicestelle für alle Sanierungswilligen. Sprachliche Kreativität mit (halb-)witzigen Wortschöpfungen scheint derzeit gefragt zu sein, um der Bevölkerung das Sanieren schmackhaft zu machen. „Wir San Wien“ heißt die Sanierungsoffensive der Stadt Wien, die Blocksanierung heißt jetzt WieNeu und darauf aufbauend ist WieNeu+ ein auf zehn Jahre angelegtes Stadterneuerungs- Programm, bei dem auch die Potenziale für Energieträgerwechsel geprüft werden.

Wohnbau Grellgasse, Wien-Floridsdorf, Bauträger Schwarzatal: Ein alter Wartungssteg wurde zum Spielgerät, ehemalige Fassadenelemente zu Bänken.
Fotos: Helmut Pointner, Büro Meumayer/A.Müller, Schwarzatal/DanielHawelka | Quelle: IIBW, Umweltbundesamt, 2023

Nach dem Projektgebiet Innerfavoriten startete vor einem Jahr das bezirksübergreifende „Grätzl 20 + 2“, wo der Wohnfonds Wien zwei Gebiete zur Blocksanierung ausgeschrieben hat: das „Alliiertenviertel Plus“, betreut von Aichberger Architektur, sowie „AltbrigitteNeu“, nach einem Konzept des Architekturbüros Pointner Pointer. Am Anfang stehen jeweils umfangreiche Analysen, das Identifizieren von Sanierungs- und Entwicklungspotenzialen sowie von sogenannten Schlüsselliegenschaften und im nächsten Schritt die Information und Einbindung von Hausbesitzer: innen und Bewohner:innen.

Wie gut es laufen kann, wenn eine Eigentümerfamilie Interesse am Sanieren hat, zeigt das Beispiel eines 1897 errichtete Gründerzeithauses in der Rautenstrauchgasse. Im Rahmen einer Blocksanierung wurden die Eigentümer: innen vom Wohnfonds Wien über die Fördermöglichkeiten informiert und ergriffen die Chance, die zuvor als unleistbar erschienene Sanierung in Angriff zu nehmen.

Der Bestand wurde nach Plänen von Pointner Pointner von Grund auf saniert und um einen dreigeschoßigen Dachaufbau in Holzbauweise aufgestockt. Ein Liftzubau sorgt für barrierefreien Zugang in die Wohnungen. Im Hofgebäude entstanden Büros. Dank umfassender thermischer Maßnahmen und des Anschlusses an das Fernwärmenetz wird nun bei einem um mehr als 60 Prozent reduzierten Heizwärmebedarf energiesparend und umweltfreundlich geheizt.

Der Abriss in Raten ist besiegelt: die Kanaltaler- Siedlung der LWBK und Neuen Heimat in Villach wird durch Neubauten ersetzt.

Ersetzen und wiederverwenden

Viele Gebäude ereilt das Abbruchurteil früh. Für ein OMV-Gebäude aus den 1980er-Jahren in der Grellgasse in Wien-Floridsdorf gab es durchaus Überlegungen, es zu erhalten und neu zu nutzen. Das scheiterte allerdings an rechtlichen Rahmenbedingungen und weil die Statik nicht dem Stand der Technik entsprach, wie Senka Nikolic vom gemeinnützigen Bauträger Schwarzatal erklärt. Stattdessen entstanden nun im Baurecht 337 geförderte Wohnungen und ein Kindergarten, wobei die Einbeziehung des Bestands – das Material der baulichen Substanz ebenso wie der Baumbestand – von Beginn an berücksichtigt wurde.

In Zusammenarbeit mit den Materialnomaden wurden die vorhandenen Bauteile und Materialien erfasst und analysiert. Betonfassadenelemente, Fenster, Türen, Edelstahlgeländer, Akustik-Paneele, Holzhandläufe, Postkästen, Leuchten, Fliesen, Natursteinplatten und mehr wurden zerstörungsfrei ausgebaut. „Weil Produktdaten und Zertifikate fehlen, scheitert die Wiederwendung oft an Haftungsfragen. Wir konnten weniger verwenden als beabsichtigt, weil der Generalunternehmer nicht in die Gewährleistung einsteigen wollte“, bedauert Nikolic.

Immerhin fanden die Materialnomaden und Landschaftsarchitektin Carla Lo eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten im Außenraum: Betonelemente wurden zu Bänken und Trittplatten, Geländer zu Radständern und ein Wartungssteg wurde zum Spielplatzelement umfunktioniert. Teile, die nicht vor Ort wiederverwendet werden konnten, fanden bei anderen Baustellen neue Einsatzmöglichkeiten, so wurde zum Beispiel vor Baustart ein Flohmarkt veranstaltet.

