Warum die Gestaltung und Nutzung gemeinschaftlicher Räume entscheidend für lebendige Nachbarschaften ist, hängt von einer Vielzahl an Umständen ab. Der Mensch steht im Zentrum, der Austausch und das kontinuierliche Angebot an eine aktive Teilhabe zählen zu den erforschten Erfolgsfaktoren.
— SOPHIE ANGERHÖFER, realitylab GmbH
Im geförderten Wiener Wohnbau werden Gemeinschaftsräume von Anfang an mitgedacht. Ob als multifunktionaler Raum im Erdgeschoß, Dachterrassen, Gemeinschaftsküchen oder Urban- Gardening-Flächen: Sie sollen Begegnung ermöglichen, Nachbarschaften fördern und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit schaffen. Doch während manche Gemeinschaftsräume und -flächen mit Leben erfüllt werden, verwaisen andere nach wenigen Monaten. Woran liegt das? Wie können diese Räume lebendig werden? Welche Konzepte braucht es dafür?
Diesen Fragen ging das Modul 107 der Freitag-Akademie für Führungskräfte der gemeinnützigen Bauträger mit dem Titel „Gemeinschaftsräume: Belebt oder verwaist?“ nach. Der Vortrag von Petra Hendrich von realitylab GmbH bietet nicht nur Einblicke in die Potenziale solcher Räume, sondern auch konkrete Hinweise, wie diese erfolgreich geplant, verwaltet und genutzt werden können.
Funktionierende Räume brauchen …
… eine gute Planung, die lernt: Räume müssen flexibel sein und sich den Bedürfnissen anpassen können. … Raum für Mitbestimmung: Bewohner:innen tragen mehr Verantwortung, wenn sie in die Organisation und Pflege von Gemeinschaftsräumen und -flächen eingebunden werden. … Organisation und Verwaltung: Eine klare Struktur hilft bei der langfristigen Nutzung. Das Buchungssystem muss auf die Nutzungsmöglichkeiten angepasst sein (Nutzungsregeln und Zugänglichkeit). Klare Rollen helfen bei der Instandhaltung der Räume, z. B. durch transparente Kommunikation der Aufgaben der Hausverwaltung sowie Ansprechpersonen. Dabei soll die Hilfe zur Selbsthilfe gefördert werden. Einfache Zeichen, wie ein verfügbarer Besen, drücken aus: Alle tragen dazu bei, dass der Raum ordentlich bleibt. … Gemeinschaftsbildung: Nur wo soziale Bindung entsteht, lebt auch der Raum. Das erfordert ein Kennenlernen der Räume und Bewohner:innen. Durch eine Begleitung der Nachbarschaft kann die Selbstorganisation von Anfang an aufgebaut und weiterentwickelt werden. … partizipative Planung: Verwaltung und Organisation muss schon in der Planung mitgedacht werden. Eine Gemeinschaft muss wachsen – das braucht Zeit, Ressourcen und Moderation. Digitale Werkzeuge können das Angebot sinnvoll ergänzen.
Funktionen hinterfragen
Als Erstes gilt es zu hinterfragen, ob ein Raum tatsächlich ein Raum der Gemeinschaft sein soll oder vielmehr wohnungserweiternde Funktionen hat, wie ein Ort für die private Feier, als Homeoffice und Lernraum oder als Gästezimmer. Das hängt auch mit den Möglichkeiten der Hausverwaltung zusammen, diese Funktionen in ihrer Arbeit zu unterstützen und zu regeln.
Soll ein Raum tatsächlich zum Gemeinschaftsraum werden, dann ist er mehr als nur ein physischer Ort. Er ist eine Einladung zur Teilhabe, ein Möglichkeitsraum für Talente, Austausch und Zusammenarbeit. Damit wird er zu einem Ort, der entweder das soziale Gefüge stärkt oder – bei schlechter Umsetzung – zur Konfliktzone oder zum Geisterort verkommt.
Gelebte Nachbarschaft
Da im geförderten Wohnbau die Menschen mehr oder weniger zufällig nebeneinander wohnen und eine Nachbarschaft bilden, bietet es sich an, genau über die gemeinsamen Räume das soziale Netzwerk aufzubauen. Die Einbindung der Nachbarschaft in die Planung, die Organisation oder die Verwaltung unterstützt diese Prozesse. Mitgestaltung schafft Identifikation und reduziert Konfliktpotenzial.
Neben Räumen können auch Freiflächen wie Gemeinschaftshochbeete einen vielversprechender Möglichkeitsraum in Nachbarschaften darstellen. Gemeinschaftlich genutzte Gärten können als physische und symbolische Verankerung gemeinsamer Werte wirken – vom ökologischen Bewusstsein bis zur sozialen Inklusion. Gleichzeitig stellen sie hohe Anforderungen an Organisation, Engagement und Pflege. Alle tragen Verantwortung und lernen von- und miteinander.


Pflegen und nutzen
Unter „Gemeinschaffen“ versteht realitylab, dass gemeinschaftliches Handeln Räume schafft. Dabei orientiert sich realitylab an der Commons-Theorie von Elinor Ostrom. Sie zeigt mit ihrer preisgekrönten Arbeit, dass zum nachhaltigen Funktionieren einer Ressource (z. B. Gemeinschaftsräume und -flächen) eine klare Gemeinschaft (z. B eine Hausgemeinschaft) nötig ist, die diese pflegt, nutzt und dafür bestimme, und selbstgesetzte Regeln und Organisationsformen entwickelt.
Gerade beim Beispiel der Urban- Gardening-Flächen zeigt sich, dass diese besonders gut funktionieren. Bei diesen Flächen ist meist klar: Jene, die mitmachen, kümmern sich um die Flächen. Sie bestimmen, wie diese genutzt werden. Die von Gesetzes wegen immer für alle zugänglich zu haltenden Gemeinschaftsflächen sind öfter konfliktreich oder von rücksichtsloser, im schlimmsten Fall zerstörerischer Nutzung betroffen. Es gibt keine oder kaum Möglichkeiten, verbindliche Regeln und Sanktionen zu setzen und so den Kreis der Nutzer:innen auf jene einzuschränken, die sich dem Erhalt der Ressource Gemeinschaftsraum verpflichtet fühlen.
Analog und digital
Digitale Räume spielen zunehmend eine Rolle. Plattformen zur Raumreservierung, Foren für Nachbarschaftsprojekte, wie beunity, oder WhatsApp- Gruppen ergänzen die physischen Treffpunkte und ermöglichen niederschwellige Kommunikation und Organisation. Auch hier gilt – digitale Räume brauchen Nutzungsregeln, die von allen Beteiligten getragen und (weiter) entwickelt werden. Fazit : „Es kann gelingen …“ – Gemeinschaft ist machbar, wenn man sie gestaltet.