Das Linzer Franckviertel wird um- und neugebaut: Im Gebiet Wimhölzel-Hinterland (Bildmitte) hat die GWG die erste Bauetappe nach Plänen von transparadiso bereits fertiggestellt.

Die Wiederverwendung von Bauteilen ist keine Errungenschaft unserer Zeit. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts befasst sich der Architekturtheoretiker Sebastiano Serlio im siebenten Buch seiner Sette Libri d’architettura mit dem Einsatz von Spolien (von lat. spolium, Beutestück) und behandelt sowohl Entwurfsaspekte wie baupraktische Themen. Das Bauen mit Abbruchmaterial braucht Entwurfskompetenz und bautechnisches Know-how, das wusste schon Serlio und das spüren wir auch heute, wo der Einfachheit halber gern darauf verzichtet wird. Würde Senka Nikolic das Projekt in der Grellgasse als „Reconstructing“ bezeichnen? „Nein, das ist Abriss und Neubau. Unter Reconstructing verstehe ich etwas anderes.“

Begriffsverwirrung

Vor allem in Kärnten, aber auch in Tirol und Oberösterreich verwenden Bauträger und Politiker:innen diesen Anglizismus synonym für den Abriss eines Bestands, der durch etwas Neues ersetzt wird, und propagieren dies als Methode ökologischer Stadtentwicklung. „Trend zu Wiederaufbau im sozialen Wohnbau“ titelte der ORF-Kärnten vor ein paar Jahren, um zu erklären, dass die Mieter:innen auf diese Weise „ein Stück neue Wohnqualität“ erhielten und auch noch Energiekosten sparen. Als ob das mit einer Sanierung unmöglich wäre.

Buchtipp

Die Kanaltaler Siedlung Villach – Es geht um alles …
Verlag Hermagoras, 2023
Ein ganzer Stadtteil, erbaut ab 1940 für die aus dem Kanaltal umgesiedelte Bevölkerung, wird in Villach peu à peu der Abrissbirne zum Opfer fallen und durch Neubauten ersetzt. Die Initiativgruppe Kanaltaler- Siedlung setzt sich seit 2015 für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Siedlung ein. Das vorliegende Buch ist ein Plädoyer gegen den Abriss und für die ganzheitliche Betrachtung bestehender Siedlungen. Zu Wort kommen der Sohn des planenden Architekten Josef Kofferath, Bewohner:innen und Aktivist:innen. Es geht um Architektur und Politik, um Ignoranz und Verschwendung, um mangelnde Demokratie in der Stadtplanung und darum, wie man es besser machen könnte. 
http://igksv.info

Ist es nicht eine Chuzpe, jenseits von Kriegs- und Katastrophenszenarien von Wiederaufbau zu sprechen? „Meine Kolleg:innen in Großbritannien waren ‚indeed‘ irritiert über die Auslegung des Begriffs in unseren Breiten“, amüsiert sich Stefan Breuer. Er unterrichtet an der FH Kärnten im Masterstudium Architektur, wo mit den Schwerpunkten Dialogkultur, Materialkultur und Umbaukultur den Studierenden das Rüstzeug für die Bauwende gegeben wird. Zudem ist er Mitglied jener Bürgerinitiative, die sich seit 2015 kritisch mit dem beschlossenen Abriss der Kanaltaler-Siedlung in Villach befasst und ist selbst in der ab 1940 errichteten Siedlung aufgewachsen, die ein wichtiges Stück Zeitgeschichte repräsentiert.

Im Jahr 2014 haben die 800 Bewohner:innen aus der Zeitung erfahren, dass ihre Siedlung durch Neubauten ersetzt werden soll. Dagegen kämpfte die Gruppe Kanaltaler- Siedlung Villach erfolglos an, wurde vom Land Kärnten aber mit der Erarbeitung eines Leitfadens beauftragt, damit es bei künftigen Siedlungsentwicklungen im Bestand anders läuft als in Villach. „Quartier & Wir“ heißt der Leitfaden, der bei der Weiterentwicklung von Bestandsquartieren anzuwenden ist. Darin geht es nicht nur um gute Planungsprozesse, sondern auch um Dialogkultur. Ebenso wie man eine bautechnische Befundung vornehmen müsse, gelte es, auch das soziale Gefüge zu untersuchen. Beides sei laut Breuer in Villach nicht geschehen.

Südtiroler Siedlung Oberwart: Abriss ist keine Option

Skalierbarkeit und Effizienz

Aus der gleichen Zeit wie die Kanaltaler- Siedlung in Villach stammen viele Südtiroler Siedlungen, wo etliche derzeit durch Neubauten ersetzt oder stark überformt werden. WohnenPlus berichtete in Ausgabe 4-2023. Jene in Bludenz, für die vor ein paar Jahren auch schon die Alarmglocken läuteten, soll modernisiert werden. Im Jahr 2022 wurde im Zuge des Beteiligungsformats „Antonius & Fatima“ das soziale Gefüge ausgelotet. In sogenannten Living Labs berichteten die Bewohner:innen vom Zusammenleben in der Siedlung, was gut funktioniert und was weniger.

Es wurden Ideen und Visionen entwickelt und Feedback eingeholt. Auf der bautechnischen Ebene läuft das vom Vorarlberger Energieinstitut gemeinsam mit der Stadt Bludenz und der Alpenländischen Gemeinnützigen Wohnbau GmbH durchgeführte Forschungsprojekt Südsan, aus dem Erkenntnisse für Sanierungen in ganz Österreich erwartet werden. Zwei repräsentative Häuser werden nach vollzogener Mustersanierung, die in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt auch einen Ausbau des Dachs beinhaltet, einem einjährigen Monitoring unterzogen, auf dessen Basis die weitere Vorgehensweise entschieden wird. „Wir müssen lernen, nicht alles schönzureden, was neu ist und alles krankzubeten, was alt ist. Wir müssen die Häuser analysieren und fachlich gut begleitet umbauen“, plädiert Architekt Johannes Kaufmann.

Der Wohnblock Fennerstraße der Alpenländischen in Innsbruck aus den 1950ern wurde im bewohnten Zustand auf eine dezentrale Wärmepumpenlösung umgerüstet.

Für die einzige burgenländische Südtiroler Siedlung in Oberwart hegt die gemeinnützige OSG, Oberwarter Siedlungsgenossenschaft, Umbaupläne, die allerdings vom Denkmalamt nicht goutiert werden. Man bleibt im Gespräch. Gut Ding braucht Weile. Abriss ist jedenfalls keine Option.

In Innsbruck gelang es der Alpenländischen, bei der Sanierung eines 1955 errichteten Wohnblocks in der Fennerstraße den klimaaktiv Gebäudestandard Silber zu erreichen. Im Zuge der Generalsanierung wurden 48 Wohneinheiten, in denen bislang zum größten Teil Einzelthermen und Öfen in Betrieb waren, auf eine Wärmepumpen- Boiler-Kombination für Warmwasser und Heizung umgerüstet. Ein wichtiges Kriterium für das System war dessen Flexibilität, das die Umrüstung im bewohnten Zustand erlaubte. Nach einem detaillierten Monitoring werden sich auch hier Aussagen zu Skalierbarkeit und Effizienz treffen lassen.

Eisenbahnersiedlung von EBS/WAG am Froschberg in Linz: Verdichtung statt Abbruch

Die oberösterreichische Landeshauptstadt positioniert sich im Rahmen eines Klimaneutralitätskonzepts als Klima-Pionierstadt. Ein Fokus der Entwicklung liegt auf dem von Arbeiter:innen-Wohnanlagen geprägten Franckviertel. Man setzt auf Bestandsersatz, auch hier Reconstructing genannt, sowie auf kooperative Planungsverfahren unter Einbeziehung aller Stakeholder:innen sowie der Bewohner: innen.

Im Gebiet Wimhölzel- Hinterland hat die GWG, Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz, die erste Bauetappe nach Plänen von transparadiso bereits fertiggestellt. Für die sogenannte Gölsdorfsiedlung, wo die gemeinnützige GWG, Investor IFA und die Strabag gemeinsame Sache machen, soll das Ergebnis des vom Architekturbüro Kleboth und Dollnig geleitete kooperative Verfahren in Bälde vorliegen.


Kräfte bündeln

Die Gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen, GBV, verwalten eine Million Wohnungen, davon rund 700.000 Mietwohnungen. Klaus Baringer, Obmann Verband GBV, über die Herausforderungen der Zukunft.

Wie geht es den Gemeinnützigen mit der Sanierung des Bestands?

96 Prozent des Bestands unserer vor 1980 errichteten Mietwohnungen sind thermisch saniert. Jetzt ist der Heizungstausch zentrale Agenda. Insgesamt werden 58 Prozent unseres Wohnungsbestands (Miete und Eigentum) durch Fernwärme oder Erneuerbare Energien beheizt. 2022 wurden 4.200 Bestandswohnungen umgerüstet. Zur Erreichung des Klimaziels (dekarbonisierter Gebäudebestand bis 2040) müssen die Heizungsumstellungen im GBV-Mietwohnungsbestand auf jährlich rund 15.000 Wohnungen erhöht werden.

Kontraproduktiv wirkt sich der Mietpreisdeckel aus. Die Fünf-Prozent- Deckelung des Erhaltungsund Verbesserungsbeitrags reduziert die Berechnungsbasis 2024, die Mindereinnahmen für die Erhaltung und Verbesserung unserer Wohnhausanlagen setzen sich auf Dauer fort. Bei den Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen fehlen daher auf 20 Jahre gerechnet 3,1 Milliarden Euro in der Instandhaltung unserer Wohnhausanlagen. Das bedeutet, dass 158.000 Heizungsumstellungen, also mehr als ein Zehnjahres- Programm, nicht finanziert werden können.

Klaus Baringer

Welche rechtlichen Anpassungen wären wichtig?

Die österreichische Bundesregierung bekannte sich dazu, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen und bis 2040 klimaneutral zu werden. Das Erneuerbare-Wärme- Gesetz, das in Bestandsgebäuden den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen rein auf der Basis von Freiwilligkeit und unter In-Aussicht-Stellung nicht ausreichender Fördermittel vorsieht, wird dieses Ziel in dieser Form nicht erreichen.

Die erfolgreiche Umsetzung der Dekarbonisierung wird neben der Frage der Finanzierbarkeit maßgeblich auch davon abhängen, dass die Gesetzgebung wohnrechtliche Begleitmaßnahmen schafft, beginnend bei der Duldungspflicht bis zur Klarstellung, dass diese Arbeiten im gesamten Wohnrecht als Erhaltungsarbeiten qualifiziert werden können. Auch im Wohnungseigentumsrecht sind Klarstellungen nötig, etwa ob es sich bei Dekarbonisierungs-Maßnahmen um Aufgaben der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung handelt.

Klaus Baringer

Welche Maßnahmen wünschen Sie sich noch?

Es ist Zeit, dass alle Kräfte gebündelt werden, denn das Erfolgsmodell der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ist der ideale Hebel, um der anhaltenden Rezession entgegenzuwirken. Dafür ist insbesondere eine massive Anhebung der Wohnbauförderung erforderlich, die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsbeiträge und der Darlehensrückflüsse sowie als Sofortmaßnahme eine zweckgebundene Wohnbaumilliarde aus dem Bundesbudget.

Die Zinskonditionen der Kapitalmarktdarlehen können durch Garantieerklärungen des Bundes verbessert werden. Für die Dekarbonisierung braucht es eine klare Festlegung, in welchem Verhältnis Staat, Eigentümer: innen und Mieter:innen die erforderlichen Kosten tragen.

Klaus Baringer

Renovierung statt Abriss

Die 1938 bis 1941 erbauten Eisenbahnersiedlung auf dem Froschberg hingegen wollen WAG und EBS nachverdichten und barrierefrei machen. Nach Plänen von mia2 Architektur soll der Bestand aufgestockt und mit von der Fassade abgesetzten Laubengängen barrierefrei erschlossen werden. Dazu kommen sechs neue Baukörper, in denen bisher nicht vorhandene Gemeinschaftsräume Platz finden, weiters ist eine Terrasse für alle vorgesehen sowie ein Café.

Renovierung statt Abriss, klimapositiv statt klimaneutral, Architektur, die für die Natur nicht schädlich ist, sondern sich positiv auswirkt – diese Zugänge erfordern andere Planungs- und Umsetzungsstrategien als heute praktiziert werden. Wie solche visionären und innovativen Konzepte aussehen könnten, danach fragt heuer unter dem Titel „Form Follows Environment“ der biennal von der gemeinnützigen WBV-GPA und dem privaten Bauträger Lenikus Immobilien in Kooperation mit der Wirtschaftsagentur Wien ausgeschriebene Konzeptpreis Superscape.

Mit wechselnden Themen zu aktuellen Fragen soll mit diesem Preis eine langfristige Ideenwerkstatt etabliert werden, die Impulse für heutige und zukünftige Architektur und Stadtentwicklung geben kann. Im Mai wird die Shortlist der besten Konzepte bekannt gegeben, im Oktober das siegreiche Projekt. Wer weiß, vielleicht finden sich darunter auch neue Ideen und Lösungen für die Baustelle Bestand.

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